Wir wollen gefallen. Na und?

Leila Dregger

Freitagabend, Tanzparty. Eine Frauenstimme singt: «Ich bin hier, um zu blühn. Ich bin nicht hier, um dir zu gefallen.» Es ist die Stimme der Berliner Sängerin Dota Kehr. Die Zeilen bleiben mir hängen. Blühen oder gefallen – warum ist das eigentlich ein Gegensatz? Blüten gefallen uns doch auch.

Aber Menschen, die unbedingt gefallen wollen, gefallen uns eher nicht. Doch nur selten können wir – beim Tanzen oder auch sonst – den Gedanken abschütteln: Sieht das auch gut aus? Bin ich attraktiv? Hat der Mensch dort mich gerade angeschaut? Soll ich vielleicht zurück lächeln? Aber vielleicht meint er gar nicht mich. Und schon können wir nicht mehr tanzen.

Nicht nur auf Partys mischt sich dieser Spiessrutenlauf in die Freude. Auch im sonstigen Leben – im Job, in der Schule, in jedem menschlichen Zusammensein und vor allem beim Flirt – sind wir mehr oder weniger bewusst damit beschäftigt, anderen gefallen zu wollen. Auch wenn es nervt: Wir sollten darüber nicht allzu hart urteilen. Wir Menschen sind keine Inseln. Wir brauchen einander, suchen Anerkennung, Bestätigung, Liebe, Kontakt. Für den Aufbau eines sozialen Miteinanders war das evolutionär durchaus sinnvoll.

Doch wenn das Gefallen-Wollen in ein Gefallen-Müssen rutscht, dann hindern uns Gefallsucht und Anpassungsdruck daran, wir selbst zu sein. Und ohne Kontakt zu uns selbst geht auch der Kontakt zu anderen schief. Jeder Schritt geschieht dann vor den – eingebildeten oder tatsächlichen – superkritischen Blicken aller. So wie wir auch selbst die anderen superkritisch beäugen. Scham, Peinlichkeit und das vergebliche Bemühen um Eleganz machen die flüssige Bewegung schwer. «Der Blick der anderen ist der Tod unserer Möglichkeiten» – so beschrieb der Philosoph Jean-Paul Sartre die Situation.

Natürlich wissen wir: Am besten gefallen wir anderen, wenn wir uns nicht darum bemühen. Am attraktivsten sind wir, wenn wir uns selbst vergessen. Wenn wir ganz von dem absorbiert sind, was wir gerade tun, ob das nun Tanz, Arbeit oder Lernen ist: Das macht uns nicht nur glücklich, sondern auch attraktiv und liebenswert. Dann blühen UND gefallen wir, ganz absichtslos.

Absichtlich absichtlos zu werden … wer soll das schaffen? Und was sagt die Liebe dazu?

Mir sagt sie heute: Es tut gut, jemanden zu haben, dem man gefallen möchte. Es ist besser als all das aufgesetzte coole Desinteresse, mit dem so viele beeindrucken wollen.

Und so schaue ich mich um auf dieser Tanzparty: Gibt es denn jemanden, dem ich gefallen möchte? Wer gefällt mir denn? Wenn ich so schnell niemanden finde, ist es vielleicht ein geliebter Mensch, der gerade nicht hier ist. Und ich tanze, erstmal mit geschlossenen Augen, ganz im Stillen für diese Person. Ich spüre im Geiste ihren wohlwollenden Blick auf mir, ich bade darin, ich dehne mich aus, meine Bewegungen werden mutiger, und ich beginne, aus meinem Inneren heraus zu tanzen. Ich erkenne: In den Augen der Liebe gibt es keine Peinlichkeit. Auch keinen Vergleich mit anderen. Auch eine ungelenke Bewegung ist einfach das, was ich jetzt bin.

Und dann öffne ich wieder die Augen – und jetzt ist es kein Spiessrutenlauf mehr. Sondern ein Ich in einem Raum mit anderen Ichs, bereit, Kontakt aufzunehmen, bereit ein Wir zu werden. Und dann blühen wir gemeinsam.

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