Sabine Hurni über das gesunde Frühstück

Kategorie: Gesundheit


Frühstücken Sie? Ich stelle in meinen Beratungen fest, dass dieses wichtige Ritual, das auch von der Schweizerischen Ernährungsgesellschaft empfohlen wird, etwas aus der Mode gekommen zu sein scheint. Oft fehlt die Zeit dazu oder der Tag beginnt so früh, dass schlicht noch kein Appetit vorhanden ist. Das hat zur Folge, dass viele Leute mit einem Kaffee im Magen aus dem Haus eilen, unterwegs ein Brötchen essen und erst am Mittag endlich eine richtige Mahlzeit zu sich nehmen. Ist das Frühstück tatsächlich eine derartige Zeitverschwendung? Oder gar ein Dickmacher?

Breakfast, das englische Wort für Frühstück, heisst wörtlich übersetzt Fastenbrechen. Nicht nur im englischen ist das so: Auch das spanische desayuno kommt von ayunar, was fasten bedeutet; und auch das französische petit-déjeuner bedeutet kleines Fastenbrechen. Weil das Frühstück die erste Mahlzeit des Tages ist, nachdem man über Nacht mehrere Stunden nicht gegessen und somit gefastet hat.


Betrachtet man das Frühstück aus Sicht der Ernährungsmedizin, so versorgt ein regelmässiger Mahlzeitenrhythmus den Körper besonders gut mit Energie und Nährstoffen. Dadurch bleiben Konzentrations- und Leistungsfähigkeit über den Tag erhalten und Heisshungerattacken können verhindert werden. Sinnvoll sind deshalb drei Hauptmahlzeiten: ein leichtes Frühstück, ein Mittagessen und ein frühes und leichtes Abendessen. Wenn nötig sind ein bis zwei Zwischenmahlzeiten okay. Diese sind insbesondere für Kinder wichtig, die auf diese Weise genügend Energie für den Tag erhalten. Am besten isst man dazu einen Apfel und ein paar Nüsse oder Trockenfrüchte. Mehrere Studien zeigen, dass sich Kinder, die ein ausgewogenes Frühstück einnehmen, in der Schule besser konzentrieren können und leistungsfähiger sind. Das kann auch eine Kombination aus Frühstück und Znüni sein. Wichtig dabei ist, dass die Lebensmittelgruppen Wasser oder ungezuckerter Tee, Obst und Gemüse, Getreide und Milchprodukte abgedeckt sind. Frühstücksmuffel sollten zu Hause zumindest ein Glas Wasser oder warme Milch trinken und zum Znüni einen Apfel mit etwas Brot und einem Stück Käse essen. Sind Kinder nicht zum Frühstücken zu bewegen, können es die Eltern mit Porridge oder Griessbrei versuchen. Viele Kinder lieben eine solche warme Morgenmahlzeit.


Das warme Frühstück ist in vielen Ländern gang und gäbe. Von der Nudelsuppe über gekochte Eier, Reis, Bohnen mit Tomatensauce, Würstchen bis hin zum Kartoffelcurry mit Fladenbrot wird insbesondere in den asiatischen Ländern eine breite Auswahl zum Zmorge aufgetischt. Demgegenüber stehen viele Trends, die kommen und gehen: das Budwig-Müseli mit Quark, Leinsamen und Leinöl etwa oder die Vollwertflocken mit frischen Früchten und Kefir, der Smoothie mit allen möglichen Superfoods, Selleriesaft und vieles mehr. Hierzulande werden wohl vorwiegend Butterbrote gestrichen mit Konfitüre, Honig, Joghurt und Käse genossen; oder man startet den Tag mit einem Müesli aus Getreideflocken, einem geriebenen Apfel und Milch oder Quark.

Das perfekte Frühstück gibt es nicht. Es gibt nur das ganz persönliche ideale Frühstück – das wiederum variieren darf, je nach Jahreszeit, Lebensalter und individuellen Bedürfnissen.


