Kategorie: Sabine Hurni
Haarausfall, Müdigkeit und Erschöpfung können auf einen Eisenmangel hinweisen. Betroffenen wird oft vorschnell zu Eisenpräparaten oder Eisenfusionen geraten. Doch diese wirken meist nur kurz. Nachhaltiger ist eine Verhaltens respektive Ernährungsumstellung.
Kennen Sie das? Sie sind seit Wochen müde und kommen einfach nicht in die Gänge. Das Hamsterrad dreht sich unbeeindruckt im gleichen Tempo weiter und Sie straucheln irgendwie hinterher. Dann verspricht Ihnen jemand eine Energiespritze, gefüllt mit Eisen, die Sie innert 15 Minuten wieder voll leistungsfähig macht. Wer würde da nicht zugreifen?
Symptome eines Eisenmangels
Das meiste Eisen in unserem Körper ist im Hämoglobin der Erythrozyten gebunden (zirka 70 Prozent), wo es für den Sauerstofftransport verantwortlich ist. Eisen kommt aber auch in den Muskelzellen, als Speichereisen (vor allem in der Leber) und in einigen Enzymen vor. Das ist auch der Grund für die vielseitigen Symptome, die ein Eisenmangel mit sich bringen kann.
Mittels eines Bluttests kann der Arzt feststellen, ob ein -Eisenmangel besteht und wenn ja, wie gravierend er ist. Je nach Ausprägung wird der Mangel in drei Stadien unterteilt: Zunächst besteht nur ein Speichereisenmangel; im zweiten Stadium reicht im Knochenmark die Versorgung der Vorstufen zur Bildung roter Blutkörperchen nicht mehr aus, aber das im Blut vorhandene Hämoglobin liegt noch im Normbereich; erst im dritten Stadium wird der Normbereich des im Blut vorhandenen Hämoglobins unterschritten. In diesem Fall liegt eine sogenannte Eisenmangelanämie vor. Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen oder Schlafstörungen können aber schon vorher auftreten. Weitere mögliche Symptome eines gravierenderen Mangels sind Kopfschmerzen, Schwindel, Atemnot bei körperlicher Anstrengung, Störungen des Wachstums von Haaren und Nägeln, Zungenbrennen, sowie Blässe der Haut und Schleimhaut.
Um mit dem Tempo der heutigen Zeit Schritt halten zu können, greifen viele Menschen, vor allem Frauen, zum Eisensupplement. Das Spurenelement ist im Körper für viele wichtige Stoffwechselvorgänge verantwortlich: Es bindet im Blut den Sauerstoff und versorgt auf diese Weise jede Körperzelle mit Energie; zudem ist Eisen wichtig für die Blutbildung und für ein gut funktionierendes Immunsystem.
Gute Eisenlieferanten sind tierische Produkte wie Fleisch (insbesondere dunkles) und Fisch. Sie versorgen den Körper mit sogenanntem Häm-Eisen, das nah verwandt ist mit dem körpereigenen Eisen. Etwas schwieriger ist die Aufnahme von Nicht-Häm-Eisen, das in pflanzlicher Nahrung vorkommt. Es braucht Fruchtsäuren und Vitamin C, damit der Körper diese Form des Eisens besser verwerten kann. Isst man das Fleisch zusammen mit Gemüse oder Hülsenfrüchten, werden beide Eisenformen gut aufgenommen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil pflanzliche Nahrung aus vielen Faserstoffen besteht, die den Darm gesund halten – und ein gesunder Darm ist eine grundlegende Voraussetzung für die Aufnahme von Nährstoffen.
Die Eisenaufnahme wird allerdings gehemmt durch den Gerbstoff Tannin aus Rotwein oder Schwarztee, ebenso durch Phytate und Lignine aus Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten, wenn sie nicht mindestens eine Stunde eingelegt wurden. Auch Phosphate aus Cola, Energiedrinks und Kaffee, sowie Oxalsäuren aus Rhabarber oder Spinat beeinträchtigen die Eisenaufnahme. Kalziumverbindungen aus der Milch und Salicylate aus Schmerzmitteln wirken lediglich hemmend auf die Aufnahme von Nicht-Hämeisen, also auf die Eisenzufuhr aus pflanzlichen Lebensmitteln.
