Kleiner Stinker

Kategorie: Heilpflanze


Vom 30. April auf den 1. Mai feiern wir eines der wichtigsten Naturfeste überhaupt, die Walpurgisnacht. Dabei darf das Ruprechtskraut nicht fehlen. Denn das beinahe in Vergessenheit geratene Heilkraut, auch Stinkender Storchschnabel genannt, eignet sich für den Einsatz bei sehr aktuellen Themen.





Der männliche und der weibliche Aspekt der Natur wachsen im April zum geschlechtsreifen Jüngling und zur fruchtbaren Jungfrau heran. Bis zur Walpurgisnacht am Ende des Monats sind die beiden Aspekte soweit herangereift, dass eine innige Verbindung der Polaritäten stattfinden kann: Die Vermählung der Maikönigin und des Waldgottes, die heilige Hochzeit, der Koitus zwischen Himmel und Erde. Bald strotzen die Wiesen von bunter Blumenpracht; es spriesst, gedeiht, wächst und vermehrt sich. In dieser Zeit erlebt die Fruchtbarkeit ihren Höhepunkt und schwappt auch auf uns Menschen über. Wer kennt sie nicht, die Frühlingsgefühle, die in dieser Zeit ihren Höhepunkt erreichen! Bei so viel überschwänglicher Fruchtbarkeit lockt es mich hinaus in den Garten. Ich lasse mich von den frischen Farben berauschen und von den ersten Sonnenstrahlen aufwärmen. Mit etwas Glück vernehme ich sogar ab Mitte April die Laute des offiziellen Boten dieser wonnigen Hochzeit: den Ruf des Kuckucks.

Luftikus unter den Pflanzen

Ein Pflanzenwesen, das sich in dieser Zeit in seiner sprühenden Kraft offenbart und zur Regentschaft dieser Jahreszeit gehört, ist der ein- bis zweijährige Stinkende Storchschnabel (Geranium robertianum), der zur Familie der Geraniengewächse (Geraniaceae) gehört. Ruprechtskraut, Gichtkraut oder sogar Gottesgnadenkraut wird der Stinkende Storchschnabel auch genannt. Seine Erntezeit dauert von März/April bis in den Oktober hinein. Dieses Pflanzenwesen liebt eher die feuchten, schattigen und düsteren, lichtarmen Standorte.


Der behaarte, stark verzweigte Storchschnabel besitzt rote, lange, am Grund aufgeschwollene Stiele. Diese sind geschmückt mit dunkelgrünen, handförmigen Laubblättern. Seine vielen kleinen und feinen rosafarbenen oder weissen Blüten erhellen förmlich sein Schattendasein. Beim Vergehen der Blüte bildet sich der Schoss der Samen, der aussieht wie ein Storchschnabel in Miniformat.

Fühlt sich der Stinkende Storchschnabel wohl an einem Standort, kann er sehr üppig wachsen. Dabei handelt es sich aber keineswegs um eine Pflanze mit starken, wuchernden Wurzeln. Zupft man mit nur zwei Fingern an einem Storchschnabel, zieht man die Pflanze samt Wurzel aus dem Boden. Die Hauptwurzel wächst oft oberirdisch auf dem Boden, und nur die dünnen Seitenwurzeln dringen in den Boden ein. Dies ist eine gewichtige, sehr seltene Eigenart, die es in der Signaturenlehre zu deuten gilt. Für mich symbolisiert dieses Verhalten der Pflanze das Thema «entwurzelt sein»; auch zeigt es einen starken Bezug zum Denken und zur Luft. Was bedeutet das? Beim Erleben von Traumen, Gewalt, Schrecksituationen oder emotionalen Verletzungen werden wir unweigerlich entwurzelt. Wir verlieren den Boden unter den Füssen. Und genau hier liegt eines der Spezialgebiete des Stinkenden Storchschnabels. Ich verwende ihn als Schocklöser, als Notfallmittel erster Wahl und als Stimmungsaufheller. Storchschnabel lässt sich auch einsetzen, wenn ein gut gewähltes Mittel aus irgendwelchen Gründen nicht richtig wirkt. Oft ist dies ein Zeichen für innere Blockaden. Und diese lassen sich mit dem Storchschnabel lösen. Danach kann das Hauptmittel richtig wirken.

Zarte Pflanze – strenger Geruch

Die ganze Pflanze verströmt einen krautigen, schweren, schweissigen, müffeligen und stark durchdringenden Geruch, den viele als unangenehm empfinden. Dieser Duft in Kombination mit der Blütenfarbe zeigt mir, dass ich den Stinkenden Storchschnabel in den Bereichen Fruchtbarkeit, Fortpflanzungsorgane, Psyche, Herz und Verdauung einsetzen kann. Bereits wenige Minuten nach der Ernte verschwindet der strenge Geruch.


