Reisen in Deutschland – unterwegs mit offenen Sinnen
Deutschland ist ein Land der Kontraste, eingebettet zwischen Wäldern und Wellen, zwischen sanften Hügeln und schroffen Küsten, zwischen historischen Städten und stillen Wegen. Wer es mit offenen Sinnen bereist, entdeckt nicht nur seine Vielfalt, sondern auch sich selbst. Es ist ein Land für jene, die aktiv reisen wollen – für Menschen, die nicht nur ankommen, sondern erleben möchten. Und es ist ein Land, das sich besonders gut auf leisen Sohlen erkunden lässt: zu Fuss, auf zwei Rädern oder mit dem Pinsel in der Hand.

© DZT - Francesco Carovillano
Nachhaltig das Ziel erreichen
Der Weg dorthin beginnt oft auf den Gleisen. Die Bahn durchzieht Deutschland wie ein feinmaschiges Netz, das Regionen miteinander verbindet, ohne sie zu überrollen.
Wer mit dem Zug reist, beginnt seine Reise nicht erst am Ziel, sondern schon beim Einsteigen. Während die Landschaften an den Fenstern vorbeigleiten, weitet sich der Blick, und das Tempo der Welt passt sich dem inneren Takt an. Kein Stau, kein Stress – nur das gleichmässige Rauschen der Schienen und der Gedanke an das, was vor einem liegt. Wer mit dem Zug unterwegs ist, merkt bald, wie nah Natur und Kultur hier beieinanderliegen. Es ist leicht, in einer Stadt wie München oder Hamburg auszusteigen – und sich wenig später inmitten weiter Felder, alter Wälder oder zwischen Meeresdünen wiederzufinden. Fast jeder grössere Bahnhof ist Ausgangspunkt für Wanderwege, Radstrecken oder versteckte Winkel, die sich mit Skizzenblock oder Kamera erkunden lassen. Und oft genügt ein kurzer Umstieg, um sich weit entfernt von der Alltagswelt zu fühlen.
Der Reiz liegt in der Übergangslosigkeit. Der Zug bringt einen morgens noch durch das dichte Häusermeer einer Metropole, und nur wenige Stunden später stehen die Füsse im warmen Sand eines Ostseestrandes oder auf dem federnden Waldboden des Thüringer Waldes. Gerade diese Kontraste machen das Reisen in Deutschland so besonders. Es ist ein Land, das nicht spektakulär sein muss, um tief zu berühren.

Zu Fuss durch Deutschland
Wer sich zu Fuss auf den Weg macht, entdeckt Deutschland in seinem eigenen Rhythmus. Die Berge der Alpen im Süden laden zu anspruchsvollen Touren mit atemberaubenden Ausblicken ein – oft überragt nur der Himmel die Gipfel, wenn sich das Licht am Abend auf die Hänge legt. Weiter nördlich schlängeln sich Wege durch das Mittelgebirge, wo dichte Wälder und kleine Dörfer den Weg säumen, und mancher Pfad an eine vergangene Zeit erinnert. Der Harz, das Sauerland oder das Elbsandsteingebirge – sie alle erzählen ihre eigenen Geschichten, die sich nur demjenigen erschliessen, der sie Schritt für Schritt durchwandert.
Doch nicht nur die Berge, auch die Ebenen laden zum Innehalten ein. An der Nordseeküste scheint die Zeit eine andere zu sein. Wenn das Wasser sich zurückzieht und das Watt sich unter den Füssen ausbreitet wie ein endloser Teppich, wird der Horizont zur Grenze zwischen Himmel und Erde. Die Weite ist hier nicht nur geografisch, sie wirkt bis in die Gedanken hinein. Man steht im Wind, hört das leise Kreischen der Möwen, sieht das silbrige Glitzern der Priele und merkt, wie die Sehnsucht nach dem Meer sich mit dem Gefühl des Ankommens verbindet. Es ist eine stille Freude, ein Erleben ohne Spektakel. Nur Wind, Wasser und man selbst.
Die Ostsee zeigt sich sanfter und imposanter, mit ihren kleinen Buchten, Steilküsten und langen Stränden, auf denen sich Fussspuren im Sand verlieren. Wer hier wandert oder mit dem Fahrrad unterwegs ist, bewegt sich durch ein Land wie aus dem Bilderbuch. Fachwerkhäuser und Leuchttürme, Fischkutter im Hafen und Segelboote auf dem Wasser. All das wirkt wie gemalt und nicht selten ist der Wunsch gross, diese Bilder festzuhalten. Viele Reisende greifen hier tatsächlich zu Pinsel oder Bleistift. Denn das Licht am Meer ist besonders. Es verändert sich mit der Tageszeit, es malt die Landschaft neu, Stunde für Stunde. Wer malt, sieht genauer hin, verliert sich im Detail und entdeckt im scheinbar Bekannten das Wunderbare.
Eine der schönsten Wanderrouten Deutschlands ist der Malerweg in Sachsen. Ein Weg wie aus einer romantischen Gemäldegalerie: Er schlängelt sich auf rund 116 Kilometern durch die bizarre Felsenwelt der Sächsischen Schweiz. Hier haben schon Caspar David Friedrich und Ludwig Richter ihre Staffeleien aufgestellt. Schroffe Sandsteintürme, enge Felsschluchten und weite Panoramablicke wechseln sich ab.
Der Weg ist in acht Etappen gegliedert und gut mit Bahn und Bus erreichbar – ideal für Wanderer, die Natur und Kunstgeschichte verbinden möchten. Aber auch die Wanderung von Cuxhaven zur Insel Neuwerk gehört zu den besonderen Erlebnissen Deutschlands. Der Weg ist nur zweimal am Tag begehbar. Er umfasst zwölf Kilometer und führt durch das UNESCO-Weltnaturwunder Wattenmeer. Ein nasser Weg zwischen Himmel und Erde, den man nur bei Ebbe betreten darf.

