Erholsamer Schlaf - Säule des Lebens

Kategorie: Gesundheit


Schlaf gehört wie Essen und Trinken zu unseren biologischen Grundbedürfnissen. Was aber tun, wenn wir nicht in den Schlaf finden oder der Schlaf uns keine Erholung beschert?




Erholsamer Schlaf ist essenziell. Denn während wir schlafen, spielen sich in unserem Körper lebensnotwendige Prozesse ab: unser Immunsystem läuft auf Hochtouren, Körperzellen regenerieren, Wunden heilen, lebenswichtige Proteine bilden sich. Auch unser Stoffwechsel gönnt sich keine Nachtruhe – er verarbeitet, was wir tagsüber aufgenommen haben. Bekommt unsere Körper nicht genügend Schlaf, so hat er nicht ausreichend Zeit, um Nahrung zu verstoffwechseln; das kann zu Übergewicht führen. Schlafstörungen sind ausserdem ein Risikofaktor für Bluthochdruck und Herzinfarkte. Und der durch Schlafmangel erhöhte Cortisolspiegel kann sich negativ auf den Blutzuckerspiegel auswirken und Diabetes Typ 2 begünstigen. Tagesmüdigkeit wiederum erhöht die Unfall- und Sturzgefahr. Eine fortwährende Übermüdung kann zudem Depressionen und Angstzustände auslösen. Doch wieso sind die Folgen von Schlafmangel so dramatisch?


Unser Gehirn ist nachts hochaktiv, nicht nur wenn wir träumen. Es sortiert eine Fülle von Informationen, löscht Unwichtiges, speichert Wichtiges und schüttet zudem Hormone aus, wie etwa Somatotropin, umgangssprachlich «Wachstumshormon» genannt. Dieser Botenstoff erfüllt wichtige Funktionen: Bei Erwachsenen fördert er den Fettabbau zur Energiegewinnung, den Muskelaufbau und eine gute Knochendichte; Kinder lässt Somatotropin wortwörtlich im Schlaf wachsen – wenn sie denn gut schlafen.

Wieso wir keinen Schlaf finden

«Noch vor einigen Jahren wurden Einschlaf- und Durchschlafstörungen als ein Symptom betrachtet, das im Rahmen oder als Folge einer körperlichen oder psychischen Erkrankung auftritt. Schlafstörungen galten also nicht als eigenständige Krankheit oder Störung», sagt Daniel Brunner, Spezialist am Zentrum für Schlafmedizin der Hirslanden-Gruppe in Zollikon (ZH). «Man nahm an, dass eine wirksame Behandlung der ‹Grunderkrankung›, wie etwa einer Depression, auch die Schlaflosigkeit zum Verschwinden bringt. Eine Therapie des Schlafproblems wurde als unnötig erachtet.» Diese Ansicht wurde in den letzten Jahren revidiert und Schlafprobleme als eine eigenständige Erkrankung kategorisiert. Doch wie kommt es überhaupt zu Schlafproblemen? Um das zu klären, schauen wir uns das Phänomen Schlaf genauer an.


Sobald die Abenddämmerung eintritt, produziert unsere Zirbeldrüse Melatonin, das «Schlafhormon». Es macht müde und bereitet uns auf das Zubettgehen vor. Während des Einschlafens verlangsamen sich im Normalfall Herzfrequenz und Atmung, der Blutdruck sinkt, ebenso die Körpertemperatur (um einige Zehntelgrad). Sind wir gestresst, stellt sich dieses Ruhe-Level nicht ein und wir schlafen schlecht; wenn überhaupt. Der Grund: die erhöhte Cortisol-Ausschüttung. Das Hormon Cortisol ist der Gegenspieler zum Melatonin.


Unter einer stressbedingten Insomnie – einer krankhaften Schlafstörung – leidet laut Definition, wer über einen Zeitraum von mehr als einem Monat mindestens an drei Tagen in der Woche Probleme beim Einschlafen hat, sich mehr als 30 Minuten schlaflos herumwälzt oder in den frühen Morgenstunden erwacht und nicht mehr zurück in den Schlaf findet, obwohl man noch nicht ausgeschlafen ist. Dauern die Probleme länger als drei Monate an, gehört man zu den schätzungsweise fünf bis zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung in den westlichen Ländern, die an einer chronischen Insomnie leiden.




