Heilpilze

Kategorie: Natur


Pilze werden in der Traditionellen Chinesischen und in der modernen westlichen Medizin bei zahlreiche Leiden eingesetzt, etwa begleitend zur Krebstherapie. Auch zur Prävention und Wundversorgung eignen sich sogenannte «Vitalpilze» wunderbar.




Ötzi hatte auf seinem beschwerlichen Weg von Italien über die Alpen nach Österreich einen Birkenporling (Fomitopsis betulina) und ein Stück Zunderschwamm bei sich. 5300 Jahre später vermuten Wissenschaftler, dass er Ersteren medizinisch nutzte (er wirkt antibiotisch, antiparasitär und antientzündlich) und mit Zweiterem nicht nur Feuer machte, sondern auch Blutungen stoppte. Schwamm drüber – so einfach geht natürliche Notfallversorgung. Die Apotheke der Gletschermumie ist wohl das zweitbekannteste Beispiel für das medizinische Potenzial von Pilzen. Das bekannteste: Penicillin. Das Stoffwechselprodukt des Pinselschimmels Penicillium hat vor fast einem Jahrhundert die Ära der Antibiotika eingeläutet und seither Millionen Menschenleben gerettet. Dieses Potenzial haben auch andere Pilze. Der in Eiben lebende endophytische Pilz Taxomyces andreanae etwa biosynthetisiert den Wirkstoff Paclitaxel. Unter dem Markenname Taxol® ist Paclitaxel in der Schweiz seit 1993 zugelassen zur Behandlung verschiedener Krebsarten, z. B. Brustkrebs. Extrakte vom Eichhasen (Polyporus umbellatus) wiederum sind in der Lage, Viren wie Influenza und sogar Pocken zu bekämpfen. Eine Wirkung gegen das SARS-CoV-2-Virus ist denkbar, wurde aber noch nicht wissenschaftlich untersucht. Diesbezüglich gibt es aber erste Studien aus Russland, die zeigen, dass der Schiefe Schillerporling («Chaga») die Virenlast bei Covid-19 senken kann. Wie zahlreiche andere Pilze wirkt Chaga regulierend und stärkend auf das Immunsystem, wovon der Mensch nicht nur in Zeiten von Corona profitieren kann.

Heilsamer Rausch Eine Sonderstellung nehmen die sogenannten «Zauberpilze» ein. Sie enthalten das Halluzinogen Psilocybin, ein Indolalkaloid aus der Gruppe der Tryptamine, und werden seit mindestens 6000 v. Chr. im Rahmen schamanischer Heil- und anderen Zeremonien genutzt. Seit einigen Jahren ist Psilocybin (wieder) in den Fokus der Forschung gerückt. Der Wirkstoff wird eingesetzt, um aussergewöhnliche Bewusstseinszustände hervorzurufen und zu studieren, etwa an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Auch die sogenannte Psycholytische Therapie, bei der psychoaktive Substanzen appliziert werden, erlebt eine Renaissance. So werden Psilocybinpilze u. a. eingesetzt zur Behandlung von Suchterkrankungen, Depression, Traumata und Todesfurcht, etwa bei Krebspatienten im Endstadion. Die Therapie mit den Pilzen ist, korrekt angewandt und professionell begleitet, nicht nur erstaunlich erfolgreich, sondern auch weitgehend nebenwirkungsfrei. Anfang 2020 wurde in den USA die Hürde für den therapeutischen Einsatz von Psilocybin deutlich gesenkt. Aber nicht nur das: Der Bundesstaat Oregon legalisierte am 3. November 2020 Psilocybin ganz. In zahlreichen US-amerikanischen Städten wurden Zauberpilze dekriminalisiert.