Der schnelle Kick
Trotzdem ist es möglich, auf natürliche Weise gut versorgt zu sein mit Eisen. Wer kein oder wenig Fleisch isst, geniesse täglich eine Schale Linsen, Tofu, Soja, Bohnen oder Kichererbsen. Früchte sollten ebenfalls einen festen Platz in der Alltagskost bekommen, ebenso Mandeln, Kürbiskerne, Sesamsamen, grünes Gemüse und Hirse. Alle Energiekicks hingegen, die täglich in Form von Zucker, Kaffee, Cola oder Energiedrinks konsumiert werden, sind «Eisenfresser»: Sie fördern den Mangel.
Eisen ist ein essenzielles Spurenelement, das der Organismus für eine Reihe von Aufgaben benötigt. Ein gesunder, erwachsener Mann sollte täglich rund 10 Milligramm Eisen zu sich nehmen, eine gesunde, erwachsene Frau 15 Milligramm. Dieser Bedarf steigt in der Schwangerschaft auf 30 Milligramm an. Gut, hat die Natur vorgesorgt: Eine Schwangere kann aus den Nahrungsmitteln drei- bis fünfmal mehr Eisen aufnehmen, als nicht schwangere Frauen. Auch bei Menschen in massiven beruflichen oder privaten Stresssituationen kann der Eisenbedarf steigen; ebenso bei Leistungssportlern und Menschen mit chronischen Krankheiten.
Seit einigen Jahren zeigt sich in der Schweiz die Tendenz, bei ersten Anzeichen eines Eisenmangels sofort zur Eiseninfusion zu greifen. Doch nicht in jedem Fall ist eine Infusion wirklich nötig. Oft werden Eiseninfusionen bereits verschrieben, wenn jemand bloss über Erschöpfung, Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen klagt. Es ist die Antwort der Ärzteschaft auf diese komplexen und oft mit einem emotionalen Gemütszustand verbundenen Beschwerdebildern. Es ist eine einfache Antwort und eine effiziente Möglichkeit, Arzt und Patientin glücklich zu machen: Innert 15 Minuten ist der Eisenspiegel auf gewünschtem Niveau und die Energie mehrheitlich wiederhergestellt. Doch so hilfreich für manche Betroffenen die Behandlungen sind, so schnell kann der Eisenspiegel wieder sinken, wenn nicht gleichzeitig eine Verhaltens- oder Ernährungsänderung vollzogen wird.
Eiseninfusionen – ein gefährlicher Trend
Es gibt diverse Nahrungsergänzungsmittel und Tabletten, die einem Eisenmangel vorbeugen oder einen solchen gar beheben sollen. Das Hauptproblem der Tabletten ist die schlechte Verträglichkeit: Viele klagen über Magenschmerzen, Übelkeit, Verstopfungen oder Durchfall. Um diese -Nebenwirkungen zu minimieren, sollte man die -Tabletten vor dem Schlafengehen einnehmen. Eine orale -Behandlung hat weitere Nachteile. Dazu gehören die schlechte Ab-sorption, die lange Therapiedauer und die Notwendigkeit zur täglichen Einnahme.
Eiseninfusionen dürfen als Mittel der 2. Wahl nur Patienten verabreicht werden, bei denen Tabletten nicht genug wirken oder nicht gegeben werden können. Zudem muss ein Bluttest bestätigen, dass tatsächlich ein Eisenmangel vorliegt. Die intravenöse Gabe hat zwar den Vorteil eines schnelleren Therapieerfolgs und einer besseren Verträglichkeit, birgt jedoch das Risiko schwerer allergischer Reaktionen, bis hin zur lebensbedrohlichen anaphy-laktischen Reaktion. Eine enge Überwachung des -Patienten mit der Möglichkeit der Reanimation muss deshalb während der Infusion und mindestens 30 Minuten danach sichergestellt sein!
«Von einer unkritischen Verabreichung von Eiseninfusionen zur symptomatischen Behandlung von Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen und anderen Symptomen, wie sie derzeit von einigen europäischen Eisenzentren proklamiert wird, ist abzuraten», schreibt die «Pharmazeu-tische Zeitung». Abgesehen von der lebensbedrohlichen Überempfindlichkeitsreaktion und einem plötzlichen Blutdruckabfall bestehe bei intravenöser Eisengabe das Risiko einer Eisenüberladung (Siderose), die Organe wie -Leber, Herz, Pankreas, Gehirn und Muskeln schädigen kann. Zu den häufigsten möglichen unerwünschten Wirkungen -gehören Kopfschmerzen, Schwindel, Hautausschlag, -Reaktionen an der Injektionsstelle, Venenentzündung, -metallischer Geschmack, Übelkeit, Bauchschmerzen, -Verstopfung, Durchfall und Gelenkschmerzen.
