Von Streithähnen und Rechthabern

Kategorie: Natur


Darf mein Hund den Pöstler verbellen? Was tun, wenn Nachbars Tanne -meinen Garten beschattet? Muss ich Schnee räumen? Soll ich jetzt Hecken schneiden? Und unter welchen Bedingungen darf ich im Sommer draussen die Fussball- Europameisterschaft anschauen? Haus-, Garten- und Tierbesitzer haben diverse rechtliche Vorschriften zu beachten. Die häufigsten Streitfälle im Überblick.


Im Winter sind Schnee und Eis häufig ein Problem für Haus- und Gartenbesitzer. Dabei gilt als Grundlage die strenge Haftung für Werk- und Grundeigentümer nach OR Art. 58. Im Prinzip muss man eine Liegenschaft so unterhalten, dass kein Schaden für Dritte entsteht. Das bedeutet: Mindestens zwischen 7 und 21 Uhr sollte man an zugänglichen Wegen Schnee und Eis entfernen.

Das Bundesgericht hat einen Fall behandelt, bei dem eine Frau auf einem Parkplatz gestürzt war und sich verletzt hatte. An dem betreffenden Tag ist der Regen in Schneeregen übergegangen und auf dem Parkplatz hat sich Eis gebildet. Die unvollständige Schneeräumung, das fehlende Salzen oder Sanden nach der Eisbildung und auch das Fehlen eines Warnsignals (Sturzgefahr!) galten nach Bundesgericht als Unterhaltsmangel im Sinne von Art. 58 OR.

Ein sogenannter Werkmangel liegt dann vor, wenn ein Werk bei bestimmungsgemässem Gebrauch oder bei einer vorhersehbaren Fehlnutzung keine genügende Sicherheit bietet – und zwar unabhängig davon, ob sich ein Geschädigter im konkreten Fall unvernünftig verhalten hat oder nicht. Nach Bundesgericht müssen die Sicherheitsvorrichtungen und die Kosten dafür indes in einem vernünftigen Verhältnis zum Schutzinteresse der Benützer und zu dem Zweck des Hauses respektive seiner Bewohner stehen.

In Mietverträgen sollte vereinbart sein, ob die Mieter Reinigungsarbeiten, z. B. Schneeschaufeln, zu erledigen haben. Steht dies so in der Hausordnung, muss der Mietvertrag einen Hinweis enthalten, dass diese Arbeiten ein Bestandteil des Mietvertrages sind. In solchen Fällen ist es gerecht, wenn alle Mietparteien das Schneeschaufeln usw. abwechselnd oder zumindest gleich oft erledigen.

Wichtig: Wenn Kinder ohne Erlaubnis in den Garten gelangen können, wenn dessen Eigentümer abwesend ist, empfehlen Fachleute, bauliche Schutzvorkehrungen zu installieren, wenn ein Teich oder ein Schwimmbecken vorhanden ist, z. B. einen Zaun mit abschliessbarer Tür.

(Geschützte) Hecken schneiden

Wenn es nötig ist, Hecken zu beschneiden, sollte man das vor dem März erledigen. Später könnten sonst brütende Vögel und andere Tiere geschädigt werden. Als Richtlinie gilt, dass man zwischen 1. März und 30. September die Hecken in Ruhe lassen sollte.

Ein pensionierter Landwirt wurde im Oktober 2019 vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland schuldig gesprochen, weil er im Jahr 2017 über die Hälfte seiner Hecke abgeschnitten hatte. Dafür wäre laut Gericht eine Bewilligung notwendig gewesen. Formaljuristisch ist das richtig: Das Berner Naturschutzgesetz Art. 27 schreibt vor, dass Hecken und Feldgehölze in ihrem Bestand geschützt sind. Über Ausnahmen vom Beseitigungsverbot entscheidet der Regierungsstatthalter. Trotzdem ist es ein absurder Fall. Denn das Gericht hatte in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Hecke heute in bedeutend besserem Zustand ist als vor zwei Jahren. Sogar eine Rotrückenwürger-Familie habe sich eingenistet, argumentierte der Besitzer vor Gericht. Das deute darauf hin, dass die Biodiversität der Hecke intakt sei und diese somit in ihrem Bestand erhalten wurde. Das Gericht ist nicht darauf eingegangen.

