Sabine Hurni über Gesundheit und Geselligkeit

Es gibt sie. Diese Sätze, die einen sofort auf die Palme bringen. Bei mir ist es die Aussage: «Das ist gesund.» Es ist eine Formulierung, die keinen Spielraum offenlässt und die Welt in Gut und Böse teilt. So einfach ist es aber leider nicht. Dass eine Karotte gesünder ist als eine Wurst vom Grill, muss man niemandem erklären. Das Argument, die Karotte zu essen, weil sie gesund ist, die Wurst hingegen zu verschmähen, weil sie als ungesund gilt, ist meiner Meinung nach völlig am Ziel vorbeigeschossen. Was ist denn schon gesund? Alles und nichts ist gesund. Gesund ist, was verträglich ist, was verdaut werden kann, was der Gesundheit zugutekommt. Gesund ist, was unser Leben lebenswerter, leichter und länger macht. Gesund ist, was uns vor Krankheiten schützt. Gesund ist, was nährt, was guttut und Freude macht. Gesund ist aber auch, nicht verbissen gesund sein zu wollen. Gesund ist, wenn man beides geniesst: Die Karotte und die Wurst. Oder noch besser: Drei Karotten und eine Wurst.

Gesundheit darf nicht als Religion oder als etwas Starres betrachtet werden. Gesundheit ist ein fliessendes Gleichgewicht. Ein in Balance sein, aus der Balance fallen und wieder die Weichen stellen, um in Balance zu kommen. Immerzu ein Wechsel zwischen Harmonie und Disharmonie. Zwischen fast gut und gut. Solange wir diese kleine Justierung schaffen, machen wir vieles richtig. Gesund ist, es gar nicht erst vom fast gut zum schlecht oder miserabel kommen zu lassen. Denn wenn das Gleichgewicht derart gestört ist, wird es schwierig, die Balance wieder herzustellen. Betrachten wir das Gesundsein als etwas Flexibles, etwas, das sich heute so anfühlt und morgen anders definiert werden muss, dann ist sie ein äusserst guter Regler, um stehts gut mit sich selbst in Kontakt zu sein.

Wir können Gesundheit nur erhalten, indem wir situativ die richtigen Entscheidungen treffen. Gesundheit ist eine Frage von vielen verschiedenen Faktoren. Sie ist relativ und eine Frage des Masses. In der indischen Naturheilkunde heisst es, dass jene Lebensmittel gesund sind, die du verdauen kannst. Gesund ist jemand, der strahlende Augen hat, rosige Wangen und glänzendes Haar. Das zeugt von einer gesunden Verdauungsleistung und dem Fehlen von unverdauten Nahrungsresten, die im Darm vor sich hin gären. Erstens macht die Menge das Gift, zweitens hat nicht jeder Mensch dieselben Bedürfnisse und drittens spielt auch die Verarbeitung eine entscheidende Rolle.

Eine weitere interessante Rolle rund um die Gesundheit, spielt die Geselligkeit. Leidet jemand unter Einsamkeit, ist jedes noch so gesunde Essen hinfällig. Laut Prof. Dr. med. Heike Bischof Ferrari, Inhaberin des Lehrstuhls für Altersforschung an der Uni Zürich, ist Einsamkeit schädlicher für die Gesundheit als 16 Zigaretten pro Tag, gefährlicher als sechs alkoholische Getränke und schlimmer als Übergewicht oder Bewegungsmangel. Einsamkeit ist unabhängig von Alter und Geschlecht. Sie trifft Junge häufiger als Alte und führt zu einer latenten Stresssituation, bei der die Selbstfürsorge abnimmt, sich ein ungesunder Lebensstil abzeichnet und in erster Linie die Herzgesundheit leidet. Wer allein lebt, kocht nicht, oder zumindest nicht regelmässig und abwechslungsreich. Wen wunderts: Allein Essen macht weniger Freude und das Kochen wird bei vielen Menschen zum magenfüllenden Pflichtprogramm. Wer sich stehts aus allem ausklinkt, um allein Sport zu treiben oder lieber für sich Salat isst, statt zusammen mit anderen Menschen an einem Grillfest mal ein Bier zu viel zu trinken lebt bestimmt gesünder als der gesellige Fleischtiger, der den Salat lieber weglässt, weil dieser nur unnötig den Magen füllt. Aber geht es ihm auch besser dabei? Vermutlich kommt es darauf an, ob die Zeit mit sich allein als Geschenk, oder eher als Mangel empfunden wird.

Das gemeinsame Kochen und Essen ist ein wundervolles Heilmittel gegen die Einsamkeit und gleichzeitig ein wertvoller Beitrag zur eigenen Gesundheit. Wer selbst kocht entscheidet, welche Produkte in den Topf kommen. Selbst gekochtes Essen ist weniger salzig, enthält weniger Geschmacksverstärker, weniger Zusatzstoffe, gesündere Fette und schmeckt nie zweimal gleich. Um gemeinsam einen geselligen Abend zu verbringen, braucht es keine komplizierten Gerichte. Aus nur drei bis fünf Zutaten lassen sich schmackhafte Suppen, Eintöpfe, Currys und Aufläufe zaubern, die schnell zubereitet sind und einfach nur Freude bereiten. Warum nicht auch mal einen Topf Spaghetti kochen. Mit frischen Tomaten, gebratenen Auberginen und frisch geriebenem Käse ist dieses Gericht ein Traum.

Gerade jetzt, in der Sommerzeit, sind die Lebensmittel so schmackhaft, dass Sie nur eine hochwertige Gemüsesorte, eine Prise Fleur de Sel und ein gutes Olivenöl benötigen, um ein gutes Gericht zu zaubern. Wer will, streut frische Kräuter darüber, etwas Pfeffer und schon haben Sie aus nur fünf Zutaten ein gesundes Gericht gezaubert, das die ganze Tischrunde schätzt. Mit einer Wurst vom Grill und einem Glas Wein. Schliesslich ist Sommer. Geniessen Sie den Moment! Das ist gesund.

Sabine Hurni arbeitet als Naturheilpraktikerin und Lebensberaterin in Baden, wo sie auch Ayurveda Kochkurse, Lu Jong- und Meditationskurse anbietet.

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