Stressquellen reduzieren

Schlafmediziner Daniel Brunner erklärt die Mechanismen der Chronifizierung, dem Übergang von der vorübergehenden zu einer dauerhaften Schlafstörung: «Eine chronische Insomnie besteht einerseits aus dem Teufelskreis von wenig Schlaf und der Angst vor wenig Schlaf. Andererseits entsteht infolge langer und frustrierender Wachzeiten im Schlafzimmer eine Atmosphäre von Anspannung und Wachsein, die in der Einschlafsituation als erlernte, also konditionierte Erregung den Schlaf erschwert.» Brunner zufolge führt die Sorge um den Schlaf bei den Betroffenen zu hoher Aufmerksamkeit bezüglich ihres Schlafzustandes. «Dieses ‹wachsame Schlafen›, die erlernte Erregung rund um das Thema Schlaf, und der Teufelskreis mit der Schlafangst machten eine Schlafstörung chronisch und unabhängig von anderen Krankheiten oder Stressoren», fasst der Experte zusammen. Andererseits kann schlechter Schlaf auch ein Warnsignal des Körpers sein, der damit auf andere Krankheiten aufmerksam machen will (siehe linke Spalte). Umso wichtiger ist es, dem Thema Schlafqualität auf den Grund zu gehen, insbesondere wenn diese schlecht ist.


Eine umfassende Anamnese ist das wichtigste Instrument, um Betroffenen helfen zu können. Stress- und Schlafcoachs können helfen, ihre persönlichen Stressquellen zu entdecken und zu reduzieren. Die Schlafmedizin, Somnologie genannt, wird in der Schweiz vor allem in zertifizierten Zentren für Schlafmedizin betrieben. Betroffene können sich bei ihrer Krankenkasse oder im Internet nach entsprechenden Angeboten informieren. Besser früher als später. Denn: Erholsamer Schlaf ist eine der wichtigsten Säulen für ein gesundes und glückliches Leben.




Der richtige Speiseplan

Studien des Institute of Human Nutrion an der US-amerikanischen Columbia University zeigen, dass Menschen, die mehr Ballaststoffe, weniger Zucker und weniger gesättigte Fettsäuren essen, besser schlafen. Eine mediterrane Ernährungsweise aus viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkornprodukten und Olivenöl kann also eine erholsame Nachtruhe fördern. Nehmen Sie die letzte Mahlzeit etwa drei Stunden vor dem Schlafengehen ein. Alkohol, Zigaretten, Cola und Schokolade rauben Schlaf. Wer schlecht schläft sollte ab mittags auf koffeinhaltige Getränke verzichten.


Helfer aus dem Pflanzenreich

Lavendelblüten, Baldrianwurzel, Passionsblume, Hopfenzapfen und Melissenblätter können förderlich sein für das Einschlafen. Bei depressiven Verstimmungen oder Ängsten können Johanniskraut oder Lavendelblüten stimmungsaufhellend und angstlösend wirken. Einnahme (in Form von Tee oder Kapseln) eine halbe bis eine Stunde vor dem Zubettgehen, dann steigt der Schlafdruck. Pflanzliche Mittel können in ein abendliches Ritual integriert werden und so helfen, feste Schlafzeiten zu etablieren.


Schlafmittel sollten in Absprache mit Ihrem Arzt und nicht länger als drei Wochen eingenommen werden. Sonst besteht das Risiko einer Gewöhnung und von unerwünschten Nebenwirkungen. Vorsicht auch vor dem sogenannten «Hangover-Effekt»: Manche Schlafmittel wirken länger als sieben Stunden, man kommt dann morgens kaum mehr aus dem Bett. Die bessere Wahl können kürzer wirkende Mittel sein, sogenannte Z-Substanzen.