Im Auyrveda und in der chinesischen Medizin, wo Lebensmittel gleichsam als Arznei angesehen werden, heisst es, dass wer keinen Hunger hat, sich nicht zum Essen zwingen soll. Stattdessen kann man zwei grosse Gläser Wasser trinken, am besten warmes, um die Organe, den Stoffwechsel, den Magen und den Darm am Morgen anzuregen. Spätestens um 9 Uhr sollte der Mgen allerdings etwas zu tun bekommen. Denn um diese Zeit zieht der Körper reichlich Kraft aus der Nahrung. Es lohnt sich, dieses Potential auszunutzen und dem Körper vollwertige und aufgewogene Nahrung zu gönnen: Haferflocken, Datteln, Nüsse oder Früchte sind ideal. Das Gipfeli und das Schoggi-Brötli schmecken zwar köstlich, liefern jedoch «leere Energie», die schnell abgebaut ist, und führen deshalb zu Heisshunger am Mittag.


Manchmal hilft ein Selbstexperiment, um herauszufinden, ob der Tag mit Kohlenhydraten, Eiweiss oder Fett starten soll. Das Frühstück soll immer im Kontext des ganzen Tages betrachtet werden: Essen wir gekochte oder rohe Früchte am Morgen, soll am Mittag eine vollständige Mahlzeit auf den Tisch kommen; wer mittags gern einen Salat über die Gasse holt, sollte morgens den Magen mit einem Porridge wärmen; und wer nicht auf sein Honigbrot verzichten möchte, kann sich am Mittag Gemüse und Eiweisse einverleiben und die Finger lassen von Spaghetti, Pizza oder Sandwiches. So kommt man der Ganzheitlichkeit in der Ernährung näher. Und das tut rundum gut, der Gesundheit wie dem Wohlbefinden. Man hat einfach mehr Energie und Lebensfreude, wenn man sich gut ernährt. Mit einem Blick auf die östlichen Lehren, die Chinesische, Tibetische und Indische Medizin, ist die Nahrung für das Frühstück gut, welche vollständig verdaut werden kann, nicht müde macht, im Magen ein gutes Gefühl hinterlässt, mindestens drei Stunden anhält und den Appetit auf das Mittagessen, der wichtigsten Mahlzeit des Tages, nicht unterbindet.


Grundsätzlich gilt: Je kälter das Wetter ist, desto wärmer darf das Frühstück sein. Die Rhythmen der Natur prägen unser Leben genauso wie die Rhythmen des Tages. Der Darm braucht Strukturen, die sich täglich wiederholen, sei es mit den Mahlzeiten wie auch mit den Schlafenszeiten. Wer die Essenszeiten nicht mehr beachtet, gerät aus diesem inneren Rhythmus und findet nur mit grossen Schwierigkeiten zur eigenen Balance zurück. Viele haben im Moment so viele Freiheiten wie noch nie. Sie können den Tag dank Homeoffice selbst einteilen, (theoretisch) von überall auf der Welt arbeiten, Ideen verwirklichen und sich mit anderen Menschen über den ganzen Erdball hinweg zu jeder Tages- und Nachtzeit austauschen. Der Verdauungsapparat ist jedoch auf uralte Rhythmen getrimmt. Es hilft ihm – und schlussendlich auch unserer Konzentrationsfähigkeit, der Zentriertheit und der Bodenhaftigkeit – enorm, dreimal täglich mit gesunden und möglichst warmen Mahlzeiten die eigene Mitte zu stärken.

Auch wenn wir in einer Zeit der enormen Veränderungen sind: Die Rhythmen der Organe, der Natur und der Wach- und Schlafenszeiten bleiben. Begrüssen Sie die anbrechende Nacht mit einem frühen und leichten Abendessen; und heissen Sie den neuen Tag willkommen mit einem Frühstück, das zu Ihnen passt. Und nicht vergessen: dankbar sein für das, was wir haben und das Essen in Ruhe geniessen. In diesem Sinne: wohl bekomms!



Sabine Hurni ist dipl. Drogistin HF und Naturheilpraktikerin, betreibt eine eigene Gesundheitspraxis, schreibt als freie Autorin für «natürlich», gibt Lu-Jong-Kurse und setzt sich kritisch mit Alltagsthemen, Schulmedizin, Pharmaindustrie und Functional Food auseinander.

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