«Man kann nur schützen, was man kennt»

Kategorie: Natur


Hanspeter Latour ist vor allem durch seine frühere Tätigkeit als Fussballtrainer bekannt. Doch seit seiner Pensionierung widmet er sich vor allem der Naturbeobachtung. Davon zeugen mehrere Bücher. Im Interview berichtet er, wie es dazu kam.




«natürlich»: Sie waren jahrzehntelang im Fussballgeschäft. Zunächst als Spieler, dann als Profitrainer auf höchster Stufe, sogar in der deutschen Bundesliga. Fussballrasen sind bekanntlich eine Monokultur. Kunstrasenplätze unnatürlich. Wie kommt es, dass Sie sich für Natur und Biodiversität interessieren und engagieren?

Hanspeter Latour: Das hat mit meiner Familie zu tun. Damals konnte man noch nicht mit acht Jahren in einen Fussballclub, sondern erst mit zwölf. Mein Vater war ein grosser Naturliebhaber. Deshalb war ich viel mit ihm unterwegs. Er hat fast alle Tiere und Vögel gekannt. Und wenn wir unterwegs waren, hat er Futter für seine Kanarienvögel gesammelt. Von ihm habe ich so gelernt, die Natur genau zu beobachten. Das hat mich während meiner Fussballkarriere begleitet. Auch wenn ich nicht viel Zeit hatte, habe ich mir immer vorgenommen, mich später für die Natur zu interessieren. Aber schon als Fussballtrainer habe ich wenn ich etwa mit meinen Spielern regenerativ unterwegs war, sie auf auf Bäume oder Vögel aufmerksam gemacht. In der Nähe von hier in Thun-Gwatt, wo wir das Interview durchführen, liegt der wunderbare Bonstettenpark. Dort habe ich mit der ersten Mannschaft des FC Thun eine Hecke angesetzt. Das kam so: Die Stadtgärtnerei hatte versehentlich eine Hecke vor dem Wald abgeholzt, was zu grossen Protesten der Naturschützer*innen führte. Als ich darauf aufmerksam gemacht wurde, fand ich das eine gute Idee, mit den Spielern unter Mithilfe der Stadtgärtnerei wieder eine Hecke anzupflanzen. Ich habe jedes Mal Freude daran, wenn ich in den Bonstettenpark gehe.

Wissen Sie, warum ihr Vater sich so sehr für die Natur interessiert hat?

Das weiss ich auch nicht so genau. Er ist in einem Haus mit grossem Garten aufgewachsen und hatte schon als Schulkind eigene Tiere. Er war viel in der Region Thun unterwegs. Weiter gereist ist er eigentlich nie. Darf ich noch ein Wort zu den Kunstrasen sagen?

Ja, sicher.

Es stimmt: Mit Natur hat das wenig zu tun. Das Gummigranulat ist ein Problem. Aber gerade für die unteren Ligen sind die Kunstrasen wichtig. Sie können so öfter und besser trainieren und sind weniger von der Witterung abhängig. Noch ein Müsterchen zum Thema Kunstrasen. Als Trainer von GC war ich oft im Trainingscampus Niederhasli in der Nähe des Neeracher Rieds. Auch mein Büro war dort. Am Morgen war ich meist der Erste vor Ort. Ich habe vom Büro aus auf die Kunstrasenplätze gesehen. Dabei konnte ich des öfteren beobachten, wie die Amseln versucht haben, Würmer aus dem Kunstrasen zu picken. Erfolglos natürlich. Da dachte ich mir, dass die Amseln nicht die intelligentesten Tiere sein können.

Aber so richtig mit dem Thema Natur haben Sie sich erst später beschäftigt?

Ja, das ist so. Ich habe immer alles mit Leidenschaft gemacht. Aber ich habe auch alles konsequent abgeschlossen, wenn die Zeit da war. Meine Karriere als Fussballtrainer habe ich 2009 beim Grasshopper Club Zürich abgeschlossen. Ich wäre gerne noch ein Jahr länger geblieben. Aber die Clubleitung hatte mir signalisiert, dass sie einen Jüngeren wollten. In der Schweiz sind nur zehn Fussballclubs in der obersten Liga. Da herrscht logischerweise ein grosser Konkurrenzkampf im Trainergeschäft. Ich habe dann eine Einzelfirma gegründet und habe Referate zu Teambildung, Führung und Motivation gehalten. Damit konnte ich die Anlage meines naturnahen Gartens finanzieren. Heute rede ich viel lieber über die Vögel und Schmetterlinge als über Fussball. Manchmal gibt es auch Kombinationen bei Vorträgen. Ich mache dann zwei Halbzeiten: Die erste rede ich über Motivation und Führung. In der zweiten über die Natur.

Ihr Garten bei Ihrem Haus im Eriz ist heute ihre Leidenschaft. Wie kam es dazu?

Ich wollte schon länger einen naturnahen Garten anlegen. Meine Frau und ich hatten bereits ein kleines Biotop. Ich musste das aufheben, weil das Biotop viel zu nahe an einem Haus zu liegen gekommen wäre, das neu gebaut wurde. Dazu brauchte es mehr Platz. Aber ganz so einfach war es nicht. Es hat dazu gar eine Umzonung eines Stücks Land bedingt. Ich musste die Behörden davon überzeugen. Mein Argument dabei war: Ich gebe der Natur mehr zurück als ich ihr nehme. Und in unseren Gärten können wir so der Natur etwas zurückgeben. So sehe ich es auch mit unseren Schutzgebieten. Wir müssen der Natur wieder mehr Sorge tragen. Die Nachhaltigkeit muss gepflegt werden. Doch es braucht auch ein Nebeneinander mit Flächen, die beispielsweise von der Landwirtschaft genutzt werden. Das ist mir wichtig. Denn ich bin gegen alle Extreme.

