Permakultur – Von der Theorie zur Praxis

In der letzten Ausgabe haben wir uns dem Konzept der Permakultur eher theoretisch angenähert und so die Grundidee eines Kreislaufes im Garten erklärt. Nun folgt der Teil zur praktischen Umsetzung.



Wie komme ich zu einem naturnahen Garten? Mit den folgenden 10 Punkten sollen Möglichkeiten und Ansätze aufgezeigt werden, wie mit wenig Aufwand im Garten viel erreicht und umgesetzt werden kann. Ich beziehe mich bewusst auf den Garten, damit dieser Bericht nicht ins Unendliche abschweift. Denn wie Sie vielleicht gemerkt haben, ist die Permakultur vielmehr als nur eine nachhaltige Art zu gärtnern. Es ist vielmehr eine Grundhaltung, wie wir unser Leben und unsere Umwelt mitgestalten. Das wäre aber genug Stoff, um ein ganzes Buch zu füllen. Deshalb hier die Kurzfassung.

Aus dem Traum wird eine Vision

Aller Anfang ist schwer, ja das trifft sicher auch bei der praktischen Umsetzung der Philosophie der Permakultur zu. Aber das Schöne daran ist, dass ich ins Träumen kommen darf. Nein, ich soll sogar ins Träumen kommen! So erst entsteht die Vision. Denn am Anfang steht der Wunsch oder vielmehr der Traum wie ich mein Grundstück und meinen Garten nach der Art der Permakultur gestalten möchte. Ganz wichtig ist: Jeder Traum darf neu geträumt werden! Auch hier sind Änderungen und Optimierungen erlaubt. Nein, sogar ein Muss. Wenn ich meine Grundidee entworfen und zu Papier gebracht habe, ist es sinnvoll, einzelne Schritte umzusetzen und nicht alles auf den Kopf zu stellen. Das schont sowohl die Ressourcen des Gartens wie auch meine eigenen. Nur so lerne ich von meinem Grundstück – oder noch präziser ausgedrückt – von der Natur. Eine wichtige Ressource beim Gärtnern ist Zeit. Also verzweifelt bitte nicht, wenn am Anfang nicht alles immer nach Plan läuft. Es gilt auszuprobieren, zu optimieren oder sonst nach Alternativen zu suchen. Widmen wir uns nun den 10 Punkten.



1. Von der Natur lernen

Ich lerne also mein Grundstück kennen. Dabei beobachte ich was vorhanden ist. Eine Spatenprobe zum Beispiel gibt mir Aufschluss über den Bodenaufbau. Ist dieser dunkel, leicht lehmig und feucht oder steinig, mager und trocken. Es lohnt sich an verschiedenen Orten Proben zu machen. Nur so kann ich abschätzen, wo später die Anlage des Gemüsegartens Sinn macht. Auch Zeigerpflanzen geben mir Aufschluss. Brennnesseln etwa deuten auf einen stickstoffreichen Boden hin. Das Vorkommen des Kleinen Wiesenknopfs und der Wilden Möhre weisen auf einen nährstoffarmen und Breitwegerich auf einen verdichteten Boden hin.





2. Vielfältigkeit ermöglichen

Wenn ich den Standort für meinen Gemüsegarten ermittelt habe, darf ich nun endlich anpflanzen. Schon mehrmals ist der Begriff Mischkultur gefallen. Genau diesen Zustand möchte ich anstreben. Das heisst, dass ich eine gute Fruchtfolge plane. Passende Kalender dazu finden sich zu Hunderten im Internet. In der richtigen Fruchtfolge baue ich starkzehrende Gemüse als erste Kultur und schwachzehrende erst später an. Um Krankheiten wie zum Beispiel die Kohlhernie zu unterbinden, pflanze ich nicht zwei Jahre hintereinander Pflanzen aus der Familie der Kreuzblütler im gleichen Beet an. Ich kann auch Pflanzen gemeinsam im Beet anbauen die sich gegenseitig begünstigen. Ein gängiges Beispiel in der Permakultur sind die drei Schwestern Kürbis, Mais und Stangenbohnen. Der Kürbis bedeckt den Boden, hält die Feuchtigkeit zurück und unterdrückt Beikräuter. Der Mais wächst in die Höhe und dient der Bohne als Kletterhilfe. Die Bohne versorgt den Boden als Leguminose mit Stickstoff. Ich habe bisher Mais mit Buschbohnen kombiniert da der Kürbis im Kompost angesiedelt ist.