Mandelpilz








Allgemein Agaricus blazei Murrill (ABM) stammt aus Brasilien und enthält viele Vitamine (Riboflavin, Biotin, Niacin, Folsäure u.a.), Mineralstoffe (Kalium, Zink, Eisen, Magnesium u. a.) und einen sehr hohen Anteil an wertvollen Polysacchariden. Wirkung Kaum ein Vitalpilz stimuliert das Immunsystem so wirkungsvoll wie der Mandelpilz. Studien belegen darüberhinaus seine tumorhemmende und antientzündliche Wirkung. Anwendung Bei Immunschwäche, Hauterkrankungen, Verdauungsstörungen, Diabetes, Bluthochdruck, Allergien, Entzündungen und Infektionen; begleitend zur Chemo- und Strahlentherapie. Schmetterlingstramete








Allgemein Coriolus versicolor gehört zu den häufigsten Porlingen hiesiger Wälder. Er wächst ganzjährig vor allem an abgestorbenen Stämmen von Laubbäumen. Wirkung Auch Coriolus ist ein wahrer Immunbooster. Vor allem der hohe Anteil an Polysacchariden, insbesondere PSP und PSK, macht ihn so wertvoll. PSK wurde 1977 in Japan als weltweit erstes aus Pilzen gewonnenes Krebsmedikament zugelassen. Anwendung Begleitend zur Chemo- und Strahlentherapie; zur Unterstützung der Leberfunktion, z.B. bei Hepatitis; bei Infekten, vor allem der oberen Atemwege, und Immunschwäche.

In Ostasien, insbesondere in China, Korea und Japan, hat die Verwendung von Pilzen in der Medizin eine lange Tradition. In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) gelten Vitalpilze als wertvollstes natürliches Heilmittel und werden für ein sehr breites Spektrum an Krankheiten eingesetzt. Der Chinesische Raupenpilz zum Beispiel als Tonikum und Aphrodisiakum; das Judasohr verbessert die Fliesseigenschaft des Blutes und hat dadurch eine vorbeugende Wirkung gegen Thrombosen, Herzinfarkt, und Schlaganfall; der Reishi wiederum gilt in der TCM als eines der wirksamsten und vielfältigsten Mittel zur Stärkung des Menschen überhaupt. Viele der überlieferten Wirkungen von Vitalpilzen wurden inzwischen in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Schützt und schmeckt Einige Vitalpilze haben nicht nur schützende oder gar heilende Eigenschaften, sie schmecken auch noch gut. Dazu zählen Shiitake, Judasohr, Austernseitling, Klapperschwamm («Maitake») und der geschmacklich an Spargel erinnernde Schopftintling. Wer sie regelmässig verspeist, profitiert von ihren wertvollen Inhaltsstoffen wie essenziellen Aminosäuren und verschiedenen Vitaminen (z.B. alle B-Vitamine, A und D), Mineralstoffen (vor allem Kalium) und Spurenelementen. Die Bioaktivstoffe der Pilze können vom menschlichen Organismus gut aufgenommen und verstoffwechselt werden. So stärken Pilze unter anderem das Immunsystem. Auch eine allgemein entgiftende Wirkung ist erwiesen. Zu den besonders interessanten und inzwischen gut untersuchten Inhaltsstoffen gehören die Polysaccharide (Vielfachzucker). Einen davon, Lentinan, hat das japanische Gesundheitsministerium im Jahr 2000 zur unterstützenden Therapie bei Krebspatienten zugelassen. Polysaccharide gelten auch als starke Waffe gegen Infektionen von Grippe über Herpes bis zu HIV. Besonders gut untersucht sind die sogenannten Beta-Glucanen. Ihre Wirkung auf das Immunsystem beruht auf: • der Aktivierung und Stimulierung der Lymphozyten • der vermehrten Freisetzung von Immunbotenstoffen • der Steigerung der Antikörperproduktion • der Aktivierung der Phagozytose • der Aktivierung des Komplementsystems • der vermehrten Synthese der Akutphasenproteine • und der Aktivierung der natürlichen Killerzellen.

Chinesischer Raupenpilz







Allgemein Cordyceps sinensis, der teuerste aller Pilze, wächst endemisch in Tibet. Er befällt Raupen und nutzt diese als Nahrungsgrundlage. Heute wird das Myzel des Raupenpilzes in grossem Stil auf rein pflanzlichen Substraten gezüchtet und daraus das Wirkextrakt gewonnen.