Schatten, Laub und die schöne Aussicht

Im Nachbarschaftsrecht (ZGB Art. 684) ist vorgeschrieben, dass man übermässige Einwirkung auf das Eigentum der Nachbarn vermeiden sollte. Das ist relativ schwammig formuliert. Massgebend ist grundsätzlich, wie die durchschnittliche Bevölkerung eine Störung empfindet.

Das kantonale Nachbarrecht findet man normalerweise in den Einführungsgesetzen zum Zivilgesetzbuch. In der Gemeindeordnung werden unter anderem die Ruhezeiten festgelegt. Diese Vorschriften werden im Interesse der Allgemeinheit erlassen und sind grundsätzlich zwingender Natur.

Die Vorschriften, welche Abstände für Bäume und Sträucher gelten, sowie die Maximalhöhen bei Sträuchern und Hecken regeln die Kantone und zwar in den Einführungsgesetzen zum Zivilgesetzbuch. Die Regelungen sind kantonal oft sehr unterschiedlich.

Im Nachbarrecht unterscheidet man bei Pflanzen zwischen materiellen Immissionen wie Nadeln oder Laub und Immissionen wie Lichtentzug. Wurzeln und Äste, die vom Nachbargrundstück hinüberragen, gelten als direkte Eingriffe. Ergeben sich dadurch zu viel Schatten, Feuchtigkeit oder eine starke Behinderung der Aussicht, können die Nachbarn die Beseitigung verlangen. Das gilt auch bei Geruchsbelästigung, z. B. durch Komposthaufen. Am besten spricht man zuerst mit den Nachbarn über das Problem. Nützen weder Gespräch noch eingeschriebener Mahnbrief mit angemessener Fristsetzung, gilt ZGB Art. 687 bzw. die kantonale Regelung nach ZGB. Art. 688. In den meisten Kantonen können die Geschädigten das sogenannte Kapprecht ausüben, also überragende Äste und eindringende Wurzeln wegschneiden lassen. Der Beseitigungsanspruch unterliegt in den meisten Kantonen einer Verjährung. Mit der Mahnung sollte man also nicht zu lange warten. Nach einem Bundesgerichtsentscheid muss man beweisen, dass man rechtzeitig protestiert hat.

Auch beim Kapprecht gilt, dass man Bäume und Sträucher nur von Oktober bis März zurückschneiden darf. Wenn ein Nachbar die in sein Grundstück hineinragenden Äste duldet, hat er als Ausgleich das Recht, die Früchte zu pflücken (Anriesrecht). Auch dies ist kantonal geregelt.

Voraussetzung für das Kapprecht sind nach Recht- sprechung erhebliche Schädigungen durch überragende Äste oder eindringende Wurzeln. Voraussetzung ist, dass der Geschädigte dem Nachbarn eine ausreichende Frist gesetzt hat, um den Schaden zu beseitigen. Die Entfernung der störenden Pflanzenteile muss sorgfältig ausgeführt werden, damit die Pflanzen nicht beschädigt werden, wenn nötig durch eine Fachperson. Wer diese zu bezahlen hat, ist im Gesetz nicht geregelt. Der Geschädigte kann sich auf das allgemeine Schadenersatzrecht OR Art. 41 berufen, nach dem der Nachbar respektive seine Haftpflichtversicherung die Fachperson zu finanzieren hat. Am besten kündigt man das dem Nachbarn schon im Mahnschreiben an.

Herbstlaub gilt nur in Ausnahmefällen als übermässige Immission. Man sollte aber trotzdem dafür sorgen, dass die Nachbarn nicht daran gehindert werden, ihre Wege oder den Garagenvorplatz zu benützen, vor allem wenn es nass und glitschig wird. In schweren Fällen können die Nachbarn die Entsorgung der Blätter verlangen (ZGB Art. 679).

