Kategorie: Sabine Hurni
Der Januar ist für viele Menschen ein Monat der Abstinenz. Nicht nur der guten Vorsätze wegen, die wir uns für das neue Jahr vornehmen (und selten über längere Zeit einhalten).
Es ist für viele Menschen ein echtes Bedürfnis, nach einer Zeit mit üppigen Mahlzeiten, reichlich Fleisch und Alkohol und all den unwiderstehlich feinen Backwaren, den Gürtel etwas enger zu schnallen. Für viele beginnt das neue Jahr deshalb mit einer Diät, einem Alkohol- und/oder Fleischfasten oder dem Verzicht auf Zucker. Das ist sehr gut. Nur schon das Ausbrechen aus den gewohnten Bahnen bringt im Körper Positives in Gang. Denn unser Organismus kann mit Völlerei und Überfluss viel schlechter umgehen, als mit Abstinenz und Verzicht. Es ist deshalb überaus wichtig, dass wir ihm immer wieder das Gefühl von Leere gönnen; ein leichtes Hungergefühl. Sei es mit einem Entlastungsmonat, mit Intervallfasten oder einem Fastentag pro Woche. Dadurch kann der Körper verarbeiten, was liegen geblieben ist und sich auf das Wesentliche konzentrieren: die Entgiftungsarbeit. Machen wir also das Januarloch zu einem Zustand der Leere in unserem Körper. Wer sich mit Spiritualität befasst, begegnet irgendwann dem Begriff der «Leere». Gemeint ist das, was in der Meditation geschieht, wenn sich die Wahrnehmung nur noch auf den Atem richtet. Oft wird das Ausharren in langen Atempausen – was enorm viel Übung erfordert – als Leerheit interpretiert. Manche nennen diese Pause aber auch «Fülle». Das verwundert nicht wirklich, sind die beiden vermeintlichen Gegensatzpaare schlussendlich doch identisch: Es geht darum, die Fülle in der Leere zu finden. So ist zum Beispiel ein weisses Blatt nicht leer, sondern beinhaltet den ganzen Zyklus eines wachsenden Baumes; nicht nur die Information, sondern auch Wasser, Licht und Nährstoffe. Ich möchte Sie nicht mit einer philosophischen Abhandlung über die Leere und die Fülle langweilen. Ich möchte Sie aber dazu einladen, darüber nachzudenken. Wie im Restaurant, wo aufmerksame Servicefachleute tunlichst darauf achten, dass das Weinglas nachgefüllt wird, bevor es ganz leer ist, harren auch wir in unserem Leben selten so lange aus, bis wir ganz leer sind. Nicht nur beim Essen. Wir stellen das Radio ein, wenn es zu ruhig wird; wir schreiben eine SMS, wenn wir gerade nicht mit etwas anderem beschäftigt sind; wir planen das nächste Projekt noch, während das Alte läuft. Kurz: Lieber füllen wir unser Leben mit Aktivitäten, als den Moment der Langweile auszuhalten – das Sein an sich, die Stille. Darüber könnten wir uns doch auch freuen! Jedoch fällt es vielen Menschen sehr schwer, sich von all den Eindrücken zu lösen, die einem tagtäglich um und in die Ohren sausen. Ich möchte Sie ermuntern, Ihre Diäten, Ihren «Alkohol-Ramadan» und Ihre Vorsätze für das neue Jahr mal aus diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Wie Ebbe und Flut, Aus- und Einatmen, Licht und Schatten gehören auch Essen und Fasten unabdingbar zusammen. Auf die weihnachtliche Zeit der Fülle folgt im Januar eine Zeit der Leere. Je mehr wir uns dieser Leere hingeben können – sei es mit weniger essen, weniger Verpflichtungen, weniger Medienkonsum –, desto mehr können wir uns im Lauf des Jahres auch wieder der Fülle widmen. Ein Tag der Leere pro Woche bereichert die anderen Tage ungemein. Man freut sich wieder aufs Essen und lebt nicht mehr länger mit angezogener Handbremse, weil man bei jedem Bissen Essen ein schlechtes Gewissen hat. Fülle beim