Unseren Vorfahren kündigte der blühende Storchschnabel die Zeit des Eintreffens der Störche aus den Winterquartieren an. Der Storch mit seinem weiss-rot-schwarzen Gefieder ist ein Seelenvogel der dreifaltigen Erdenmutter. Weiss steht für die Kindheit, rot für das Erwachsensein und schwarz für das Alter. Da die weissen Federn überwiegen, symbolisiert der Storch den Frühling, das Neue und Reine, die Unschuld, die Fruchtbarkeit und das Leben. So verwundert es nicht, dass der Storchschnabel seit alter Zeit als Fruchtbarkeitspflanze genutzt wird. Meist mit grossem Erfolg. Heute wissen wir: Er gleicht Progesteronmangel aus und wirkt dadurch hormon- und fruchtbarkeitssteigernd. Da er auch gegen unbewusste Ängste wirkt, verabreiche ich die Heilpflanze bei Kinderwunsch stets beiden Partnern.


Der stark verzweigte Wuchs, die dunkel gefiederten Blätter und wässrig aufgeschwollenen Stiele deuten auf kühlende, zerteilende, enthärtende und auflösende Eigenschaften. Der Storchschnabel ist somit ein Ausscheidungsmittel, das reinigend, schwermetallausleitende, antibakteriell und antiviral wirkt. Er ist eines der wichtigsten Entgiftungsmittel überhaupt. Die Heilpflanze regt auch den Lymphfluss an, reinigt das Blut und stärkt das Immunsystem. Zur Anwendung kommt er als Tee, Tinktur, Pulver, Ölauszug oder Salbe bei Lippenherpes, schlecht heilenden Wunden, Entzündungen, Hautausschlägen, Neurodermitis, Menstruationsbeschwerden, Progesteronmangel, Dünndarmentzündungen, Magengeschwüren und bei chronischem Bronchialkatarrh.




Anwendungstipps

1. Notfall-Tropfen ( Tinktur )

20 g frisches Kraut in einem sauberen Schraubglas mit 100 ml Korn oder Wodka übergiessen, sodass das ganze Kraut bedeckt ist. Gut schütteln und drei Wochen an einen hellen Ort stellen. Täglich schütteln. Danach durch einen Kaffeefilter abseihen und in dunkle Tropffläschchen abfüllen. Dunkel und kühl gelagert ist die Tinktur circa zwei Jahre haltbar.

Bei akutem Bedarf einmalig 3 Tropfen einnehmen. Kann stündlich wiederholt werden bis zu maximal 20 Tropfen pro Tag. Gegen alte Traumata zweimal zwei Wochen lang dreimal täglich 3 Tropfen einnehmen. Dazwischen zwei Wochen Pause machen.

2. Notversorgung unterwegs

Das zerdrückte Kraut respektive der frische Pflanzensaft wird auf betroffene Stellen aufgelegt. Das hilft bei Augenentzündungen, Halsweh, Zahnweh, schmerzenden Füssen und geschwollenen Gliedern.

3. Storchschnabelschmalz-Salbe

130 ml Storchschnabel-Ölauszug

50 ml Storchschnabel-Tinktur ( siehe 1. )

25 g Bienenwachs

25 g Lanolin  (  = Wollwachs oder Fett )

● Ölauszug (getrocknete Pflanzen in Sonnenblumen- oder Olivenöl drei bis sechs Wochen bei Zimmertemperatur ausziehen; dann abseihen), Bienenwachs und Lanolin in einem hitzebeständigen Glas im Wasserbad langsam schmelzen. Parallel dazu die Tinktur auf ungefähr dieselbe Temperatur erhitzen (nicht bis zum Siedepunkt!).

● Beides vom Feuer nehmen und die Tinktur in kleinen Schritten unter ständigem Rühren in die Fette einarbeiten. Ist die ganze Tinktur drin, fängt die Arbeit erst an: Man muss so lange rühren, bis eine dickcremige Salbe entsteht, was durchaus eine Weile dauern kann. Ein Vernachlässigen des Rührens kann in der Abkühlungsphase zu einer Teilausscheidung führen.

Dunkel und kühl gelagert ist die Salbe mindestens zwei Jahre haltbar. Sie hilft bei Lippenherpes, Unterleibsschmerzen, Entzündungen und Gelenkschmerzen.




Steven Wolf hat schon als Kind von seiner -Grossmutter altes Pflanzenwissen gelernt und weiss um die Kraft der Natur mit all ihren sichtbaren und unsichtbaren Wesen. Er lebt im Jurtendorf in Luthernbad, wo er zusammen mit seiner Partnerin ganzheitliche Pflanzenkurse für interessierte Menschen durchführt. www.pflanzechreis.ch




Fotos: zvg | mauritius-images.com


Zurück zum Blog