Friedensräume in der Liebe

Wer bist du – wer bist du wirklich – hinter all deinen Masken und Rollen?», fragte Marlon Brando seine Filmpartnerin Faye Dunaway in dem hübschen alten Hollywood-Film «Don Juan de Marco» – nach etlichen Jahren Film-Ehe. Sie will abwehren, er bleibt bei der Frage, und schliesslich sagt sie unter Tränen: «Ich dachte schon, du fragst nie.»


Eine Beziehung hat meistens schon viele Phasen durchlaufen – Verliebtsein, Alltag, Enttäuschungen, Neuanfänge – bevor wir wissen wollen, wer der andere wirklich ist, jenseits unserer Bedürfnisse, Sehnsüchte, Erwartungen. Wenn die Filme gegenseitiger Projektionen abgedreht sind, wird sich ein Paar entweder trennen – oder tiefer gehen wollen. Und das könnte mit Marlon Brandos Frage beginnen: Wer bist du?

Ein Instrument, das helfen kann, die gewohnten Gesprächs- und Umgangsformen zu verlassen, ist das so genannte Zwiegespräch. Es eignet sich auch bei Konflikten, um die Position des Gegenübers wirklich zu verstehen.

Was man braucht, ist eine Stoppuhr, einen ungestörten Raum und Zeit. Die Regel ist einfach: Ihr macht eine bestimmte Zeitspanne aus. Beginnt mit fünf oder zehn Minuten – für den Anfang schon ganz schön lang. Für Fortgeschrittene kann es dann bis zu eine Stunde gehen. Eine spricht, der andere hört zu. Danach wird gewechselt. Jetzt spricht er, sie hört zu. Und – wenn gewünscht – noch einmal und noch einmal.

Es ist erstaunlich, was diese einfache Regel bewirkt: Wenn wir nicht auf unser Gegenüber reagieren müssen, ihn weder bestätigen noch ihr widersprechen sollen, konzentrieren wir uns aufs Zuhören. Und wenn wir nicht unterbrochen, korrigiert, bestätigt werden, beruhigt sich etwas in uns – unser Herz wird zum Massstab, und wir können aus Verbundenheit sprechen. So wird ein Gespräch von einem Pingpong – wer hat Recht, wer hat die besseren Argumente? – zu einem Friedensdialog.  Der Schlüssel ist das Zuhören: Mach dich ganz offen für die Position deines Gegenübers. Auch wenn er deiner Meinung nach völlig falsch liegt: Bezwinge deinen Wunsch zu korrigieren oder zu widersprechen, auch zu bestätigen. Denn darum geht es nicht. Wenn möglich, haltet den Blickkontakt, vielleicht auch Körperkontakt. So entsteht eine Gemeinsamkeit über die Worte hinaus.

Ist einer fertig, bedankt sich die andere. Eine Zusatzregel ist vor allem bei Konflikten sehr hilfreich: Bevor man selbst spricht, wiederholt man die Essenz des Gehörten, und zwar ohne Wertung. Einfach um zu erkennen, was wirklich angekommen ist. Ich kann gar nicht genug sagen, wie sehr bereits diese Praxis eine Erleichterung in einem Konflikt schafft, die Erkenntnis: Ich wurde verstanden! Ich muss nicht mehr kämpfen.

Es gibt das Sprichwort: Ein Feind ist jemand, dessen Geschichte wir noch nicht kennen. Durch Zuhören können wir Feindschaft – und das gibt es auch in einer Beziehung manchmal – in Erkennen und Liebe wandeln. Durch Zuhören entdecken wir Neues im Geliebten – und lernen ihn als eigenständiges Wesen kennen. Eine tiefere Liebe wird möglich, und vielleicht sagt ihr euch wie Faye Dunaway: «Ich dachte schön, du fragst nie.» 

Leila Dregger ist Journalistin und Buchautorin. Sie begeistert sich für gemeinschaftliche Lebensformen, lebte u. a. über 18 Jahre in Tamera, Portugal, sowie in anderen Gemeinschaften. Am meisten liebt sie das Thema Heilung von Liebe und Sexualität sowie neue Wege für das Mann- und Frau-Sein.

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