3. Fördern von Vernetzung

Ein Element kann viele Funktionen ausüben. So entwickeln wir einen Bezug zueinander. Ich versuche also, auch mehrere Bedürfnisse zu decken. Wenn ich eine Hecke brauche, kann ich diese aus Wild-, Obst- und Beerensträuchern kombinieren. So finden Menschen und Tiere Nahrung. Die Tiere erhalten zudem wertvollen Lebensraum. Einige Beispiele für Wildobst sind Mispel, Kornelkirsche, Schwarzdorn, Felsenbirne und Holunder. Ideale Beispiele für Beeren sind Maibeere, Josta, Johannisbeere, Aronia und Brombeere. Auch mein Wissen vernetze ich mit den älteren Generationen. Wenn sich in der Familie jemand mit dem Anbau und der Aussaat nach dem Mondkalender auskennt, kann es nicht schaden, es selbst auszuprobieren. Nutzen wir solche Schnittstellen mit früheren Generationen nicht, geht wertvolles Wissen verloren und das Erarbeiten braucht viel Zeit.


4. Resilienz im System

Resilienz (allgemeine Widerstandskraft) ist eines der wohl wichtigsten Planungsziele. Auch hier steht eine hohe Diversität im Zentrum. Nur durch abwechslungsreiche Lebensräume schaffen wir ein hohes Mass an Abwehrkraft. Bei der oben genannten Mischkultur kommt es nicht zu Totalausfällen, da sich Schadorganismen weniger verbreiten können. Zudem haben Nützlinge reichlich Rückzugsorte und sind schneller vor Ort, wenn es gilt, Schädlinge zu bekämpfen. Darum plane ich die intensiven Flächen im Verhältnis zu den extensiv genutzten kleiner. Auch Wetterextreme kann ich abfedern. Gerade die vergangenen Hitzejahre haben uns gezeigt, wie wichtig ein schonender Umgang mit Wasser ist. In der Permakultur gilt der Grundsatz, dass entweder der Boden durch eine dichte Pflanzendecke oder durch Mulch abgedeckt ist. Durch die Mulchschicht verhindere ich zu grossen Teilen die Verdunstung im Boden. Zeitgleich finden Bodenlebewesen genug Nahrung und können Nährstoffe mineralisieren.


5. Energie nutzen

Hier denken sicher die meisten sofort an ein Treibhaus. Zugegeben: Ein Treibhaus ist eine der besten Möglichkeiten um Sonnenlicht und Wärme für Gemüse wie Tomaten und Peperoni zu nutzen. Zudem können sogar über den Winter Salate angebaut werden, die uns jederzeit mit Ertrag erfreuen. Für mich ist ein wichtiger Punkt zur effizienten Nutzung auch meine persönliche Energie. Konkret bedeutet dies, kurze Wege einzuplanen. Wenn immer möglich stehen meine Lieblingsgewürze nahe an der Küche. Denn so verwende ich diese sicherlich auch.


6. Kreisläufe einrichten und Ressourcen nutzen

Das A und O ist für mich der Kompost. Ich kann sämtliche Gartenabfälle sowohl mit oder auch ohne Vorverarbeitung kompostieren. Durch diesen Arbeitsschritt spare ich mir hohe Emissionen und Kosten für den Transport und erhalte meinen Boden dauerhaft fruchtbar ohne den Zukauf von Erde oder Dünger. Hier ist auch die Vernetzung wichtig. Durch rein pflanzliches Kompostgut ist der Boden mit Phosphor und Kali gut versorgt, Stickstoff jedoch ist schneller aufgebraucht. Ich selber beziehe daher Schafwolle von einem Freund, der diese sonst entsorgen müsste, um den Nährstoff zu kompensieren.