Überhitzt? So kühlen Sie sich richtig ab

Lauwarm Duschen. Danach nicht abtrocknen, sondern die Feuchtigkeit verdunsten lassen. Alternativ hilft ein Armguss mit kühlem Wasser: Er kühlt das in den Gliedmassen zirkulierende Blut und senkt die Temperatur im Körperinnern. Auch Kühlpads aus dem Kühlschrank, nicht tiefgefroren, können Erleichterung verschaffen. Die Pads auf den Nacken, die Waden oder in der Leistengegend auflegen.


« Der Schlaf ist doch die köstlichste Erfindung!» - Heinrich Heine (1797-1856), deutscher Dichter


Schlechter Schlaf – ein Warnsignal des Körpers?


Ständiges Aufwachen, wilde Bewegungen oder häufiger Harndrang können auf unterschiedliche Erkrankungen hindeuten. Die Zeichen sollte man ernst nehmen und, wenn sie länger anhalten, abklären lassen.


  • Zuckende Beine Wenn die Beine im Schlaf zucken, kann das ein Hinweis auf PLMS (Periodic Limb Movement in Sleep) sein, eine Vorstufe des Restless Legs-Syndroms. Bei PLMS zucken Betroffene alle 30 Sekunden mit dem Schienbeinmuskel. Sie selbst merken das oft gar nicht. Der Partner im selben Bett aber sehr wohl. In den meisten Fällen deutet PLMS auf einen zu behandelnden Eisenmangel hin.
  • Nächtlicher Harndrang Starker nächtlicher Harndrang kann auf eine Blasen- oder Prostataerkrankung sowie auf eine Herzinsuffizienz hindeuten. Letzteres äussert sich tagsüber durch Wassereinlagerungen in den Beinen.
  • Starkes Schnarchen Lautes Schnarchen gehört zu den normalen Alterserscheinungen. Wer aber von seinem Schnarchen selbst aus dem Schlaf gerissen wird oder unter 30 Jahre alt ist, sollte das Problem angehen und sich beraten lassen. Erste Anlaufstelle dafür ist der Hausarzt.
  • Ständiges Aufwachen Häufiges Aufwachen ohne ersichtlichen Grund kann stressbedingt sein; oft hat es aber eine körperliche Ursache, z. B. eine obstruktive Schlafapnoe. Das sind nächtliche Atemaussetzer. Sie bringen den Herz-Lungen-Kreislauf durcheinander und sorgen in der Folge für hohen Blutdruck, was wiederum das Risiko eines Infarkts oder Schlaganfalls erhöht.
  • Wilde Bewegungen Wer in der zweiten Nachthälfte sehr unruhig schläft und um sich schlägt, leidet womöglich an einer REM-Schlafverhaltensstörung. Sie tritt i. d. R. bei älteren Menschen auf, entsteht, weil bestimmte Nervenzellen kaputtgehen und deutet auf eine sich anbahnende Alzheimer- oder Parkinsonerkrankung hin. Diese kann man um Jahre hinauszögern, wenn die Schlafstörung früh diagnostiziert wird.



