Bauernregel Lostage

Was für uns die Meteorologie ist, waren für unsere Vorfahren der Hundertjährige Kalender und ähnliche Quellen volkstümlicher Regeln. In unserer Serie «Bauernregeln» wollen wir Ihnen die wichtigsten Bauernregeln sowie das historische und kulturelle Umfeld, in dem sie entstanden sind, näherbringen.

Die Lostagsregeln enthalten eine Wettervorhersage; sie machen das Wetter einer bestimmten Zeit und vor allem eines bestimmten Tages verantwortlich. Sie schliessen vom Wetter eines bestimmten Zeitraumes oder eines bestimmten Tages auf das Wetter eines ganzen Zeitraumes. Ein prognostischer Wert kann ihnen nicht zugeschrieben werden, da es keine Beziehungen zwischen dem Wetter eines bestimmten Tages und einer später folgenden längeren Witterungsperiode gibt. Lostagsregeln können in verschiedene Untergruppen eingeteilt werden. Da sind einmal die Festtagsregeln:

«Die Neujahrsnacht hell und klar, deutet auf ein reiches Jahr»,
oder: « Regnet es an lingsten, so regnet es sieben Sonntage.»

Sodann gibt es Wochentags-Losregeln:
«Wie das Wetter am 1. Dienstag im Monat, so ist es im ganzen Monat»,
oder: «Das Sonntagswetter meldet sich am Freitag an.»

Eine weitere Gruppe bilden die Lostage der Heiligen:
«Vincenzen Sonnenschein, bringt viel Korn und Wein.»
«Schneit’s an Agathe, soll’s noch 37-mal schneien.»
«St. Matthäus kalt, die Kälte lang anhält.»

Die meisten Lostagsregeln bezogen sich, und zwar sowohl in katholischen wie auch protestantischen Gebieten, auf die Heiligentage. Das setzte, wenn nicht einen brauchmässigen Heiligenglauben, so doch eine genau Kenntnis des Heiligenkalenders voraus. Die Fassung der Lostagsregeln lässt den Schluss zu, dass der Tag der Heiligen nicht bloss als Zeitbestimmung diente, sondern dass dem Heiligen selbst ein Einfluss auf das Wetter zugeschrieben wurde, genauso, wie in den griechischen Parapegmen die Auf- und Untergänge gewisser Sterne, die ursprünglich nur die Zeit angeben sollten, später für die Erscheinungen selbst verantwortlich gemacht wurden.

Wie gross die Bedeutung der Lostagsregeln war, erhellt der Streit um die Gregorianische Kalenderreform von 1582. Damals wurde als Hauptargument gegen die Reform geltend gemacht, dass die Lostagsregeln ihre Gültigkeit verlören. Der Bauer würde in völlige Verwirrung gebracht, weil er nicht mehr wüsste, wann er seine landwirtschaftlichen Arbeiten vorzunehmen habe.

Welche Rolle die Heiligen im Leben des Volkes, insbesondere der katholischen Bevölkerungsteile, spielten, sei an wenigen Beispielen erläutert: Am 25. Mai, dem Tag des Traubenheiligen St. Urban, wurde in Basel jeweils der St.-Urbans-Brunnen bekränzt. Die Sarganser tauchten den Heiligen an seinem Festtag in den Brunnen. Am 26. Juni, dem Tag des heiligen Johannes, wurden in Graubünden Prozessionen übers Feld, «per las auras», veranstaltet. Besonders glanzvoll feierte man den Muttergottestag, Mariä Himmelfahrt (26. August).

Es war relativ einfach, die Beobachtungen an den Lostagen zu registrieren. Etwas schwieriger dürfte es gewesen sein, sich im richtigen Augenblick dessen zu erinnern. Man hat deshalb – wie es aus dem Appenzellischen sowie dem Zürcher Oberland überliefert ist – mit Kreide an der Stubenwand oder auf dem Schiefertisch Kreise gezeichnet. Sie wurden halbiert (Vor- und Nachmittag) oder in vier Teile geteilt. Ein leeres Feld bedeutete helles Wetter, ein schattiertes Feld wies auf bewölktes Wetter und ein quer gestreiftes zeigte Regen, das punktierte Feld Schnee an.

Quelle: Hauser, Albert, Bauernregeln. Eine schweizerische Sammlung, mit Erläuterungen von Albert Hauser. Zürich 1973.

Zurück zum Blog

Hinterlassen Sie einen Kommentar