Achtsamkeitstrail Seetal – das Jetzt lieben lernen

Im letzten Jahr wurde im Aargauer Seetal der erste Achtsamkeitstrail der Schweiz eröffnet. Acht Posten laden dazu ein, im Hier und Jetzt zu verweilen.

Christian Bauer

Es ist das Kostbarste, das wir besitzen: das Jetzt. Die Vergangenheit ist kaum mehr als eine Erinnerung und die Zukunft existiert nur in unseren Gedanken. Das Leben aber findet jetzt statt. Und jetzt. Und jetzt.

Doch anstatt den Moment zu leben, hängen wir Menschen in einem Gedankenkarussell zwischen Vergangenheit und Zukunft fest. Auf das Gewesene schauen wir mit Wehmut zurück und auf das Zukünftige blicken wir mit Sorgen – während der glücksbringende Augenblick unbemerkt an uns vorbeirauscht. Dass man dieses Dilemma nur mit Übungen und Willensanstrengung überwinden kann, erkannten die Weisheitslehren der Menschheit schon vor Tausenden Jahren. Buddhismus, Christentum, die Stoa oder in heutiger Zeit solche Lehrer wie Eckhart Tolle geben Anregungen für ein Leben, das stärker im Jetzt verwurzelt ist.


Achtsamkeit ist eine Lebenseinstellung
Abgelöst von jeglichem religiösen und spirituellen Überbau hat sich in der westlichen Hemisphäre das Konzept der Achtsamkeit herausgebildet, das man im Englischen mit dem Begriff «mindfulness» bezeichnet. «Achtsamkeit ist das Leben im Hier und Jetzt, ohne zu bewerten», so fasst Jörg Kyburz, Gründer der Akademie für Achtsamkeit und Resilienz in Lenzburg AG, das Konzept zusammen. Kyburz, der den Weg zur Achtsamkeit aufgrund eines Schicksalsschlages fand, lebt seit nunmehr 16 Jahren nach deren Prinzipien – und fand eine neue Lebensqualität. Nach einer düsteren Krebsdiagnose pilgerte der ehemalige Polizist auf dem Jakobsweg, wo er mit den Ideen der Achtsamkeit in Berührung kam. Seine Lebenseinstellung fasst der 62-Jährige folgendermassen zusammen: «Ich bin es mir wert, mir Sorge zu tragen.» Allerdings kommt diese Lebensfreude mit einem «Haken» daher: Wer achtsam leben will, muss üben, üben, üben. Um Menschen den Zugang zu einem achtsamen Leben zu erleichtern, gründete Kyburz zunächst die Akademie für Achtsamkeit und realisierte im Auftrag von Seetal Tourismus im letzten Jahr den ersten Achtsamkeitstrail der Schweiz.


Erster Achtsamkeitstrail der Schweiz
Durch das liebliche Aargauer Seetal, durch Wiesen und Wälder und über sanfte Hügel mit weiten Blicken, schlängeln sich zwei Routen, die sowohl mit dem E-Bike, dem Velo als auch zu Fuss bestritten werden können: ab Lenzburg bis zum Hallwilersee (31 Kilometer) und um den Baldeggersee (44 Kilometer). An je vier Posten, liebevoll als «Raststätten zum kleinen Glück» bezeichnet, laden Übungen dazu ein, sich auf das Jetzt zu besinnen. Da gilt es, sich auf den Atem zu konzentrieren, barfuss dem Untergrund nachzuspüren oder ein Kunstwerk aus Naturmaterialien zu erschaffen – oder aus Flusskiesel ein Steinmännchen aufzuschichten, was durchaus frustrierend sein kann. Aber wie lautet die grundlegende Prämisse der Achtsamkeit? Die Situation ohne Bewertung annehmen. Gar nicht so leicht, wenn die Steine immer wieder herunterrutschen. Also: Neuen Kiesel suchen, langsam auflegen, vorsichtig bewegen, alles Störende ausblenden. Umso grösser die Freude, wenn man es schlussendlich geschafft hat. Doch das Ergebnis ist beim Steinmannlibauen nebensächlich, das Aufschichten der runden Kiesel ist ein Hilfsmittel, um im Moment anzukommen – Freuen darf man sich über seine Leistung natürlich trotzdem. Jede der acht Übungen regen zudem zum Nachsinnen an, während man durch die Bilderbuchlandschaft des Seetals radelt. Bei den Steinhaufen ist es die Dankbarkeit. Mit jedem Stein soll man sich eine Situation in Erinnerung rufen, für die man dankbar ist. «Die Steinmannli sind eine meiner liebsten Posten», so Kyburz. «Denn der Ort verändert sich durch die vielen Besucher*innen ständig.»

 

Insgesamt acht Posten laden zum Verweilen ein.


Jörg Kyburz, Gründer der Akademie für Achtsamkeit und Resilienz in Lenzburg AG.


Individuell oder als Gruppe
Der Achtsamkeitstrail kann individuell oder in kleinen Gruppen erlebt werden. Die Übungsanweisungen sind auf Stehlen angebracht, zusätzlich bieten QR-Codes Zugang zu ergänzenden Audiodateien (Handy und Kopfhörer mitnehmen!). Für grössere Gruppen besteht zudem die Möglichkeit, mit einem Achtsamkeitstrainer die Trails zu erkunden, der nebst den angegebenen Übungen noch vertiefende Inputs gibt. Besonders gerne werde das Angebot von Kadergremien angenommen, so Kyburz, die einen Ausgleich zu ihrer stressvollen Verantwortung suchen.

«Wir laden auf dem Achtsamkeitstrail die Menschen ein, den gegenwärtigen Moment wieder schätzen und lieben zu lernen», betont Kyburz. Denn das Leben ist jetzt. Und jetzt. Und jetzt.

www.seetaltourismus.ch
www.aargautourismus.ch

Achtsamkeit für zu Hause – die STOP-Übung

S  – Stop: Halte inne und bringe dich in den gegenwärtigen Moment.

T  – Take a breath: Nimm einen bewussten Atemzug.

O  – Observe: Beobachte deine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen, ohne sie zu bewerten.

P  – Proceed: Entscheide bewusst, wie du handeln möchtest und führe deine Handlungen mit Achtsamkeit aus.

Der Trail kann auch mit dem E-Bike bestritten werden.

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