Über das Meditieren, mehr oder weniger

Mary Oliver (1935 – 2019)

Wie ich hörte, gelingt das Meditieren am besten,
wenn man eine bestimmte feste Position einnimmt.
Ich ziehe es vor, unter einem Baum zu lungern.
Warum also sollte es mir jemals gelingen?

An manchen Tagen schlafe ich ein – oder lande
an einem besseren Ort, im Halbschlaf, wo die Welt
mit Frühling, Sommer, Herbst, Winter –
durch meinen Geist fliegt in ihrem
kühnen Aufstieg und ihrem kompromisslosen Abstieg.

Ich liege bloss da, während Raum und Zeit
ihre wahren Eigenschaften enthüllen: sie haben nie
von mir gehört, sie werden es und brauchen es auch nicht.

Natürlich wache ich am Ende auf
und denke, wie wunderbar ist es, ich zu sein,
aus Erde und Wasser erschaffen,
meine eigenen Gedanken, meine Fingerabdrücke –
all dies herrliche, vergängliche Zeugs.


Quelle

Sag mir, was hast du vor mit deinem wilden, kostbaren Leben. Gesammelte Gedichte – Mary Oliver. Diogenes, 2023. ISBN 978-3-257-07262-4

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