Tipps für eine erholsame Nachtruhe


Die richtige Schlafhygiene


  • Treiben Sie regelmässig Sport. Das Training sollten Sie etwa drei Stunden vor der geplanten Schlafzeit beenden. Bewegung tagsüber verstärkt den inneren 24-Stunden-Rhythmus von Ruhe und Aktivität und erleichtert das Einschlafen.
  • Vermeiden Sie Konfliktgespräche vor dem Schlafengehen.
  • Ein persönliches Abendritual kann helfen den Alltag hinter sich zu lassen. Anregungen: Abendlicher Spaziergang, Entspannungsübungen, warmes Bad mit Zusätzen wie Hopfen, Melisse, Baldrian oder Lavendel. Entspannungsmusik hören.
  • Vor dem Zubettgehen ein Glas warme Kuh-, Hafer- oder Mandelmilch trinken. Sie enthalten die Aminosäure Tryptophan, eine Vorstufe des Schlafhormons Melatonin.
  • 85:15-Regel: Sie besagt, dass man zu 85 Prozent zur selben Zeit schlafen gehen sollte, auch an den Wochenenden und im Urlaub. Eine Abweichung von der Bettgehzeit-Routine bis zu 15 Prozent liegt im Toleranzbereich und stört den Schlaf-Rhythmus nicht.
  • Führen Sie ein Schlaftagebuch: Was haben Sie vor dem Schlafengehen gemacht, was zu Abend gegessen, was hat sie tagsüber gestresst, wie haben Sie geschlafen, was geträumt? Das kann sehr aufschlussreich sein.
  • Sorgen Sie für ausreichend Schlafhygiene: Schirmen Sie Licht- und Lärmquellen so gut wie möglich ab; mindestens eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen offline gehen und auch nicht mehr auf einen Bildschirm (Blaulicht) schauen. Fernsehgerät, Smartphone, Tablett & Co am besten aus dem Schlafzimmer verbannen. Besser noch ein Buch lesen. Oder meditieren. Legen Sie Uhr und Wecker aus dem Blickfeld, z. B. unter das Bett.
  • Das Bett nur zum Schlafen benutzen. Okay, für den Sex natürlich auch.
  • 16° bis 20° C im Schlafzimmer – je nach Bettdecke – sind eine optimale Schlaftemperatur.
  • Wichtige Grundlage für eine erholsame Nacht ist auch die richtige Matratze.
  • Blau- und Grüntöne im Schlafzimmer schaffen eine beruhigende Atmosphäre.
  • Drehen sich Ihre Gedanken trotz allem im Kreis und können deshalb nicht einschlafen, sollten Sie das Bett verlassen und ihre Sorgen aufschreiben. Kehren Sie erst wieder ins Bett zurück, wenn Ihre Gedanken abschweifen und die Müdigkeit Sie überkommt.


gefragt:


Jens Acker


«Männer grübeln weniger»


Herr Dr. Acker, viele Schweizer klagen über schlechten Schlaf. Auch ich konnte die letzten Nächte nicht durchschlafen. Muss ich mir Sorgen machen?

Es ist völlig normal, dass es Phasen gibt, in denen wir schlechter schlafen. Störungen in unserem Schlafrhythmus können durch Hyperarousal, das heisst einer erhöhten Alarmbereitschaft, ausgelöst werden. Etwa durch die COVID-19-Pandemie. Aber auch erfreuliche Ereignisse, wie eine turbulenten Hochzeitsvorbereitung, können uns den Schlaf rauben. Viele Betroffene fühlen sich trotz Schlafstörungen in ihrer Tagesfunktion und Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt.

Wann ist ein kritischer Punkt erreicht?

Kritisch wird es, wenn Schlafstörungen über einen längeren Zeitraum anhalten und sich chronifizieren. Wir Schlafmediziner sprechen in dem Fall von einer Schlaferkrankung, der Insomnie. Betroffene sollten ihren Hausarzt konsultieren, um abzuklären, ob organische Ursachen wie etwa Eisenmangel, Leber-, Nieren- oder -Schilddrüsenfunktionsstörungen der Grund für die nächtliche Unruhe sein könnten. Kann dies ausgeschlossen werden, ist es ratsam, sich an eine Klinik für Schlafmedizin zu wenden.

Stress spielt als Auslöser von Schlafstörungen eine zentrale Rolle. Gibt es diesbezüglich Unterschiede zwischen Mann und Frau?

Ja, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Besonders gefährdet sind ledige Frauen mittleren Alters mit hoher Beanspruchung, also einer Verdichtung von beruflichen und privaten Anforderungen bei wenig sozialer Unterstützung. Frauen hinterfragen sich mehr, das könnte ein Grund sein. Bei Männern ist die Bereitschaft zum nächtlichen Grübeln geringer.

Ist Insomnie eine anerkannte Krankheit?

Bislang hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO Insomnie in ihrem ICD-10-Katalog, der Internationalen Klassifikation von Krankheiten, nicht gelistet. In der Revision, dem ICD-11-Katalog wird Insomnie nun als eigenständige Krankheit gelistet. Das ICD-11 tritt am 1. Januar 2022 in Kraft. •

Jens Acker, Facharzt für Neurologie, Psychatrie und Psychologie FMH, ist Chefarzt der Klinik für Schlafmedizin Bad Zurzach und Airport Zürich.


Zurück zum Blog