7. Kooperieren und integrieren

Ein wichtiger Punkt ist auch das Miteinander. Gerade im urbanen Bereich sind Gemeinschaftsgärten seit Jahrzehnten ein Thema und werden bespielhaft praktiziert. Gerade durch das Anbauen von Gemüse gewinnen wir an Akzeptanz gegenüber Nahrungsmitteln. So können wir nachvollziehen und wertschätzen, was selber produziert wurde. Hier muss ich auch selbst über meinen Schatten springen und meinen Ertrag mit dem des Nachbaren tauschen. Es bringt nichts, wenn ich mich mit Kartoffeln abmühe, mir aber der Mais ohne Beulenbrand gelingt. Vielleicht ist es jenseits des Gartenzaunes gerade umgekehrt. Beim Tauschen profitieren wir so voneinander.


8. Kreativ und lösungsorientiert

Wenn ich kreativ bin, bewegt sich mein Garten von der Horizontalen in die Vertikale. Ich suche immer wieder, wo noch Platz für Pflanzen sein könnte. Da bieten sich Hauswände an. Sie schaffen ein gutes Mikroklima durch Wärme, Abstrahlung, Regen oder Windschatten. So kann ich je nachdem Trauben, Nektarinen, Sauerkirschen, Kiwis und Aprikosen kultivieren. Wenn ich ein grösseres Projekt wie etwa die Anlage eines Hochbeets angehe, kann sich auch ein Workshop lohnen. Dabei kann ich Wissen weitergeben und gleichzeitig von der Unterstützung zahlreicher Helfer profitieren.

9. Schonender und effizienter Wasserhaushalt

Ohne Wasser kein Leben! Dieser Satz sollte uns zeigen, wie wichtig dieses Element ist. Vielfach gelangt bei uns Regenwasser ungenutzt in den Boden. Dabei ist gerade das mineralarme Regenwasser für den Gemüse und Obstanbau sehr wertvoll. So können etwa feuchtigkeitsliebende Gemüse wie etwa der Kohl in Senken und trockenheitsliebende wie etwa Kartoffeln auf Dämmen gepflanzt werden. Wenn mein Garten am Hang liegt, kann ich das Wasser an der höchsten Stelle sammeln und nachher meist nur durchs natürliche Gefälle auf meinem Grundstück nutzen. Ist mein Grundstück flach, dann kann ich einen Teich anlegen und auf diese Weise Wasser sammeln. Gleichzeitig biete ich Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Eine weitere Möglichkeit ist es, einen sogenannten Erdtank zu benutzen. Egal ob Teich oder Erdtank: Bei beiden kann ich das Wasser mit einer Pumpe weiterbefördern. Ein Dach von 60 m2 füllt einen 6 m3 Wassertank an zwei regenreichen Tagen auf. Warum sollte ich deshalb das wertvolle Nass einfach versickern lassen oder gar in die Kanalisation ableiten?



10. Gestalten und optimal einrichten

Nun beginnt die eigentliche Planung des naturnahen Gartens. Ich lasse alle vorher beschriebenen Punkte mit meinen Wünschen und Träumen zusammenfliessen. Ich kann jetzt den Plan meines Grundstücks samt Garten zu Papier bringen dabei berücksichtige ich wie schon in der letzten Ausgabe erwähnt natürliche Formen. Diese Formen habe ich beim Beobachten und Lernen von der Natur erkannt. So schliesst sich der Kreislauf zurück zu Punkt 1 und auch dieser Bericht schliesst hier ab. Ich wünsche Ihnen viel Freude und Erfolg beim Kennenlernen und Planen Ihres Gartens!



Walter Bühler ist gelernter Landschaftsgärtner und Landwirt. Er arbeitet als Berufsbildner an der Gartenbauschule Oeschberg in Koppigen (BE). In seiner Freizeit interessiert er sich für Pflanzen, Permakultur und produziert unter dem Namen «Pommebastisch» leidenschaftlich gerne Cidre aus dem eigenen Obstgarten.

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