Herbst – Wendepunkt der Tageslänge

Kategorie: Natur


Der Herbst ist die Jahreszeit der Ernte und Erntedankfeste. Die Blätter fallen, Natur und Mensch werden ruhiger und bereiten sich langsam auf den Winter vor.



Unlängst konnte man noch abends im Garten sitzen, grillen, planschen, plaudern und sich an lauen Sommerabenden erfreuen. Nun, am Herbstanfang werden die Tage mit Riesenschritten kürzer – jeden Tag etwa um drei Minuten. Doch auch wenn die Tage kürzer werden, beschenkt uns oft am Anfang des Herbstes eine der schönsten Jahreszeiten. Gerade wenn der Hochsommer oft verregnet und verhagelt war, wie in diesem Jahr, schätzen wir im Herbst eine längere Schönwetterperiode, den « Altweibersommer », der noch herrliche Ausflüge in die Natur ermöglicht und eine gute Entschädigung für einen « durchzogenen » Sommer bietet.


Das bunte Herbstlaub ! Es dichtet wohl ? Aufgespeicherte Sonne. Darunter Stimmenrausch des Abschieds.

Peter Hille (1854–1904)



Stabiles Hoch im September

Im September gibt es fast jedes Jahr eine der schönsten und beständigsten Wetterlagen über Mitteleuropa. Die Ursache dafür ist ein Hochdruckgebiet über Osteuropa, das trockene Luft nach Mitteleuropa führt. Die Herbstsonne ist sehr angenehm und im Gegensatz zum Hochsommer bleibt die drückende Hitze aus, die vielen zu schaffen macht.

Mit den länger werdenden Nächten sind am Morgen jeweils auch die typisch herbstlichen Nebelfelder sichtbar, die für eine mystische Stimmung sorgen. Besonders über den Gewässern lagern Morgennebel, die die Landschaft bei aufgehender Sonne in ein unwirkliches Licht tauchen. Dabei scheinen sich die Vorgänge in der Natur auch auf uns zu übertragen : Draussen wie in uns drinnen wird es ruhiger, der stürmische Sommer mit seinen langen Tagen ist vorbei. Viele Menschen gehen, wenn auch nicht gerade mit den Hühnern, wieder früher zu Bett. Der Lebensrhythmus ändert sich trotz Kunstlicht und modernen Technologien. Und das ist gut so: Die Ernte ist eingefahren und wir stehen am Übergang zu einer stillen Zeit mit den länger werdenden Nächten und mehr Ruhe für Mensch und Natur.

Das schöne Wetter kann mehrere Tage bis Wochen andauern und reicht mitunter bis in die ersten Oktoberwochen hinein. In den Wetterstatistiken ist diese Schönwetterperiode seit ca. 200 Jahren nachweisbar; in den Bauernregeln ist sie seit Jahrhunderten als « Altweibersommer » bekannt.



Herbstliche Sagen und Legenden

Mit dem Begriff « Altweibersommer » ist nicht etwa Sommerwetter für ältere Frauen gemeint. Mit «weiben » wurde im Altdeutschen das Knüpfen von Spinnweben bezeichnet. Da an klaren Septembertagen die Nächte recht kühl werden, ist am Morgen der Tau an den Spinnweben sehr gut sichtbar. Diese seltsam glänzenden Spinnenfäden, auch « Herbstfäden » genannt, erscheinen im Sonnenlicht wie lange, silbergraue Haare – darauf bezieht sich der Name Altweibersommer : auf die in der Luft treibenden zarten Spinnfäden von Jungspinnen, die taubehangen in der milden Herbstsonne glänzen. Nach der Mythologie sind Schicksalsgöttinnen, die als alte Frauen erscheinen, für diese Fäden verantwortlich. Deshalb glaubte man, dass eine baldige Hochzeit bevorstehen würde, wenn sich fliegende Spinnfäden im Haar eines jungen Mädchens verfangen hatten. Ebenso werden nach altem Volksglauben diese Fäden als « Gespinst der Elfen » betrachtet. Im Christentum entstandene Legenden berichten hingegen, dass die Silberfäden des Altweibersommers vom Mantel Marias stammen, den sie bei ihrer Himmelfahrt trug. Deshalb heissen im Volksmund die vom Tau glänzenden Spinnfäden auch « Marienfäden », « Marienseide » oder « Marienhaar ».

Wie eine fünfte Jahreszeit

Es lohnt sich, diese Zeit des Jahres bewusst zu erleben. Ein Spaziergang an oder über der Nebelgrenze kann traumhaft schön sein; Tautropfen an Grashalmen beglücken den, der die zarte Schönheit erfassen kann; erster Reif bedeckt die Pflanzen. Die Natur bietet viele wunderbare, mitunter bizarre Kunstwerke, die nur im Herbst zu bestaunen sind.

In verschiedenen Ländern feiert man den Altweibersommer und so hat er denn auch seinen entsprechenden Namen. In Nordamerika z. B. ist diese Jahreszeit als Indian Summer ( été indien ) bekannt. Damit wird seine spezielle Stellung sozusagen als fünfte Jahreszeit betont. Auch bei uns ist dieses Phänomen seit langem bekannt: In den Bauernregeln kommt deshalb klar zum Ausdruck, dass der September normalerweise schön und warm ist. So heisst es zum Beispiel : « Der September ist der Mai des Herbstes » oder « September schön in den ersten Tagen, will den ganzen Herbst ansagen ».

