In meiner Region sind auf einen Schlag zwei Reformhäuser und ein Bioladen eingegangen. Mag sein, dass die Reformhäuser ein verstaubtes Image hatten und durch das breite Bio-Angebot im Detailhandel obsolet geworden sind. Ich vermisse die Reformhäuser, weil ich diese kleinen Läden mochte. Weil mir die Menschen, die dort arbeiteten ans Herz gewachsen sind und weil ich Produkte fand, auf die ich seither verzichten muss. Gleichzeitig geht mit dem Ende der Reformhäuser viel Ernährungswissen verloren, über das die Mitarbeitenden im Bio-Markt des Detailhandels nicht verfügen. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, weshalb mich die Schliessung auf dem linken Bein erwischt hat. Er beschäftigt mich sehr: Wir diskutieren über veganes Essen, über Intervallfasten und Intoleranzen. Aber warum ist die Qualität der Nahrung für den grössten Teil der Bevölkerung so zweitrangig? Offensichtlich spielen der Geschmack, die Anbaumethoden und die Herkunft eines Produktes keine Rolle, wenn nur der Preis attraktiv ist.
Mit dem Untergang der Ära Reformhaus kam ich mal wieder am Boden der Realität an. Ich musste einsehen, dass ich mit meinem Anspruch an die Qualität der Nahrung, ziemlich allein dastehe. Mir ist es wichtig, dass ein Lebensmittel lebendig ist. Dass es im Einklang mit der Natur gewachsen ist und dass es vor Leben und Geschmack nur so strotzt. Die Lebensmittel sind eine so zentrale Basis für unsere Gesundheit, dass sie uns nicht wichtig genug sein dürfen. Jeder Bissen, den wir zwischen den Zähnen kauen, gelangt in die Zellen. Etwas körperfremdes wird ein Teil von uns selbst. Ein Lebensmittel besteht, wie wir Menschen auch, aus einem grobstofflichen und einem feinstofflichen Teil. Je ursprünglicher die Kraft des Lebensmittels, desto wertvoller ist es. Wer sich wirklich gesund ernähren möchte, muss sich meiner Meinung nach zwingend mit der Qualität seiner Nahrung auseinandersetzen. Es reicht nicht zu entscheiden, ob die täglichen Mahlzeiten mit oder ohne Fleisch zubereitet sind, ob wir zwei oder dreimal pro Tag essen.
Der Mensch als Teil des Ganzen
Der Mensch ist ein Mikrokosmos im Makrokosmos Erde. Das eigene Befinden ist nur so gut, wie jenes des grossen Ganzen. Geht es der Natur schlecht, ist auch der Mensch, der in diesem Kosmos lebt, betroffen. Wir sollten bei unseren Einkäufen kompromisslos jene Produkte unterstützen, die der Welt Sorge tragen. Die Vielfalt und Anzahl von Ackerwildpflanzen sind europaweit unter anderem aufgrund des Herbizid-Einsatzes zurückgegangen. Solche Pflanzen sind für Insekten und Tiere überlebenswichtig. Der Rückgang ihrer Diversität, ihrer Häufigkeit, ihres Blüten- und Samenangebots wirkt sich auf diese Organismen aus. Auch im Boden herrscht ein reges Treiben. Die Erde ist voller Bodenorganismen, welche die Nutzpflanzen mit Nährstoffen versorgen. Die Saatgutbeizung im konventionellen Anbau kann sich negativ auf Regenwürmer sowie auf Bakteriengemeinschaften im Wurzelbereich der Pflanzen auswirken.
Es steht deshalb ausser Frage, dass es wichtig ist, auf regionale Bio- oder Knospenqualität zu setzen. Diese Produkte enthalten mehr wertvolle Inhaltstoffe wie Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe oder Omega-3-Fettsäuren. Dies, weil die Pflanze mehr Eigenschutz aufbaut, um sich vor Ungeziefer zu schützen. Von dieser Kraft profitieren auch wir. Besonders dann, wenn wir krummes, schrullig aussehnendes Gemüse essen. Es musste für sein Überleben kämpfen und enthält deshalb mehr sekundäre Pflanzenstoffe als seine perfekt aussehenden Artgenossen. Dazu kommt, dass die Ausscheidungsorgane Niere und Leber jede chemische Substanz verarbeiten müssen, die sich im oder auf dem Lebensmittel befindet. Das bedeutet Mehrarbeit. Bio-Produkte werden ohne Verwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden und Düngern produziert. Beim Gehalt an Schwermetallen, Nitraten oder Pestizidrückständen schneiden Bio-Produkte deutlich besser ab als konventionelle. Fehlen die chemischen Substanzen, kann sich der Körper auf seine wesentlichen Aufgaben konzentrieren: Zum Beispiel die Aufnahme und Verteilung von Nährstoffen.
Lokale Bio-Produkte kaufen
Aber Hand auf Herz: Stehen Sie nicht auch manchmal vor der Auslage und überlegen sich, ob Sie nun den Bio- Spargel aus Italien oder den konventionellen aus Flaach, im Zürcher Weinland kaufen sollen? Die Bio-Himbeere aus Portugal oder jene vom Bauern auf dem Wochenmarkt? Mit etwas Glück befindet sich in der Auslage auch ein Bio-Produkt aus der Region. Oft doppelt so teuer als das konventionell angebaute. Nicht jeder kann sich das leisten. Unser Gehirn ist zudem so sehr auf den Preis fixiert, dass auch gutverdienende Konsumentinnen und Konsumenten schwach werden und das Sonderangebot den Idealen vorziehen. Können wir uns diesen Beitrag für die Umwelt, die Natur und nicht zuletzt für unseren eigenen Körper wirklich nicht leisten? Es gibt sie nämlich noch, die Betriebe und Landwirt*innen, die höchste Werte vertreten. Mit dem Kauf von regionalen Bioprodukten unterstützen wir genau diese Menschen, die mit viel Herzblut und Idealismus ihren Beitrag für die Umwelt und die Biodiversität erfüllen.
Die Natur dankt es uns. Geht es hingegen nur um die eigene Gesundheit, sind Abstriche eher möglich. Nicht alle Pflanzenteile reichern sich gleichermassen mit Substanzen aus der Umwelt an. Wurzeln und Wurzelgemüse zum Beispiel speichern mehr Schwermetalle oder Stoffe aus dem Boden als Getreidekörner, Früchte oder Samen. Im Zweifelsfall gilt: Was nah am Boden wächst, sollte immer biologisch sein, damit der Körper möglichst wenig chemisch-synthetische Substanzen über die Nahrung aufnimmt. Die Schweizer Biohersteller*innen werden neue Kanäle finden, um ihre Produkte an die Menschen zu bringen. Mich hat das Leben ohne Reformhaus aus der Komfortzone katapultiert und mich gezwungen, einen Schritt weiter in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen. Meine Einkäufe sind grossenteils verpackungslos geworden.