Sabine Hurni über Hafer, das Kraftfutter

Im Frühstücksmüesli, im Getreideriegel, im Vollkornbrot – Hafer ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Und das ist gut so! Das heimische Getreide ist beste Energienahrung und liefert dem Körper wertvolle Nährstoffe. Hafer ist eine jüngere Kulturpflanze, die lange Zeit als «Unkraut» auf den Feldern nur geduldet war und hauptsächlich den Pferden verfüttert wurde. Heute ist der Hafer ernährungsphysiologisch die wohl hochwertigste Getreideart, die in Mitteleuropa angebaut wird. Nicht zuletzt deshalb, weil die Haferkörner als Vollkorngetreide konsumiert werden. Nur die äusserste, unverdauliche Hülle, der Spelz, wird bei der Herstellung entfernt. Die äusseren Randschichten, die Frucht- und Samenschale wie auch der Keimling im Korn bleiben hingegen erhalten. Haferflocken sind deshalb hochwertige Vollkornprodukte. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie die feinen oder groben Haferflocken bevorzugen. Beide Sorten sind Vollkornprodukte, die ausser der Spelze das ganze Korn enthalten. Der Unterschied liegt einzig darin, dass für die Herstellung von groben Haferflocken die ganzen Haferkörner gepresst werden, während die feinen Flocken vor dem Pressvorgang zerkleinert werden.

Nährstoffe für Klein und Gross

Hafer enthält von allen Getreidearten den höchsten Anteil an Mineralstoffen und Fetten, zudem ist sein Eisengehalt mit 5,5 mg pro 100 Gramm Lebensmittel höher als im Fleisch. Hafer ist reich an B-Vitaminen, die das Nervensystem stärken. Er enthält mehr Kieselsäure als alle anderen Gräser, Magnesium, Phosphor, Schleimstoffe, ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffe. Während Kieselsäure, Magnesium und Phosphor sehr stärkend auf Haut, Haare, Nägel und Knochen wirken, beruhigen die Schleimstoffe den Magen und die Ballaststoffe regulieren die Verdauungstätigkeit. Zudem enthält das Getreide ungesättigte Fettsäuren, Biotin, Folsäure, Eisen und den löslichen Ballaststoff Beta- Glucan. Dieser vermag an Gallensäuren gebundenes Cholesterin im Darm zu binden. Es wird vom Körper zusammen mit dem Ballaststoff ausgeschieden. Wer gezielt von dieser Wirkung profitieren möchte, ergänzt die Haferflocken mit Haferkleie, die doppelt soviel Beta-Glucan enthält als Haferflocken.

Glutenfrei oder nicht?

Wie auch der Weizen, der Roggen und die Gerste gehört der Hafer botanisch zu den Süssgräsern. Er unterscheidet sich äusserlich von diesen, weil er seine Körner in einer Rispe bildet. Im Gegensatz zu den anderen Getreidesorten enthält der Hafer kein Klebereiweiss (Gluten) sondern Avenin. Dass der Hafer trotzdem nicht als glutenfreies Getreide deklariert wird, liegt am Anbau, der Ernte, der Lagerung und der Verarbeitung des Hafers. Bei diesen Verarbeitungsschritten kommt der Hafer in Kontakt mit glutenhaltigem Getreide und gilt deshalb als kontaminiert. Für Leute mit einer leichten Glutenunverträglichkeit ist Hafer gut verdaubar. Menschen mit Zöliakie hingegen müssen vorsichtig sein und glutenfreien Hafer kaufen. Und selbst dieser sollte, gemäss Ernährungsgesellschaften, nur in die Ernährung einbezogen werden, wenn die Betroffenen zu Beginn des Verzehrs weitgehend beschwerdefrei sind. Glutenfreier Hafer darf nur auf Feldern wachsen, auf denen rund zwei Jahre kein glutenhaltiges Getreide wuchs und in deren Umfeld sich keine glutenhaltigen Getreidesorten befinden. Glutenfreier Hafer darf nur in Kontakt kommen mit Maschinen, die vorher gründlich gesäubert wurden oder nur glutenfreies Getreide wie Hirse, Mais oder Reis verarbeiten. Deshalb sind die glutenfreien Haferflocken deutlich teurer als die konventionell angebauten.

Hafer als Heilmittel

Was viele Leute nicht wissen: Der Hafer ist auch eine Heilpflanze. Sowohl das frisch blühende, grüne Haferkraut wie auch die getrockneten, gedroschenen Laubblätter und Stengel, der Haferstroh. Der grüne Hafer, Avena Sativa, leistet als Tinktur oder Tee gute Dienste bei Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Nervenschwäche und allgemeiner Überforderung und ist deshalb ein wichtiger Begleiter bei Stresssymptomen und als Schlafhilfe. Die Heilpflanze wirkt sehr stabilisierend, besonders dann, wenn zu viele Dinge in zu kurzer Zeit erledigt werden müssen und der Körper dadurch aus seinem Rhythmus geworfen wird. Avena Sativa hilft, nach zehrenden Krankheiten zum gesunden Schlaf-Wach- Rhythmus zurückzufinden. Der Haferstroh hingegen wird äusserlich als Badezusatz bei Rheuma, Hexenschuss und Gicht verwendet. Bei Hauterkrankungen wie zum Beispiel Neurodermitis wirkt er beruhigend und rückfettend mit seinen Schleimstoffen. Für ein Haferbad kocht man drei Handvoll Haferstroh in drei Liter Wasser aus und fügt die abgeseihte Flüssigkeit dem Badewasser zu. Insbesondere Kinder mit Neurodermitis reagieren sehr gut auf diese Bäder.

Und wenn es ums nackte Überleben geht, hat auch Hildegard von Bingen einen Rat. Sie beschreibt das Rezept für ihre Überlebenssuppe folgendermassen: «Wer schon so geschwächt ist, dass er kein Brot mehr essen kann, nehme 1 Löffel Haferkörner und 1 Löffel Gerste, füge etwas Fenchelsamen hinzu, koche alles für 20 bis 30 Minuten in einem Liter Wasser, seihe ab und trinke davon, bis es wieder aufwärts geht.» Besser schmeckt die Suppe mit etwas Salz. Sie kann zur Stärkung während Fastentagen getrunken werden, gibt neue Kraft nach schwerer Krankheit und wärmt an kalten Tagen.

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