Mikroplastik in unseren Gewässern

Kategorie: Natur


Schätzungen zufolge landen jährlich zweieinhalb Millionen Tonnen Plastik im Meer. Wenn man solche Zahlen hört, denken viele erst einmal an weit entfernte Strände und Ozeane. Doch Plastik ist längst auch schon in unseren Gewässern ein Problem.




In einer Untersuchung von sechs Schweizer Gewässern fanden Forschende der ETH Lausanne bereits 2014 durchschnittlich 91 000 Mikroplastikteilchen pro Quadratkilometer. Und auch in den Flüssen sieht es nicht besser aus. Die Rhone befördert täglich mehr als zehn Kilogramm Mikroplastik nach Frankreich. Eine Studie vom Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft aus dem darauffolgenden Jahr kam zum Schluss, dass sich im Zürichsee acht Billionen Mikroplastikteilchen befinden, die zusammen rund 141 Kilogramm wiegen. Laut BAFU stellen diese Werte jedoch noch keine Gefahr für unsere Wasserqualität dar.

Doch wer denkt, Mikroplastik finde sich nur in Gewässern, täuscht sich. Eine Untersuchung des Geographischen Instituts der Universität Bern hat Mikroplastik in Auenböden gefunden, und das nicht nur im Mittelland, sondern auch nahe der Flussquellen im Hochgebirge, obwohl es dort weder eine Industrie noch sonstige Plastikquellen gibt. Die Forschenden berechneten basierend auf ihren Ergebnissen, dass sich allein in den obersten fünf Zentimetern der Schweizer Auenböden 53 Tonnen Mikroplastik befinden.

Doch wieso sind diese Funde alarmierend? Das Hauptproblem von Kunststoff ist, dass er nicht abgebaut wird, sondern einfach in immer kleinere Teile zerfällt. Diese Kunststoffpartikel werden so klein, dass sie durch Kläranlagen nicht komplett aus dem Abwasser gefiltert werden können. Zusätzlich werden bei der Zersetzung Zusatzstoffe wie Weichmacher, Flammschutzmittel oder Farbstoffe freigesetzt. Diese Stoffe werden dem Plastik beigemischt, um ihn flexibler und langlebiger zu machen. Diese Chemikalien sind nicht nur schädlich für die Umwelt, sondern auch für unsere Gesundheit. Und dadurch, dass sie im Wasser oder in der Luft freigesetzt werden, geraten sie in unsere Nahrungskette.


« Das Plastik wieder aus dem Meer zu fischen, ist sozusagen unmöglich.»





Gefährdung der Tierwelt

Auch für die Tierwelt hat die Plastikverschmutzung verheerende Folgen. Laut der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF werden mehr als 800 Tierarten durch den Plastikmüll beeinträchtigt. Delfine und andere Meerestiere verfangen sich in alten Fischereinetzen und sterben langsam und qualvoll. Oft verwechseln Tiere Plastik mit Nahrung und ersticken oder verhungern so trotz vollem Magen. Dadurch, dass Meerestiere Plastik zu sich nehmen, gelangt dieser schlussendlich in die menschliche Nahrungskette. So enthält eine Portion Muscheln laut Greenpeace um die 90 Plastikpartikel.





Der Weg in die Gewässer


Doch wie gelangt Plastik überhaupt ins Wasser?

Reifenabrieb: Durch Abrieb von Autopneus entsteht Plastikstaub, der sich auf den Strassen absetzt. Diese Verschmutzung wird verstärkt durch die abgesplitterten Reste von Strassenmarkierungen. Mit dem Regen werden diese Partikel dann ins Abwasser gespült.

Fischerei: Beim Fischfang gelangen Netze, Angelschnüre und andere Utensilien ins Wasser. Die sogenannten Geisternetze sind extrem gefährlich, da sich Tiere darin verfangen und elendig verenden.

