Pohltherapie – Genial kombiniert

Die Pohltherapie verbindet fünf Techniken, um Verspannungen zu lösen und das Bewusstsein für den Körper zu schulen. Chronische Beschwerden können damit nachhaltig behandelt werden.




Sitze ich entspannt oder neige ich meinen Oberkörper nach vorne? Stehe ich mit durchgedrückten Knien da? Ziehe ich die Schultern hoch, wenn ich am PC sitze? Ziehe ich meinen Bauch ein, um schlanker zu wirken? Wie sind beim Sitzen meine Füsse platziert? Atme ich tief bis in den Bauch oder geht das nicht? Ratsam ist es, zu erforschen, was wir täglich tun. Denn unsere Haltungen, die wir im Alltag und bei der Arbeit vor dem PC einnehmen, führen oft zu Verspannungen und Fehlhaltungen. Ebenso können Verletzungen, Unfälle, traumatische Erfahrungen oder dauerhafter Stress die Ursache für Anspannungen im Körper sein.

Jedoch ist das «Hinspüren» gar nicht so leicht. Denn die Fehlhaltungen sind uns derart in «Fleisch und Blut» übergegangen, dass wir sie gar nicht wahrnehmen. Die Folge sind oft allerlei Beschwerden: Der Rücken, der Nacken oder die Hüfte tun weh, die Schulter schmerzt oder wir haben häufig Bauchschmerzen. Andere Symptome sind Schwindel, Kopfschmerzen, wiederkehrende Migräne, Tinnitus, Übelkeit oder auch Atemstörungen, Kloss im Hals, Taubheitsgefühle, Unruhe und unerklärliche Angst oder gar Panikattacken. Selbst chronische Beckenbodenbeschwerden (etwa Dammschmerzen, Harndrang, Reizblase) haben ihren Ursprung sehr häufig in chronischen Fehlhaltungen.

Detektivarbeit

Oft treten «unspezifische» Beschwerden auf, die schwer einzuordnen sind und chronisch werden, also länger als drei Monate andauern. Betroffene nehmen diverse Behandlungen in Anspruch, gehen mitunter von einer Therapie zur nächsten, manchmal folgt eine Operation – ohne wirklichen Erfolg. Wenn sich dazu noch kein organischer Befund erheben lässt, leidet irgendwann auch die Seele. Ist man wirklich krank? Wieso findet man nichts? Es ist doch etwas nicht in Ordnung! Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit machen sich breit. Wenn die Beschwerden dann auch als rein psychosomatisch beurteilt werden, kann sich ein Gefühl des Nicht-ernst-genommen-Werdens einstellen, was dann die körperlichen Beschwerden zusätzlich verstärken kann. Ein Teufelskreis…

Die Pohltherapeutin Anja Gyger aus Thun hat täglich mit solchen Menschen zu tun, die keine dauerhafte Linderung ihrer chronischen Leiden erfahren. Die Sensomotorische Körpertherapie nach Dr. Pohl hat sich gerade dann als hilfreich erwiesen, wenn es keinen organischen Befund gibt für chronische Beschwerden und Schmerzen.

Anja Gyger dazu: «Oft ist es nicht so einfach zu erkennen, wo die Ursachen für diese Symptome sind. Ich muss regelrecht wie eine Detektivin arbeiten.» In der Regel seien es massive Verspannungen und Verhärtungen in der Muskulatur, den Sehnen, Faszien sowie im Bindegewebe der Haut, die sich in verschiedenen Symptomen äusserten. Gleichzeitig sei auch die Körperwahrnehmung durch die Daueranspannung gestört, so dass die Verspannungen nicht als solche wahrgenommen werden könnten. Massagen oder ähnliches helfe dann nicht. «Im Erstgespräch bespreche ich die Alltagsgewohnheiten, und in den folgenden Therapiestunden kommen häufig die Ursachen immer deutlicher zum Vorschein. Auch dadurch, dass die Patient*innen lernen, durch die Lockerung der Verspannungen mehr zu spüren», sagt die Therapeutin.