Einen naturnahen Garten anzulegen ist das eine. Beobachtungen zu fotografieren und aufzuschreiben das andere. Wie kam es dazu?

Aus lauter Freude an der Natur habe ich sie immer mehr und immer länger beobachtet. Und dann auch Beobachtungen fotografisch festgehalten. Zuerst habe ich es für mich gemacht. Aber dann habe ich mir gedacht, dass ich das mit anderen teilen möchte. Früher habe ich über Fussball referiert. Warum sollte ich nun nicht über die Natur referieren? Das brauchte eine gewisse Zeit, um Akzeptanz zu erhalten. Ich galt ja bis anhin nicht als Experte auf dem Gebiet. Nach und nach habe ich mich aber über Literatur weitergebildet. Durch alles das lernte ich andere Leute kennen, die sich für die Natur interessieren. Und darunter auch richtige Fachleute. Mit meinen Referaten fand ich sogar Anklang bei diesen. Sie schätzten es, dass ich mit meinem Fussballer-Hintergrund ganz andere Kreise erreichen kann. Und mein Netzwerk funktioniert super. Wenn ich eine Pflanze oder ein Tier bestimmen will, das ich noch nicht kenne, dann bekomme ich immer sofort eine Antwort.



Vorträge sind das eine. Bücher das andere. Wie sind Sie zum Bücherschreiben gekommen?

Als meine Fussballkarriere zu Ende gegangen war, meinten einige, ich solle eine Biographie herausgeben. Das wollte ich zunächst nicht. Denn meine Familie hatte es geschätzt, dass ich unser Privatleben nicht in die Öffentlichkeit getragen hatte. Eines Tages erhielt ich von Philipp Abt ein Buchkonzept zugesandt, welches uns zu gefallen wusste. Darauf sagte meine Frau eher unerwartet, dass sie und die Kinder Freude an einem Buch hätten. Dann habe ich mich mit dem Autoren Beat Straubhaar getroffen. Für mich war wichtig, dass ein Verlag aus der Region Thun das Buch herausgeben würde. Also gingen wir zur Verlegerin Annette Weber vom Weber Verlag Thun. Das Resultat war das Buch «Das isch doch e Gränni!». Ich lernte selber auch viel über das Bücherschreiben. Das nächste Buchprojekt enstand mit mir als Co-Autor. Der Titel war mit «Das isch doch e Schwalbe» noch ziemlich fussballnah. Ich habe aber die richtige Schwalbe gemeint. Das Buch «Natur mit Latour» folgte als nächstes. Und jetzt erscheint als Neustes das Buch «Biodiversität – 365 Beobachtungen und Geschichten».

Was erwartet uns in Ihrem in neuem Buch zum Thema «Biodiversität»?

Ich möchte mit meiner Tätigkeit dazu beitragen das Wort und den Begriff Biodiversität für die Allgemeinheit verständlicher zu machen. Ich will die Artenvielfalt zeigen. Man sagt, dass in einer grossen Handvoll Walderde mehr Lebewesen enthalten seien als es Menschen auf der ganzen Erde gibt. Die Natur ist wie das menschliche Leben. Es gibt Grandioses, es gibt Unscheinbares. Ich denke etwa daran, wie ein Kuckuck aufwächst. Was es braucht, bis er nach Afrika und wieder zurück fliegen kann. Dann ist da aber auch ein unscheinbares Pflänzlein, welches aus einer Felsritze wächst. Ich möchte auch Mut machen. Damit die Gesellschaft Wege findet, wie sich Natur und Mensch besser vertragen können. Zum Glück gibt es viele gute Projekte für die Natur. Alle, die einen Garten oder ein Stück Land besitzen, sollten der Natur etwas zurückgeben. Hier ist nicht nur die Landwirtschaft gefordert. Auch in privaten Gärten ist mehr Biodiversität möglich. Aber es ist auch wichtig, die Natur zu kennen. Man kann die Natur nur schützen, wenn man sie auch kennt. Denn nur wenn wir die Arten kennen, merken wir auch, wenn sie verschwinden. Dazu braucht es das Engagement von uns allen. Dort holt mich dann auch wieder der Fussball ein. Wenn sich alle Menschen so für die Natur wie für den Fussball interessieren würden, dann wüssten sie viel mehr. Und das würde auch der Natur dienen.



Hanspeter Latour (*1947) ist bekannt aus der Zeit als Trainer des FC Thun, des Grasshopper Clubs Zürich und des 1. FC Köln und war beliebt als kompetenter SRF-Fussballexperte. Hanspeter Latour ist auch ein begeisterter Naturbeobachter und -fotograf. Er ist ein gefragter Redner für Anlässe und gerngesehener Gast in Fernsehsendungen und setzt alles daran, dass sich Gesellschaft, Wirtschaft und Natur positiv ergänzen.







Unzählige spannende Fakten zu Natur und Artenvielfalt finden Sie in Hanspeter Latours Buch «Biodiversität – 365 Beobachtungen und Geschichten». «natürlich»-Leser*innen erhalten mit dem Gutscheincode «natürlich» 20 % Rabatt und können das Buch zum Preis von 31.20 statt 39.– Franken bestellen.


Format 17 × 24 cm Gebunden, Hardcover, 412 Seiten

ISBN 978-3-03818-381-5



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