Wirkung Cordyceps stimuliert die Libido, wirkt stimmungsaufhellend, anti­diabetisch und antiskleriotisch, verleiht Kraft und Willensstärke. Viele der aus der TCM überlieferten positiven Wirkungen wurden in Studien bestätigt. Bei akuten Infekten kontraindiziert. Anwendung Bei sexuellen Funktionsstörungen und zur Steigerung der Libido; zur Muskelregeneration; bei Stimmungsschwankungen und Depressionen, Lungenproblemen (Asthma, chronische Bronchitis), Immunschwäche, Herzrythmusstörungen, Arteriosklerose und beim Chronischen Erschöpfungssyndrom. Reishi







Allgemein Der Glänzende Lackporling (Ganoderma lucidum) oder eben Reishi, in China «Göttlicher Pilz der Unsterblichkeit» genannt, ist eines der ältesten und wirkungsvollsten Naturheilmittel überhaupt. Er wächst auch in hiesigen Wäldern, vor allem auf Laubhölzern. Wirkung Der Reishi ist einer der am besten erforschten Vitalpilze. Seine wichtigsten Inhaltsstoffe sind Triterpene und Polysaccharide. Erstere wirken u. a. leberschützend und antitumoral, Zweitere regulieren das Immunsystem und wirken antientzündlich. Aus Pilzen extrahierte Mehrfachzucker werden in den USA, in Japan und Korea sehr häufig in der Krebstherapie eingesetzt. Anwendung In der Krebstherapie; bei Herz-Kreislauf-Problemen, Bluthochdruck, Immunschwäche, Allergien, Infektionen, Arthritis, Asthma, Bronchitis, COPD, Schlafstörungen, Nervosität, Erschöpfung und als Anti-Aging-Mittel. Shiitake






Allgemein Lentinula edodes ist nach dem Champignon der zweitbegehrteste Speisepilz weltweit. Er ist reich an Eiweiss, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien. Der Shiitake ist in Ostasien zu Hause, kann aber auch bei uns gezüchtet werden, vorzugsweise auf Eiche, aber auch auf Birke, Erle, Ulme oder Buche. Wirkung Der Shiitake hat ein sehr breites Wirkspektrum. So hat er u.a. einen positiven Einfluss auf den Cholestrinspiegel und die Darmflora sowie starke antibakterielle Effekte. Auch seine immunstimulierende und antitumorale Wirkung ist belegt. Der im Myzel vorkommende Wirkstoff Lentinan wird begleitend zur Krebstherapie verabreicht. Anwendung Bei Immunschwäche, Grippe, Infektionskrankheiten, Osteoporose, Gicht, Arthritis und Fibromyalgie; Begleitend zur Chemo- und Strahlentherapie; zum Aufbau der Darmflora; als Anti-Aging-Mittel.