Unbewusste Fehlstellungen

Die Fehlhaltungen, die zu diesen Dauerkontraktionen führen und worauf der Körper reagiert, sind nämlich in der Regel den Betroffenen gar nicht bewusst. Denn unser Körper und unser Gehirn haben sich an den kontrahierten Zustand gewöhnt. Die Aufgabe der Pohltherapeutin ist es daher, die Aufmerksamkeit darauf zu richten und Zusammenhänge zu erklären. Gyger: «Aus der Art und der Lokalisation der Schmerzen oder Beschwerden kann ich schon vermuten, was die Betroffenen im Alltag tun, wo der Auslöser der Anspannungen zu suchen ist.» Durch gemeinsames Erforschen von alltäglichen Haltungen und Bewegungen oder erfahrenen Traumata, komme man der Ursache auf die Schliche.

Die Bewusstmachung und Auflösung der unbewussten Spannungen bzw. des «individuellen Spannungsmusters», das die Betroffenen sich über Jahre angeeignet haben, ist kein rein mentales Vorgehen. Ein Hauptziel der Pohltherapie ist es darum, dass die Menschen lernen, sich selbst zu spüren. Gyger: «Als einen Hauptaspekt der Pohltherapie lernen die Patient*innen mittels Körperbewusstheitstraining, die Entstehung einer Verspannung zu verhindern. Der Mensch gewinnt die bewusste Steuerung seiner Bewegung zurück.»

Die Betroffenen lernen, zu beobachten, welche Muskeln sich bei welcher Bewegung oder Haltung verspannen und wie sie gezielt entspannt werden können. Dazu werden neue Bewegungsabläufe gelernt, die zuhause stetig geübt werden sollten. Aktive Mitarbeit der Betroffenen ist dabei unabdingbar für den Therapieerfolg. Mithilfe der Therapie lernen die Betroffenen, den eigenen Körper und dessen Reaktionen in individuellen Zusammenhängen zu spüren, zu verstehen und zu bewegen. Im Laufe des therapeutischen Prozesses wird das Zusammenspiel zwischen Gehirn, Körper und Bewegung gefördert. Denn im Gehirn – so die These, die sich auf der «Somatics»-Methode von Thomas Hanna stützt – ist eine «Sensomotorische Amnesie» entstanden: Die Hirnteile, die für das Spüren zuständig sind, haben vergessen, wie sich die dauerkontrahierten Muskeln in lockerem Zustand anfühlen und bewegen lassen. Die neurologische Reizweiterleitung und die Feedbackschlaufe zum Gehirn sind aufgrund der fehlenden Bewegung und der Erstarrung gestört. Es sind, bildlich ausgedrückt, «weisse» Flecken auf der Körper-Landkarte entstanden. Die Pohltherapie nutzt die neurophysiologische Tatsache aus, dass die Bewegungsabläufe des Körpers durch die Körperwahrnehmung massgeblich beeinflusst werden.




Auslöser eigenes Leid

Die Sensomotorische Körpertherapie nach Dr. Pohl wurde vor rund 25 Jahren von der Psychologischen Psychotherapeutin Helga Pohl in Starnberg bei München entwickelt. Selbst an unerträglichen Rückenschmerzen leidend, fand sie in der Schulmedizin keine Hilfe.



Dank ihrem Forschergeist stiess sie auf alternative Methoden wie Feldenkrais, Hanna Somatics, Myogelosen- und Triggerpunktbehandlung sowie Zen-Bodytherapy. Sie studierte die Zusammenhänge von Körper, Haltung und Bewegung und lernte am eigenen Körper funktionelle Anatomie. Heute ist sie beschwerdefrei. Im Grunde handle es sich um ein neues Konzept der Psychosomatik, in dem, wie auf ihrer Webseite «pohltherapie.de» zu lesen ist, «das direkte Erleben, Bewegen und Wahrnehmen des realen Körpers eine zentrale Rolle spielt».