Den Naturschutz berücksichtigen

Die Regelungen des Naturschutzes sind bei der Gartenpflege zu berücksichtigen, d. h. konkret das Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) und die Verordnung (NHV). In dieser findet man auch eine Liste der in Bund und Kantonen geschützten Pflanzen und Tiere.

Das unberechtigte Pflücken, Ausgraben, Verkaufen, Kaufen oder Vernichten von wildlebenden Pflanzen und geschützten Tieren ist verboten (NHV Art. 20). Beispielsweise gelten alle Amphibien als geschützte Tiere. Es ist untersagt, Tiere dieser Arten zu töten, zu verletzen oder zu fangen sowie ihre Eier, Larven, Puppen, Nester oder Brutstätten zu beschädigen, zu zerstören oder zu entfernen (NHV Art. 20). Das bedeutet, dass man Molche im Gartenteich nicht fangen darf. Auch das Wasser in einem Teich auszupumpen ist nicht erlaubt, wenn darin Kaulquappen leben. Die zuständige Behörde kann jedoch Ausnahmebewilligungen erteilen.

Zu den geschützten Tieren, die man nicht umsiedeln darf, gehören neben Amphibien nach NHV Art. 20 auch Käfer, Libellen und sonstige Insekten. Auch zahlreiche Wespen- und Bienenarten, die nicht auf der Liste stehen, gelten als gefährdet. Wenn sich im Haus oder Garten ein Hornissen- oder Wespennest befindet, das z. B. Kranke oder kleine Kinder gefährdet, kann man das Nest von einer Fachperson umsiedeln lassen (z. B. www.hornissenschutz.ch).

Insektenhotels sind Nist- und Überwinterungshilfen für Insekten. Es ist erlaubt, solche aufzuhängen. Das wird von Umweltverbänden sogar empfohlen. Die Insektenhotels sollten so angebracht werden, dass die Bewohner niemanden belästigen. Besonders wenn darin geschützte Tiere nisten, ist ein Standortwechsel zu vermeiden.



SCHUTZ | Können Kinder unbeaufsichtigt in den -Garten mit Teich oder Pool gelangen, sollten die -Besitzer einen Zaun montieren.









BEUTEGREIFER | Katzen gelten als nicht domestizierbar. Deshalb müssen Besitzer in der Regel nicht für Schäden haften. Sie sollten ihren Lieblingen aber den Zugang zu Nistplätzen von Vögeln und zu Amphibien- und Reptilienstandorten erschweren.






Haftung für Haustiere

Tierhalter haften für das Verhalten ihrer Tiere. Auch sie sollen die Nachbarn nicht belästigen. Vor allem auf dem Land bellen viele Hunde schon aggressiv, wenn man nur auf dem Trottoir vorbeigeht. Das ist rücksichtslos und sollte man den Tieren abgewöhnen. Wenn die Hunde sogar angreifen, wird der Tierhalter haftbar (OR Art. 56). Katzen gelten im Gegensatz zu Hunden als nicht domestizierbar, sodass ihre Besitzer in der Regel nicht für Schäden haften müssen. Trotzdem, wenn eine Katze immer wieder Schäden anrichtet, sollte man sie um des Friedens willen wohl besser möglichst im Haus behalten.

Um andererseits Katzen aus seinem Garten fernzuhalten, kann man Pflanzen einsetzen, z. B. Weinrauten oder die sogenannte «Verpiss-dich-Pflanze» aus der Gattung der Harfensträucher, deren Duftstoffe Katzen vertreiben soll. Man kann auch Ultraschallgeräte verwenden, allerdings nützen sie nur bedingt – es scheint, dass sich die Katzen daran gewöhnen. Von unsichtbaren Drähten oder gar Elektrozäunen ist abzuraten. Daran können sich Mensch und Tier verletzen.



Juristische Tipps



● Säubern Sie im Winter mindestens die leicht zugänglichen Wege in Hof und Garten regelmässig von Schnee und Eis.

● Gegen Schneerutsch vom Dach montiert man am besten Schneefänger.