Feste zum Herbstäquinoktium

Die Kelten feierten am Tag der Herbsttagundnachtgleiche ein grosses Fest, bei dem sie den Göttern für die eingefahrene Ernte dankten. Dieser spezielle Tag im Jahreslauf markiert den Beginn der Zeit, in der die Nächte länger werden als die Tage. Früher waren die Menschen viel mehr mit der Natur verbunden und von ihr abhängig, deshalb wurden solche wichtigen Tage im Jahreslauf zelebriert. Auch heute wird noch verbreitet zu Herbstbeginn ein Erntedankfest gefeiert. Es ist einer der ältesten Bräuche überhaupt. In früheren Zeiten war der Alltag weltweit bei den meisten Menschen durch die Landwirtschaft geprägt; deshalb wurden in allen Teilen der Welt Erntedankfeste gefeiert. Überlieferungen dieser Feste reichen bis in die Antike zurück.

Bei der evangelischen Kirche ist das Datum des Erntedankfestes der 29. September, bei den Katholiken der erste Sonntag im Oktober. In den USA ist der vierte Donnerstag im November als « Thanksgiving Day » festgelegt, der als offizieller Feiertag gilt. Thanksgiving (englisch : Danksagung ) ist in den Vereinigten Staaten das wichtigste Fami- lienfest überhaupt. In seinem Mittelpunkt steht eine grosse Mahlzeit, bei der der traditionelle Truthahn mit einer reichhaltigen Auswahl an Beilagen und Nachspeisen bei geselligem Zusammensein verspeist wird.


Der Herbst aus meteorologischer Sicht


Am 22. September um 21.21 Uhr überquert die Sonne den Himmelsäquator südwärts, sodass die Sonne zu dieser Zeit über dem Äquator im Zenit steht. Tag und Nacht sind nun gleich lang – damit beginnt der Herbst. Die Bedingungen sind an diesem Tag gleich wie im Frühling, nur sind alle Vorzeichen umgekehrt: Auf der Nordhalbkugel geht es winterwärts, auf der Südhalbkugel sommerwärts. Am Nordpol geht an diesem Tag die Sonne unter, um die Polarnacht einzuleiten, am Südpol hingegen geht sie nach sechs Monaten wieder auf.


Am Herbstanfang werden die Tage am schnellsten kürzer : bei uns um knapp 3,5 Minuten pro Tag. Vom 22. September bis zum 28. Oktober wird der Tag um volle zwei Stunden kürzer. In der gleichen Zeitspanne vom 15. November bis zum 21. Dezember  sind es nur gerade 54 Minuten. Bis zur Wintersonnenwende am 21. Dezember wird die Verkürzung der Tage immer mehr gebremst und kehrt sich danach wieder ins Gegenteil um.



Den Ahnen gedenken

Es ist kein Zufall, dass im Herbst Feste und Rituale wie Halloween (31. Oktober ), Allerheiligen (1. November ) und Allerseelen (2. November ) gefeiert werden. Halloween, abgeleitet von All Hallows’ Eve, (der Abend vor Allerheiligen ) benennt die Volksbräuche am Abend und in der Nacht vor dem Hochfest Allerheiligen, also vom 31. Oktober auf den 1. November. Ursprünglich war dieses Brauchtum vor allem im katholischen Irland verbreitet. Die irischen Einwanderer in den USA zelebrierten ihre Bräuche auch in der neuen Welt und bauten sie sogar noch aus. In den katholisch geprägten Regionen ist Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag und wird am 1. November begangen. Am Tag nach Allerheiligen, dem 2. November, begeht die katholische Kirche den Allerseelentag, an dem der « Armen Seelen im Fegefeuer » gedacht wird. An vielen Orten, auch in der Schweiz, wird die damit verbundene Segnung der Gräber traditionell schon am Nachmittag von Allerheiligen vorgenommen. Dabei werden die Gräber mit Lichtern, Gestecken und Blumen besonders schön geschmückt. Im Herbst lassen die Bäume die Blätter fallen, die Natur bereitet sich auf die Winterruhe vor. In Analogie zur « sterbenden Natur » ist die Zeit ideal, um unseren Ahnen und der Toten zu gedenken.

Fit durch den Herbst

Bewegung im Freien kann im Herbst besonders viel Spass machen. Joggen oder Fahrrad fahren bei angenehmen Temperaturen tut Körper und Seele gut. Viel Bewegung in den Herbstmonaten ist zudem eine ausgezeichnete Vorbereitung, um den Winter gut zu überstehen. Sport an der frischen Luft stärkt die Abwehrkräfte und ist auch ein gutes Mittel gegen trübe Stimmung.

Im Herbst lassen sich auch besonders gut zur Jahreszeit passende Gerichte zubereiten – Kartoffeln, Kürbis, Pilze, Getreide und Obst sind in Hülle und Fülle vorhanden. Allein mit Kürbis lassen sich zahlreiche Köstlichkeiten wie Suppe, Salat, Risotto oder auch Kuchen zubereiten. Zudem gibt es viele Gerichte für die im Herbst erntereifen Kohlsorten, Pastinaken, Süsskartoffeln et cetera. Nicht zu vergessen die Kastanien: sie eignen sich geröstet zum Knabbern, als vollwertige Hauptmahlzeit oder zur Verarbeitung von Suppen oder Vermicelles. Nicht zuletzt ist der Herbst auch die Zeit der Weinernte. Auch sie wird durch zahlreiche Winzerfeste in den Weindörfern gebührend gefeiert. //



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