Sabine Hurni über die Organuhr
Bestimmt haben Sie schon von der Organuhr gehört. Das Wissen um die einzelnen Energieflüsse, die im Körper zu unterschiedlichen Zeiten aktiv sind, stammt aus der traditionellen chinesischen Medizin. Die Lehre befasst sich seit Jahrtausenden mit den natürlichen Zyklen, denen unser Körper unterworfen ist. Nach der Lehre der chinesischen Medizin fliesst unsere Lebensenergie (Qi) durch 12 Energiebahnen, die den ganzen Körper versorgen. Alle zwei Stunden wird dabei ein Organ besonders stark durchblutet, während ein anderes Organ zur selben Zeit den absoluten Tiefpunkt der Leistungsfähigkeit erreicht. Aus diesen Organzyklen leitet sich die Organuhr ab. Um alle Zusammenhänge genau zu verstehen, muss man sich intensiv mit der chinesischen Medizin (TCM) auseinandersetzen. Doch auch ein Basiswissen gibt uns wertvolle Inputs für ein ausgewogeneres Leben.
Der Abend und die Nacht
Die Erholungsphase des Körpers beginnt bereits zwischen 17 und 19 Uhr. Es ist die Zeit der Niere. In dieser Zeitspanne macht es Sinn, eine leichte warme Mahlzeit zu essen. Schlaffördernd wirken laut TCM sämtliche Hülsenfrüchte, Reis, Sonnenblumenkerne, warmer Kirschsaft, Walnüsse, Gemüsesuppe, Kartoffeln und Gemüse. Abzuraten ist von schwer verdaubaren, fettreichen Lebensmitteln wie Wurst und Käse. Später, zwischen 19 und 21 Uhr ist der Perikard, der Beschützer des Herzens, aktiv. Es ist eine Zeit der Geselligkeit, des Zusammenseins, des Meditierens und der Körperpflege. Von 21 bis 23 Uhr ist der Körper geprägt von der Energie des Dreifacherwärmers. Dieser Meridian hängt mit dem Blutkreislauf und den Blutgefässen zusammen und steuert einige Hormondrüsen wie zum Beispiel die Schilddrüse und die Nebenniere. Diese Phase eignet sich, um zur Ruhe zu kommen. Machen Sie einen Spaziergang oder lesen Sie in einem Buch. Elektronische Geräte sollten in dieser Zeit offline sein. Von 23 bis 1 Uhr ist die Gallenblase aktiv. Das Organ sammelt den Gallensaft und produziert die Enzyme der Fettverdauung. Negative Emotionen wie Wut und Zorn lösen eine Blockade im Bereich der Gallenblase aus. Der Körper erholt sich im Schlaf in dieser Zeitspanne sehr gut. Zwischen 1 und 3 Uhr regeneriert sich die Leber. Zu dieser Zeit sollten wir im Tiefschlaf versinken, damit die Leber ihre wichtige Entgiftungsfunktion wahrnehmen kann. Liegen wir hingegen wach, deutet dies auf eine Überflutung des Körpers mit Stoffen hin, die ihm nicht guttun. Oft handelt es sich um Alkohol, Nikotin oder zu schwere Abendmahlzeiten. Die Zeit von 3 bis 5 Uhr ist geprägt durch gesteigerte Lungen-Aktivität. Viele Menschen wachen um 4 Uhr morgens auf und können nicht mehr einschlafen. Wer in diesen Stunden unruhig schläft, sollte auf eine Ernährung mit mehr Zink, B-Vitaminen und hochwertigen Eiweissen achten. Wenn nötig aufstehen, das Fenster öffnen und tief durchatmen.