Öfters mal Innehalten
Die Naturheilkunde profitiert genauso vom Trend des Eisen- mangels wie die Schulmedizin: hier das Brennnesselpräparat, dort die Schüsslersalze, die Nahrungsergänzung oder der Kräutersaft – von allen Seiten wird den Frauen Diverses empfohlen, damit sie möglichst viel Eisen zu sich nehmen. Schüsslersalze helfen zwar, Eisenmangel vorzubeugen und zu beheben (Nr. 2 regt die Zellbildung im Blut an, Nr. 3 unterstützt die Aufnahme und Verwertung von Eisen aus der Nahrung). Nur stellt sich die Frage: Darf man denn nicht mehr müde sein? Fehlt das Eisen wirklich oder ist die schlechte Aufnahme Ausdruck eines viel tieferen Mangels? Müssen wir wirklich pausenlos herumrennen oder dürfen wir auch mal Innehalten? Der gesellschaftliche Stress ist oft selbstgemacht. Irgendwann muss dieses uferlose Streben nach besser, schöner, schneller, teurer ja müde machen! Wir verlieren uns, haben keinen Zugang mehr zu unserer inneren Kraftquelle, wo auch das Vertrauen und die Geborgenheit sitzen, und verpassen die wesentlichen Dinge, die das Leben lebenswert machen. Ja, vielleicht wird mit dem Aktivismus kompensiert, was im Inneren fehlt: die Nestwärme sich selbst gegenüber.
Eisen wird besser aufgenommen, wenn sich jemand im Alltag regelmässig entspannt. Und in Ruhe isst. Ein wichtiger Schritt in der natürlichen Behandlung von Energiemangel heisst deshalb: Einen Gang herunter fahren, dem Gehirn Denkpausen gönnen, ausgewogen essen und beim Kochen dafür sorgen, dass die Nährstoffe optimal aufgenommen werden können – was bedingt, dass man überhaupt kocht und nicht einfach nur ein Joghurt oder ein Stück Brot isst. Die tägliche Nahrung soll vielfältig sein, der Frischkostanteil möglichst gross und mit grünen Kräutern soll man auch nicht geizen; besonders viel Eisen enthalten Brennnesseln, Löwenzahn, Franzosenkraut, Guter Heinrich und Vogelmiere, aber auch Petersilie, Liebstöckel, Majoran, Oregano und Thymian. Gerne darf also öfters mal ein (Wild) Kräutersalat serviert werden. Viel Eisen enthalten auch Erbsen, Bohnen und Linsen. Ein besonders guter Eisenlieferant sind indes dunkles Fleisch, Leber und Blutwurst. Die Resorption des Eisens kann durch zahlreiche Nahrungsmittel sowohl positiv (Vitamin C) als auch negativ (Kaffee, Tee, Milchprodukte) beeinflusst werden. Doch selbst bei einer optimalen Ernährung und täglich viel Bewegung wird die Müdigkeit nicht von heute auf morgen verschwinden; langfristig aber haben die Massnahmen das Potenzial, die Lebensqualität deutlich zu steigern.
Wenn man nun aber seit Wochen schlapp ist? Dann kann eine Substitution mit Eisen mitunter Sinn machen. Sie wird jedoch das Grundübel nicht beseitigen. Wer also mithilfe von Eisenpräparaten oder gar -infusionen in regelmässig das Depot füllt, geht nicht nur ein Risiko ein (siehe Box), sondern tritt auch am Ort. Es scheint ja nicht nötig, etwas an der Lebenssituation zu ändern, welche die grosse Müdigkeit herbeigeführt hat. Nachhaltiger wäre für die meisten Betroffenen eine Anpassung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten; eine Feinjustierung des eigenen Denkens und Handelns; und öfters mal ein klares «Nein!» zu äusseren Umständen, zugunsten eines vertrauensvollen «Ja !» zu sich selbst. //
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