Kunstfasern: Beinahe alle Kleider enthalten heutzutage synthetische Fasern. Doch vielen ist nicht bewusst, wie gross der negative Einfluss von synthetischer Kleidung auf die Umwelt ist. Rund ein Drittel des Kunststoffes im Meer stammt aus Mikrofasern, die sich beim Waschen von der Kleidung lösen und ins Abwasser gelangen.

Kosmetika: In den letzten Jahren kam der Trend auf, Kosmetikprodukten Plastik beizufügen. Es werden beispielsweise winzige Plastikkügelchen als Schleifkörper in Peelings gemischt oder Glitzerperlen in Shampoos. Aber nicht nur diese Mikrokügelchen sind ein Problem. Zahlreichen Produkten wie Lippenstift oder Wimperntusche wird auch der flüssige Plastik Acrylates Copolymer beigemischt.

Müll: Laut der Weltnaturschutzunion IUCN sind zwei Drittel des Plastiks grössere Stücke, die erst im Laufe der Zeit zu Mikroplastik zerfallen. Schlecht entsorgter Müll ist also ein riesiges Problem, egal ob dieser von Müllkippen in Strandnähe oder von Schiffen aus im Meer landet. Und in unserer Wegwerfgesellschaft mit extrem viel Verpackungsmüll wird dies in den nächsten Jahren auch nicht weniger.

Die oben aufgeführte Liste ist längst nicht allumfassend. Plastikverschmutzung entsteht auch an den unerwartetsten Orten. Ein Beispiel dafür findet sich beim Fussball, genauer gesagt bei den Kunstrasen. Um den Boden weicher zu machen, enthalten die meisten Kunstrasen Gummigranulat, das aus alten Autoreifen gewonnen wird. Durch Regen und Schnee gelangen diese Plastikpartikel in die Gewässer.


« Schätzungen zufolge landen jährlich zweieinhalb Millionen Tonnen Plastik im Meer.»

Lösungsansätze

Das Plastik wieder aus dem Meer zu fischen, ist laut Will McCallum von Greenpeace sozusagen unmöglich. Hinzu kommt, dass das Problem dadurch nicht gelöst wäre, sondern nur ein endloser Kreislauf starten würde, bei dem das neue Plastik laufend aus dem Wasser entfernt werden müsste. Das Problem muss also an der Quelle angegangen werden. Grundlegend dafür, die Plastikflut unter Kontrolle zu bringen, wären laut Tiza Mafira vom Indonesian Plastic Bag Diet Movement Verbote von Einwegplastik. In der EU wurde letztes Jahr ein Verbot von Einwegplastik verabschiedet, dem sich die Schweiz jedoch nicht angeschlossen hat. Aber auch Grosskonzerne müssen endlich zur Verantwortung gezogen werden. Firmen wie Shell verdienen Unmengen mit der Kunststoffproduktion und können dieses Geld dann einsetzen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Momentan werden zahlreiche kreative Lösungen des Plastikproblems entwickelt und erforscht. Eine mögliche Alternative ist die Herstellung von Kunststoffen auf der Basis von natürlichen Materialien wie Maisstärke oder Chitin aus Krustentierschalen. Angesichts der Menge von Krustentierabfall scheint die Lösung zwar vielversprechend, wie viel solche biologisch abbaubare Kunststoffe jedoch effektiv zur Lösung der Plastikkrise beitragen können, wird momentan noch untersucht. Ein Hindernis ist, dass eine verbesserte biologische Abbaubarkeit meist zu einer Verschlechterung der Eigenschaften des Plastiks führt.