Eine weitere Wunderwaffe der Pilze sind die Triterpene. In Pilzen wurden bis zu 140 von ihnen entdeckt. Sie wirken antibakteriell und kortisonähnlich und senken die Entzündungswerte im Körper. Laut Professor Jan Lelley vom Institut für Pilzforschung in Krefeld (D) senken Triterpene auch den Blutdruck und die Cholesterinwerte, schützen die Leber, hemmen die Blutgerinnung, stimulieren die Herzfunktion, verringern die Freisetzung von Histaminen und stillen Schmerzen. Nicht zuletzt wirken sie zytostatisch, das heisst, sie hemmen das Wachstum von Krebszellen. Darüber hinaus fördern Pilze den Wiederaufbau einer, etwa durch Antibiotika, angegriffenen Darmflora und wirken insgesamt vitalisierend. Der Pilz ist uns näher als die Pflanze Pilze gehören zu den ersten Organismen, die die urzeitlichen Landmassen besiedelt haben. Die ältesten bisher bekannten Pilzfossilien sind 715 bis 810 Mio. Jahre alt. In diesen Jahrmillionen haben Pilze vielfältige Strategien entwickelt, um sich vor anderen Pilzen, Bakterien, Parasiten und anderen Mikroben zu schützen. Doch wieso wirken die Strategien der Pilze beim Menschen so gut? Weil Mensch und Pilz genetisch eng verwandt sind, vermutet Andrew Weil, weltweit anerkannter Pionier im Bereich der integrativen Medizin. Tatsächlich teilen wir mit Pilzen mehr DNS-Sequenzen als mit Pflanzen. Laut Weil besitzen Pilze Moleküle, die nirgendwo anders in der Natur vorkommen. Angesichts dessen, dass es mindestens 3,8 Millionen Arten von Pilzen gibt, viel mehr als Pflanzen, und man die Wirkung von gerade mal zwei, drei Dutzend gut kennt, kann man getrost sagen, dass da ein gigantisches Potenzial schlummert. Davon ist auch Paul Stamets, einer der weltweit führenden Mykologen überzeugt: «Wir kratzen bisher nur an der Oberfläche des medizinischen Potenzials des weltweiten Pilzbestands», schreibt er in „Fantastische Pilze“ (AT Verlag). Zu diesem Potenzial zählt er insbesondere auch psilocybinhaltige Pilze, die seit einigen Jahren wieder intensiv erforscht werden. In der Homöopathie werden darüber hinaus auch Giftpilze angewandt, etwa der Grüne Knollenblätterpilz. Andere halten sich an die gängigen Vitalpilze. Am häufigsten in der Mykotherapie verwendet werden: Mandelpilz (u. a. Grippe, Hepatitis, Immunschwäche, Krebstherapie), Judasohr (Entzündungen, Blutverdünnung, Hautkrebs), Schopftintling (Diabetes, Hämorrhoiden, Verstopfung), Chinesischer Raupenpilz (Erschöpfung, sexuelle Disfunktion, Depression, Asthma), Schmetterlingstramete (Grippe, Herpes u.a. Infektionskrankheiten, Immunschwäche, Krebstherapie), Igelstachelbart (Gewichtsreduktion, Magen-Darmprobleme, Nervenschwäche), Maitake (Immunschwäche, Osteoporose, Hepatitis, Krebstherapie), Eichhase (Haarausfall, Hautprobleme, Harnwegsinfekte, Wassereinlagerungen), Reishi (Anti-Aging, Schlafstörungen, Allergie, Asthma, Cholesterinsenkung) und Shiitake (Grippe u. a. Infektionskrankheiten, Cholesterinsenkung, Immunschwäche, Rheuma, Krebstherapie). In der Regel werden diese Pilze nicht als Ganzes, sondern in Form von Pulver und Extrakten eingenommen.

Gefragt: Tatjana Arpagaus* « Vitalpilze helfen bei Long-Covid» Frau Arpagaus, wann setzen Sie Pilze ein? Es gibt kaum etwas, wo man Vitalpilze nicht anwenden kann. Ich brauche sie besonders gerne bei Wechseljahrbeschwerden, Kinderwunsch, Bluthochdruck und Hautkrankheiten. Auch beim Long-Covid-Syndrom können Vitalpilze helfen. Denn gerade bei Erschöpfungszuständen wirken sie sehr gut unterstützend. Zudem können sie das Immunsystem wieder modulieren und aufbauen. Welche Pilze verwenden Sie? Es gibt zwar Spezialisten – der Agaricus stärkt das Immunsystem besonders gut, der Hericium wirkt extrem gut auf Nerven und Verdauung, der Reishi auf das Herz-Kreislauf-System –, aber welche Pilze ich einsetze, ist abhängig von den Symptomen und der Vorgeschichte der Patienten. Was bevorzugen Sie: Pulveform oder Extrakt? Ich wende beide Formen an. Das Pulver eher unterstützend und vorbeugend, das Extrakt, wenn eine spezifische Erkrankung behandelt werden soll. Das Extrakt hat eine höhere Wirkstoffdichte, das Pulver dafür das ganze Wirkspektrum des Pilzes mit allen Vorteilen, inklusive den Ballaststoffen. Behandeln Sie auch Kinder mit Vitalpilzen? Ja. Wenn Sie Kapseln schlucken oder den Geschmack überwinden können, dann kann man Pilze auch bei Kindern sehr gut einsetzen. Man muss einfach beachten, dass Pilze eher schwer verdaulich sind, und dass Kinder diesbezüglich oft sensibler reagieren.










* Tatjana Arpagaus ist dipl. TCM Therapeutin Fachrichtung Akupunktur mit Weiterbildung in Mykotherapie. Sie hat eine eigene Praxis in Lyss BE. www.praxisarpagaus.ch

Link Gesellschaft für Vitalpilzkunde Schweiz www.gfvs.ch

Fotos: ZVG | getty-images.com | mauritius-images.com

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