● Hecken schneiden sollte man nur in der Zeit von Anfang -Oktober bis Ende Februar.

● Sorgen Sie dafür, dass Ihre Haustiere niemanden übermässig belästigen oder schädigen.

● Berücksichtigen Sie die Vorschriften über geschützte Pflanzen und Tiere. Die Liste finden Sie in der Verordnung über den Natur- und Heimatschutz (NHV) auf www.admin.ch

● Achten Sie darauf, dass Ihre Bäume und Sträucher den Nachbarn nicht das Licht wegnehmen oder in den Nachbargarten hinüberragen. Sind sie selber davon betroffen, reklamieren Sie rechtzeitig und wenn nötig so, dass Sie es beweisen können, z. B. per E-Mail oder Einschreiben.

● Achten Sie bei Gartenfesten darauf, dass die Nachbarn nicht durch Grillgerüche und übermässigen Lärm gestört werden. Die Ruhezeiten der Gemeindeordnung sind zu beachten.

● Achten Sie nachts auf ausreichende Beleuchtung, am besten mit Bewegungsmelder.

● Bei Dekorationsbeleuchtungen sollte man die Gemeinde-ordnung beachten, nach der diese beispielsweise zwischen 22 und 6 Uhr ausgeschaltet sein müssen.



Licht gezielt einsetzen

Wichtig ist eine ausreichende Beleuchtung des Grundstücks aus Sicherheitsgründen, sonst könnte bei einem Unfall die Werkhaftung gelten. Zu diesem Zweck montiert man am besten Lichtquellen mit Bewegungsmeldern. Für Dekorationsbeleuchtungen von Häusern und Grundstücken gilt, dass Lichtstrahlen so zu begrenzen sind, dass Menschen, Tiere und Pflanzen in ihrem Wohlbefinden nicht erheblich gestört werden. Massgebend ist auch in diesem Fall, wie die durchschnittliche Bevölkerung eine Störung empfindet. Das Licht sollte aber nicht in den Garten oder zum Haus der Nachbarn leuchten.

Der Geschmack spielt dabei übrigens keine Rolle. Wenn man beispielsweise die Weihnachtsbeleuchtung der Nachbarn kitschig findet, ist das kein Grund, sich zu beschweren. Für Weihnachtsbeleuchtungen akzeptierte das Bundesgericht sogar, dass vom 1. Advent bis zum 6. Januar die Lichter bis 1 Uhr Nachts (statt 22 Uhr) brennen dürfen.

Partys im Freien

Weihnachten sind ja nun vorbei. Doch die nächsten Feste kommen bestimmt. Diesen Sommer etwa die Fussball--Europameisterschaften. Wer die Spiele draussen schauen möchte, lädt am besten die Nachbarn dazu ein. Ist das nicht möglich oder erwünscht, sollte man den Fernseher respektive Beamer nicht so laut einstellen, dass es die Nachbarschaft hört. Grillen im Garten oder auf dem Balkon ist prinzipiell erlaubt. Man muss aber darauf achten, dass möglichst wenig Rauch und Gerüche entstehen und keine Kohle- oder Holzpartikel bzw. Feuerfunken herumfliegen und womöglich in Wohnungen oder Häuser eindringen.

Häufige Veranstaltungen in den Abend- und Nachtstunden mit entsprechendem Lärm gelten als übermässige Belästigung. Die Nachtruhezeiten der Gemeinde sind zu beachten. Auch für Feiern gilt das Nachbarschaftsrecht nach ZGB Art. 684; und auch gemäss Mietrecht (OR Art. 257f) muss man Rücksicht auf die Nachbarn nehmen. Andererseits kann man von Nachbarn eine gewisse Toleranz erwarten. Am besten ist es eh, wenn man eingebettet ist in die Quartier- oder Dorfgemeinschaft und ein gutes Verhältnis zu seinen Nachbarn pflegt. So kann man sich auch in schwierigen Situationen gegenseitig unterstützen. //


Links

siehe www.natuerlich-online.ch


Fotos: istockphoto.com |





Zurück zum Blog