Aber auch jede*r Einzelne von uns kann schon viel erreichen. Dabei fängt man am besten schrittweise an und achtet sich im Alltag darauf, wo man das meiste Plastik verbraucht. Danach kann man im eigenen finanziellen, zeitlichen und gesundheitlichen Ermessen versuchen, dort den Plastikverbrauch zu reduzieren. Eine Möglichkeit ist beispielsweise, immer eine Tasche, einen Becher und wenn mögliche einen Behälter dabeizuhaben für den Einkauf oder allfällige Take-away-Bestellungen. Auch im Bad lassen sich viele Produkte durch plastikfreie Alternativen ersetzen. So gibt es feste Shampoos, Deos, Gesichtsseifen und vieles mehr. Wie bereits erwähnt ist synthetische Kleidung einer der Hauptübeltäter, und doch kann man ihr heute kaum entkommen. Und nicht nur das, die Bekleidungsindustrie verursacht pro Jahr vier Milliarden Tonnen CO2-Emissionen. Zum Vergleich: Das sind mehr als der weltweite Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Mögliche Alternativen sind, schlicht weniger zu konsumieren oder sich im lokalen Secondhand-Laden umzusehen, schliesslich gab es die meisten Trends bereits einmal. Oder auch Upcycling von alter Kleidung durch Sticken oder Anmalen ist eine Option. Und beim Kauf von neuer Kleidung sollten Sie wenn möglich zu natürlichen Materialien wie Baumwolle, Leine, Hanf oder Wolle greifen. Auch beim Waschen gibt es einige schonende Methoden, beispielsweise werden bei niedrigerer Schleudergeschwindigkeit, kürzerem Waschzyklus und tieferer Temperatur weniger Mikrofasern freigesetzt.


Dies sind nur einige wenige plastikfreie(re) Alternativen. Das «natürlich»-Team ermuntert Sie, einen Rundgang durch Ihre Wohnung zu machen und zu schauen, wo Sie Ihren Plastikverbrauch reduzieren können.


Abschliessend kann gesagt werden, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn wir unseren Wasservorrat nicht komplett verschmutzen wollen, braucht es schleunigst ein Umdenken. Dabei muss nicht nur jede*r Einzelne von uns etwas ändern, sondern insbesondere einflussreiche Politiker*innen und Grosskonzerne müssen endlich ihre Verantwortung wahrnehmen und konkrete Änderungen umsetzen. •




Was ist Mikroplastik?

Mikroplastik bezeichnet winzige Kunststoffteilchen von einer Grösse von einem bis fünf Millimetern. Einige dieser Mikrokunststoffe werden so klein hergestellt, beispielsweise für Kosmetika. Ein Grossteil davon ist jedoch das Resultat von grösseren Plastikprodukten, die mit der Zeit in immer kleinere Teile zerfallen.

Weitere Gefahren für unser Wasser

Leider verunreinigt längst nicht nur Plastik unser Wasser. Ein riesiges Problem sind Medikamentenrückstände im Wasser. Diese gelangen durch falsche Entsorgung über die Toilette sowie Rückstände im Urin oder an der Haut ins Abwasser. Selbst Kläranlagen haben Mühe, diese Stoffe herauszufiltern, wodurch diese dann in unseren Gewässern wiederzufinden sind. In der Schweiz wurden in zehn Prozent der Messstellen Arzneimittel im Grundwasser nachgewiesen. Forschende gehen davon aus, dass manche dieser Stoffe schädlich sind für Wasserlebewesen.

Ein weiteres Risiko für unser Wasser ist die Verschmutzung durch Nitrat, das Bestandteil von Düngern ist. Durch das Überdüngen von landwirtschaftlichen Flächen können Pflanzen nicht alles aufnehmen, und die überschüssigen Stoffe gelangen über den Boden ins Grundwasser. Auch in der Landwirtschaft verwendete Pestizide verschmutzen das Grundwasser und gelangen sogar bis in unser Trinkwasser.

Buchtipps



«Wie wir Plastik vermeiden und einfach die Welt verändern» von Will McCallum Ullstein, 2018, ISBN 978-3-548-06062-0, ca. CHF 19.90




Mikroplastik. Was es im Körper anrichtet und wie wir uns davor schützen» von Ursula Linzer


Gräfe und Unzer Verlag, 2022, ISBN 978-3-8338-8012-4, ca. CHF 24.90


Nützliche Links:

www.zerowasteswitzerland.ch

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