Mittagessen, Leere beim Abendessen, Fülle am Wochenende, Leere am Montag. Eine solche Abwechslung ist gesund. Dabei muss diese «Leere» nicht einmal aus Luft und Liebe oder Tee und Wasser bestehen. Es kann auch einfach eine reduzierte Form des Essens sein. Zum Beispiel eine Mungbohnensuppe. Die grüne Mungbohne ist ein Lebensmittel, das einen «Tag der Leere» mit sehr viel Genuss füllt. Die Böhnchen sind bei uns vor allem bekannt in Sprossenmischungen. Man kann daraus aber auch herrliche Suppen und Eintöpfe zubereiten (siehe Rezept unten). Mungbohnen stammen aus Indien und sind bedeutend leichter verdaubar als unsere Gartenbohnen. Sie verfügen über einen hohen Eiweissanteil, viele Nährstoffe, wenig Fett und wenig Kalorien; und sie sind überaus reich an Ballaststoffen. Diese komplexen Kohlenhydrate sind in der Lage, Gallensäuren im Darm zu binden und auszuscheiden. Da der Körper für die Bildung von neuen Gallensäuren Cholesterine aus dem Blut benötigt, sinkt beim Verzehr von Ballaststoffen indirekt auch der Cholesterinspiegel. Da man die Mungbohnen über Nacht einweichen muss, braucht die Verwendung etwas Planung. Am einfachsten geht es, wenn man ein ganzes Pack einweicht, nach acht Stunden ohne Salz mit einem Lorbeerblatt weichkocht und portionenweise einfriert. So hat man in Nu ein gesundes Essen parat, das man beliebig mit Gemüse und Gewürzen aufpeppen kann. Wer einen erhöhten Cholesterinspiegel hat, abnehmen oder auf Fleisch verzichten möchte, sollte mindestens einmal pro Woche einen Mungbohnentag machen. Es handelt sich dabei um eine sanfte Entgiftungskur ohne Hungern. Der Körper erhält Wärme und Nährstoffe, wird jedoch gleichzeitig entlastet und nicht, wie oft im Alltag, mit zu vielen verschiedenen Lebensmitteln überfordert. Das wiederum entlastet unsere Entgiftungszentrale, die Leber. Fülle ist nicht falsch. Wir leben nun mal im Überfluss. Doch welchen Preis bezahlen wir dafür? Wenn wir mit unserem Verständnis von Fülle unseren Planeten derart auszehren, dass sich die Natur fast nicht mehr aus eigener Kraft erholen kann und zur Einöde wird, ist es höchste Zeit umzudenken. Wir müssen anfangen, Erfüllung in der Leere zu finden – es geht nicht anders. Wenn alle Leserinnen und Leser dieses Artikels einmal pro Woche einen Fastentag mit Mungbohnensuppe machen und damit eine Fleischmahlzeit ersetzen, haben wir nicht nur sehr viel Gutes für uns selbst getan – wir tragen damit auch ein Stück weit Sorge für unseren Planeten Erde.
Rezept für Mungbohnensuppe 2 TL Ghee (Ayurvedische Bratbutter) oder Olivenöl 1 TL Kreuzkümmel gemahlen ½ TL frischer Ingwer geraffelt 1 TL Koriander gemahlen 1 TL Kurkuma 2 Lorbeerblätter Grünes Gemüse nach Geschmack Steinsalz, zum Beispiel Himalayasalz 2 TL Zitronensaft Frische Petersilie Zubereitung Das Fett in die Pfanne geben, die Gewürze kurz darin rösten; das klein gewürfelte Gemüse beigeben und weich dämpfen. Die fertig gekochten Mungbohnen dazu geben, mit Wasser bedecken und aufkochen. Mit Salz, Zitronensaft und Petersilie abschmecken. Sättigender wird das Gericht, wenn man Kartoffeln oder Kastanien mitkocht und am Schluss nochmals einen Schuss Olivenöl über die Suppe gibt.
* Sabine Hurni ist dipl. Drogistin HF und Naturheilpraktikerin, betreibt eine eigene Gesundheitspraxis, schreibt als freie Autorin für «natürlich», gibt Lu-Jong-Kurse und setzt sich kritisch mit Alltagsthemen, Schulmedizin, Pharmaindustrie und Functional Food auseinander.
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