DIE ERSTE ROSE
Wenn die erste Ros’ erblüht’
Jahr für Jahr im Garten,
War ein Läuten im Gemüt,
Mocht’ es kaum erwarten.
Machte sie von Dornen rein,
Schnitt sie tief vom Strauche,
Schenkte sie der Liebsten mein,
Hatt’ es so im Brauche.
In den Augen lag es schon,
Und von zarten Lippen
Nahm ich meinen süssen Lohn,
War ein herzlich Nippen.
Wieder blüht die Rose rot.
Kann nur schwer es fassen,
Dass, o weh, mein Lieb ist tot.
Hat mich längst verlassen.
Doch es lebt in meinem Sinn,
Nach gewohntem Brauche
Muss ich zu der Rose hin,
Brechen sie vom Strauche.
Trag sie in mein Kämmerlein
Zu dem holden Bilde,
Schau ins liebe Aug hinein,
Und es lächelt milde.
1. Juni 1952, loses Blatt
Louis Gut | Wolkenschäume
Natur- und politische Gedichte des Bauernpoeten