Die Lärchenpracht vom Chastelberg

Der 850-jährige Hittuwald bei Simplon Dorf trotzt menschlichen und natürlichen Einflüssen seit jeher. Kein Wunder, fühlen sich Besucher*innen unter den gelben Nadeln so zeitlos entspannt.

Benjamin Haltmeier

Liegt es an der frischeren Luft, an der Stille, an der Vielfalt von Flora und Fauna oder an den so beruhigenden wie leuchtenden Farben? Klar ist, dass ein herbstlicher Ausflug in den Wald Körper und Geist belebt. Insbesondere Menschen aus urbanen Gebieten schätzen gesunde Spaziergänge und eine Auszeit unter Wipfeln, Blättern und Nadeln – nicht zuletzt, weil eine achtsame Auszeit in der Natur das Immun- und Nervensystem vor dem ersten Schnee stärkt. Gerade das Wallis mit seinen 123 416 Hektaren Wald ist dieser Tage also eine attraktive Option für Ruhesuchende; der Kanton ist zu einem Viertel von Bäumen aller Arten bedeckt. Im Herbst fallen Gästen in den hochgelegenen regionalen Alpentälern aber vor allem die prächtigen, goldgelb gefärbten Lärchen auf. Im sonnenverwöhnten Gebiet zeigen sich die bis zu 35 Meter hohen Bäume noch einmal von ihrer schönsten Seite, bevor sie angesichts harter Frostnächte ihre Nadeln verlieren. Es gilt also, das kurze Zeitfenster für einen Ausflug zu diesen Perlen des Wallis zu nutzen.

Ziegen prägten die Landschaft

Besonders eindrücklich sind Waldstunden unter den ältesten Bäumen – stehen diese doch für Beständigkeit und Gesundheit über verschiedene Epochen hinweg. Mit dem Hittuwald im Simplon-Gebiet wartet in dieser Sparte ein rekordverdächtiger Hingucker: Seine 700- bis 850-jährigen Stämme bilden schliesslich den ältesten zusammenhängenden Lärchenwald der Schweiz. Diese stolzen Exemplare haben klimatischen Veränderungen, Lawinen und Schädlingen getrotzt und so die Geschichte vieler Jahrhunderte in ihren unzähligen Jahresringen gespeichert. Dass hier, am Chastelberg bei Simplon Dorf, derart alte Bäume stehen, ist teilweise aber auch anderen Einflüssen geschuldet: Der Hittuwald diente nämlich lange als Ziegenweide. Hunderte der gefrässigen Tiere wurden von Hirten gehalten und verhinderten, dass dicht am Boden Jungwuchs gedeihen konnten. Mittlerweile sind die wiederkäuenden Paarhufer aber aus der Gegend verschwunden, und im Wald herrscht wieder mehr natürliche Konkurrenz.

Lärchen am Stockalperweg

Auch Rodungen haben die alten Lärchen vom Chastelberg unbeschadet überstanden. Im 17. Jahrhundert waren diese zum Beispiel vom Briger Handelsherr Kaspar Stockalper angeordnet worden. Der clevere Geschäftsmann wollte die Handelsroute über den Simplon und damit zwischen der Schweiz und Italien wiederbeleben und baute dafür den alten Saumpfad über den Pass weiter aus. Der Plan ging auf und Stockalper baute ein grosses Handelsimperium auf. Doch auch dieses Kapitel der Regionalgeschichte ist mittlerweile beendet. Heute kommen keine Säumer*innen mehr am Forst vorüber, der sein Aussehen all die Jahre beibehalten hat. Heute sind es Wandernde, die den Stockalperweg zwischen Brig und Gondo bzw. Domodossola als Kultur- und Naturinstitution geniessen: Dessen zweite Etappe führt nämlich vom Simplonpass nach Simplon Dorf. Dort angekommen, lohnt sich zum einen ein Abstecher ins Ecomuseum «Alter Gasthof»: Im ehemaligen Sustengebäude werden Entwicklungen und Persönlichkeiten rund um den Simplonpass beleuchtet. Zum anderen befindet sich eben vis-à-vis des Dorfes der Hittuwald – wo könnte man sich besser von den Strapazen des Abstiegs erholen als unter den Lärchen im herbstlichen Kleid?

Eine aussichtsreiche Runde

Auch abseits des Stockalperwegs eignet sich der Hittuwald längst nicht nur zum entspannten Waldbaden. Sportlichere Gemüter können das Gebiet auch im Rahmen einer 14 Kilometer langen Rundwanderung erkunden. Dafür geht es von Simplon Dorf aus erst über den Chrummbach zum Wald. Unter den Lärchen führt der Weg nun aufwärts bis auf über 2000 m ü. M. Die insgesamt 763 Höhenmeter lohnen sich dabei, denn oben schweift das Auge dann weit über das Tal. Nach einer verdienten Rast erreichen Wandernde via Hohmatta schliesslich den bekannten Stockalperweg. Nach total fünf Stunden erreicht man so wieder den Ausgangspunkt im Dorf.

www.brig-simplon.ch

 

Gommer Höhenweg

Noch Energie übrig? Das Gold der Walliser Wälder beschränkt sich längst nicht nur auf den Chastelberg. Auch beispielsweise im Goms gibt es im Herbst viele gelbe Lärchenwälder zu entdecken. Eine attraktive Wanderoption ist dort der Gommer Höhenweg, der auf 28 Kilometern von Oberwald nach Bellwald führt. Ein Blick talwärts zeigt dabei: Wie an vielen Orten im Berggebiet erfüllt der Wald eine wichtige Funktion, indem er Dörfer und Strassen vor Lawinen, Steinschläge und Erdrutschen schützt. Die Weg-Passage oberhalb von Ritzingen liefert per Audio-Files mehr Informationen zu diesem Thema.

www.goms.ch

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