Radwege, die Geschichten erzählen
Velofahren durch Deutschland ist wie ein ständiger Perspektivwechsel. Man gleitet durch Landschaften, die sich langsam verändern: von den schroffen Höhen der Eifel bis zu den flachen Uferwegen entlang des Rheins oder der Donau. Mal führen die Wege durch tiefe Wälder, mal durch weite Felder, vorbei an Apfelbäumen, Windrädern, alten Burgen oder Weinbergen.

Immer wieder öffnet sich der Blick – auf Flussschleifen, Dörfer mit Kirchtürmen, Felder, die sich im Wind wiegen. Der Fahrtwind auf der Haut, das gleichmässige Surren der Reifen, die Freiheit, jederzeit anhalten zu können ist eine unmittelbare Art zu reisen. Und oft sind es gerade die kleinen Pausen, die in Erinnerung bleiben: ein Picknick unter Obstbäumen, ein spontaner Sprung in einen See, ein Gespräch mit einem Einheimischen auf dem Marktplatz. Der Altmühltal-Radweg ist eine Einladung zur Entschleunigung. Auf rund 250 Kilometern folgt er dem gemächlich fliessenden Lauf der Altmühl von der Quelle bei Rothenburg ob der Tauber bis zur Donau bei Kelheim durch eine Landschaft, die zwischen Wacholderheiden, Felsformationen und Burgruinen wechselt wie ein Bilderbuch in sanften Tönen.
Wer hier unterwegs ist, spürt schnell den besonderen Rhythmus des Tals. Die Wege sind gut ausgebaut, meist flach und führen durch Dörfer, in denen die Zeit leiser tickt. Der Fluss windet sich zwischen Jurafelsen hindurch, vorbei an barocken Kirchen, mittelalterlichen Stadtmauern und grünen Wiesen, auf denen Schafe grasen.
Zwischen Würzburg und Füssen verläuft eine Route, die wie geschaffen ist für Velofahrer*innen mit Sinn für Geschichte, Genuss und grosse Landschaften: der Radweg entlang der Romantischen Strasse. Über 460 Kilometer führt er durch eine der kulturreichsten Regionen Deutschlands – vorbei an Weinbergen, barocken Altstädten, mittelalterlichen Türmen und märchenhaften Schlössern. Schon die Namen der Etappen klingen nach Märchen: Rothenburg ob der Tauber, Dinkelsbühl, Nördlingen, Augsburg, Landsberg am Lech – Orte, die mit Kopfsteinpflaster, Fachwerk und Türmchen eine Zeitreise ermöglichen.
Doch nicht nur die Städte begeistern, sondern auch die Strecke dazwischen. Auf gut ausgeschilderten Wegen rollt man durch Felder, Wälder und Flusstäler, vorbei an Obstwiesen, Klöstern und alten Mühlen.
Wer den Mut hat, langsamer zu reisen, wird reicher belohnt. Nicht mit Postkartenmotiven oder schnellen Eindrücken, sondern mit Momenten, die bleiben. Deutschland lädt dazu ein. Mit offenen Wegen, stillen Orten, alten Bäumen, hohen Wellen und einem weiten Himmel. Wer sich darauf einlässt, spürt sie: die Sehnsucht nach dem Meer, die Freude an der Bewegung, das Glück des einfachen Daseins unterwegs.