Die Pohltherapie kombiniert verschiedene Methoden, die sich gegenseitig ergänzen. Denn die Erfahrung zeigt, dass ein einzelnes Verfahren oftmals nicht ausreicht, um den komplexen psychophysischen Geschehen bei Schmerz und anderen Beschwerden wirklich Herr zu werden. «Neben der speziellen Behandlung des Bindegewebes kommt die Triggerpunktbehandlung und Pandiculation nach Thomas Hanna zum Einsatz», sagt Anja Gyger. «Darunter versteht man eine Technik, bei der es um aktives Spüren und Bewegen geht. Die Patient*innen lernen, die Muskeln wieder anzusteuern. Das benötigt etwas Übung und die Verspannungen werden weniger.»

Die Schmerzpunkte wie auch das Bindegewebe werden zudem aktiv behandelt. Erst nach der manuellen Auflösung der Kontraktion können die Patient*innen sich wieder spüren. Sensomotorische Übungen werden extrem achtsam und langsam ausgeführt, wobei man genau lernt zu verstehen, warum man etwas wie bewegt. Ziel ist es, dass die betroffenen Körperteile wieder in die normalen Alltagsbewegungen einbezogen werden können. In diesem Sinne hilft die Pohltherapie individuell und nachhaltig.


«Wir haben den ganzen Menschen im Blick»


Interview: Lioba Schneemann


Anja Gyger ist in Thun als Pohltherapeutin tätig. Im Interview sagt sie, wie die Pohltherapie wirkt und was sie so einzigartig macht.

«natürlich»: Was ist an der Pohltherapie so einzigartig?

Anja Gyger: Die fünf ineinander greifenden Techniken Bindegewebsmassage, Triggerpunktmassage, die Pandiculation, die sensomotorischen Übungen und das Körperbewusstseinstraining machen die Pohltherapie so einzigartig. Wir haben stets den ganzen Menschen mit seiner Haltung im Blick, nicht nur die einzelnen Muskeln oder das Skelett. Um Muskeln und Bindegewebe zu lösen, werden gezielte Griffe angewendet, die sehr tief wirken. In den meisten Fällen wird direkt nach der Behandlung ein deutlich wahrnehmbarer Unterschied gespürt.

Um die Ursache von chronischen Beschwerden zu finden, gehen Sie also fast wie eine Detektivin vor?

Ja. Ich schaue mir sehr genau an, wie der Mensch steht, sitzt und wie er sich im Alltag, beim Arbeiten oder beim Hobby bewegt. Was macht er oder sie, dass diese Beschwerden auftreten und chronisch geworden sind? Ich frage sehr genau nach, um den Ort der Verspannung und dann den Grund herauszufinden (etwa Operationen, Unfälle usw.). Durch das Lösen der Anspannungen wird die Bewegung wieder möglich, und mit dem Körperbewusstseinstraining erhalten die Patient*innen die Beweglichkeit zurück und Fehlhaltungen werden zukünftig vermieden.


Inwiefern haben die Patient*innen grossen Einfluss auf den Therapieverlauf?

Auch hier ist es unabdingbar, dass die Patient*innen aktiv mitmachen. Alle Menschen können mir ziemlich genau zeigen, wo es wehtut, wo der Schmerz sitzt oder auch, wo die Angst spürbar ist. Alles kann im Körper «verortet» werden. Bei nahezu allen «psychosomatischen» oder funktionellen Beschwerden gibt es einen objektiv feststellbaren Befund: Dauerkontraktionen in Muskulatur und Bindegewebe. In der Sitzung werden verspannte Körperpartien gezielt bewegt, Triggerpunkte und Bindegewebe gelockert. Daneben ist es sehr wichtig, dass die Patient*innen zuhause regelmässig gezielte Übungen zur Schulung der Körperwahrnehmung und zum Erhalt der Beweglichkeit machen. Die Menschen lernen im Laufe der Therapie zunehmend, sich selber zu helfen mittels Übungen, Selbstbehandlung und durch das veränderte Körperbewusstsein.





Anja Gyger

Pohltherapeutin



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