Die frühen Morgenstunden
Von 5 bis 7 Uhr reinigt sich der Dickdarm. Zur Förderung der Verdauungsfunktion empfiehlt die TCM, gleich nach dem Aufstehen zwei grosse Gläser Wasser zu trinken, wenn möglich warm. Warten Sie mit Kaffeetrinken, gehen Sie lieber kurz um den Block um wach zu werden. Später, von 7 bis 9 Uhr, kommt die Energie des Magens zu tragen. Es ist die beste Zeit fürs Frühstück. Am besten warm gekochtes Getreide, das man entspannt zu sich nimmt. Drei warme Mahlzeiten schätzt der Magen mehr als ständiges Snacken.
In der Zeit zwischen 9 bis 11 Uhr sind die Milz und die Bauchspeicheldrüse sehr aktiv. Die Kraft ist in den Verdauungsorganen, um reichlich Energie aus dem Essen zu ziehen. Um die Mitte zu stärken, sollten wir spätestens jetzt etwas essen. Es ist eine gute Zeit für Denkarbeiten, weil der Körper die Nährstoffe in Energie umwandeln kann. Von 11 bis 13 Uhr befinden wir uns in der Kraft der Herzenergie. Das Herz ist die Wurzel des Lebens. Es prägt unsere Persönlichkeit. Ein starkes Herz hält den Körper gesund und ordnet die Gefühle. In der TCM heisst es auch, dass das Herz der Palast des Kaisers sei. Dort muss Ruhe herrschen, um weise und zum Wohle aller entscheiden und regieren zu können. Unruhe im Herzen verhindert Klarheit im Denken. Von 13 bis 15 Uhr ist der Dünndarm aktiv. Der Dünndarm unterscheidet zwischen wichtig und unwichtig. Er entscheidet, welche Bestandteile der Nahrung aufgenommen und welche ausgeschieden werden. Je besser die Nahrung durchgekaut sind, desto mehr Arbeit nehmen wir dem Dünndarm ab. Während der Dünndarmzeit sinkt in der Regel die Leistungskurve ab. In der Zeit von 15 Uhr bis 17 Uhr hat die Blase ihre höchste Aktivität. Die Energie kehrt zurück und die Leistungskurve steigt an. Die Blasenzeit eignet sich für kreative Arbeiten, Sitzungen, Gedankenaustausch und Schreibarbeiten. Als sehr langer Meridian verbindet der Blasenmeridian alle Organe des Körpers und prägt unsere Emotionen.
Im Rhythmus mit den Organzeiten
Wenn der Magen zwischen 7 und 9 Uhr seine aktive Phase hat, befindet er sich 12 Stunden später, zwischen 19 und 21 Uhr in seiner Ruhepause, in der wir ihn nicht mit zu viel Nahrung belasten sollten. Die Speisen werden schlecht verdaut und führen zu Blähungen oder Schlafstörungen. Wer kann, sollte zwischen 15 und 17 Uhr eine aktive Sportphase in den Tag einbauen, weil zu dieser Zeit der Kreislauf sehr aktiv ist. Und die beste Zeit für operative Eingriffe liegt gemäss TCM zwischen 9 und 11 Uhr, um die hohe Widerstandskraft des Körpers zu nutzen. Zahnarzttermine sind frühmorgens ideal, wenn die Schmerzempfindlichkeit gering ist. Sie steigt im Lauf des Tages an. Auch wenn der dichte Alltag oft diametral zu diesen tiefen Körperzyklen steht, ist es wertvoll sich mit diesen vertiefter auseinanderzusetzen. Gewisse Dinge lassen sich vielleicht nicht umsetzen, aber versuchen Sie zumindest das zu beherzigen, was Sie selbst steuern können. Essen Sie am Abend eine Suppe anstelle von Brot und Käse, gehen Sie eine Runde spazieren, statt dass Ihnen auf dem Sofa beim Konsum der sozialen Medien die Zeit zerrinnt. Und trinken Sie frühmorgens als erstes ein Glas heisses Wasser, bevor Sie den ersten Kaffee trinken. Es sind die kleinen Dinge, die Grosses bewirken.