Mutmacher und pflanzliches Antibiotikum
Das mediterrane Würzkraut Thymian ist Räucherstoff, Lungenheilmittel und Virenkiller in einem. Er hilft bei allen Erkrankungen der Atemwege.
Yves Scherer

Seit über einer Woche plagt mich ein hartnäckiger Husten. Bisher habe ich nicht viel unternommen, um ihn loszuwerden. Aber jetzt reicht es mir. Es ist Zeit für ein zuverlässiges Heilmittel – es ist Zeit für Thymian! Ich fülle ein sauberes Konfitürenglas bis zur Hälfte mit heissem Wasser und gebe einen einzigen Tropfen ätherisches Thymianöl dazu, verschliesse das Glas und schüttle es gut durch. Das scharf schmeckende Thymian-Wasser trinke ich zweimal täglich und am Abend des zweiten Tages ist mein Husten verschwunden. Dieselbe Anwendung empfahl ich einst einer Nachbarin, die seit längerem an einer Lungenentzündung litt. Eine Antibiotikatherapie war leider erfolglos geblieben und im Lungengewebe hatte sich bereits Wasser angesammelt.
Die Dame wollte es jetzt mit dem ätherischen Öl des Thymians versuchen und nahm zweimal täglich einen Tropfen davon ein. Nach kurzer Zeit stellte sich eine signifikante Besserung der Entzündungswerte ein und bald darauf war auch kein Wasser mehr in der Lunge nachweisbar.

Thymian mag es heiss und trocken
Der Echte Thymian oder Gewürz-Thymian gehört zur Pflanzenfamilie der Lippenblütler (Lamiaceae) und stammt aus dem westlichen Mittelmeerraum. Sein medizinischer Gebrauch in Mitteleuropa ist seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesen. Der im unteren Bereich verholzte, ausdauernde Halbstrauch liebt sonnige, trockene Standorte auf kalkhaltigem Boden und kann auch in höheren Lagen angebaut werden. Die kleinen, lila bis rosa gefärbten Blüten sind eine wertvolle Bienenweide. Mehrjährige Pflanzen können im Früh- und Spätsommer durch einen Schnitt 10 bis 12 cm über dem Boden geerntet werden. Eine zu späte Ernte im Herbst verringert das Überwinterungsvermögen. Der in der Schweiz einheimische Feld-Thymian, wilde Thymian oder Quendel (Thymus serpyllum) wächst gerne auf sandigen und steinigen Magerwiesen und in lichten Föhrenwäldern. Medizinisch wird er genau gleich verwendet wie der Echte Thymian. Aufgrund des hohen Gehalts an ätherischen Ölen besitzen alle Thymiane einen sehr aromatischen, leicht scharfen Geschmack. Als Würzkräuter sind sie deshalb in der mediterranen Küche äusserst beliebt.

Der Mutmacher
Der wissenschaftliche Name einer Pflanze besteht immer aus zwei Wörtern. Der erste Teil des Namens bezeichnet die Gattung, der zweite Teil die Art. Der wissenschaftliche Name des Thymians lautet Thymus vulgaris. Das Wort Thymus ist verwandt mit den griechischen Begriffen thyein = räuchern, thyo = den Göttern ein Opfer darbringen und thymos = Mut/ Kraft. Das Artepitheton vulgaris bedeutet «gewöhnlich ». Thymian und Quendel sind seit dem Altertum bekannte Räucherstoffe, die oft zum Schutz vor Ansteckung verwendet wurden. Der Duft soll ausserdem das innere Feuer wecken, das Selbstvertrauen stärken und Mut machen. Einige Tropfen des ätherischen Öls in einer Duftlampe oder geräuchertes Thymiankraut unterstützen Kinder, die sich wenig zutrauen, schüchtern sind und sich nicht gut abgrenzen können.
Heilmittel für Bronchien und Lunge
Thymian ist eine Heilpflanze, die bei allen Erkrankungen der Atemwege und der Lunge eingesetzt werden kann. Der Genuss des Tees oder das Inhalieren des ätherischen Öls desinfiziert die Mund- und Rachenschleimhaut bei Erkältungskrankheiten, bronchialem Katarrh und Grippe. Eine hervorragende Kombination für Dampfinhalationen bei Nasennebenhöhlenentzündung ist Thymian-Latschenkiefer-Minze (Rätsch). Thymian löst festsitzenden Schleim, lindert den Hustenreiz, wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd. Bei spastischer Bronchitis, Keuchhusten und Asthma entkrampft und beruhigt er die Bronchien. Zusätzliche äusserliche Anwendungen wie feuchtheisse Umschläge mit zerdrücktem Thymiankraut oder auf Brust und Rücken aufgetragenes, warmes Olivenöl mit einem Tropfen ätherischem Thymianöl verstärken die bronchospasmolytische Wirkung. Weitere Anwendungsmöglichkeiten liegen im Bereich von Magen-Darm-Erkrankungen wie unspezifischen Verdauungsstörungen, Magenschleimhautentzündung oder Appetitlosigkeit. In sehr hohen Dosen kann Thymian zu leichten Vergiftungen führen oder einen Abort auslösen (siehe Kasten).

Ein pflanzliches Antibiotikum
Dank seiner antibiotisch wirksamen Inhaltsstoffe unterstützt Thymian die Abwehrkräfte des Körpers. Thymol und Carvacrol, die beiden Hauptkomponenten des ätherischen Öls, können Bakterien, Viren und Pilze abtöten. Infektiöse und eitrige Hauterkrankungen können mit einem starken Thymiantee gewaschen werden – auch bei Kleinkindern und Säuglingen. Untersuchungen an der Metropolitan-Universität Leeds konnten zeigen, dass eine Waschung mit verdünnter Thymiantinktur ein effektives Mittel gegen Akne ist. Anders als viele gebräuchliche Anti-Akne- Cremes oder Waschgels verursacht Thymian-Tinktur keine Hautirritationen. Thymian-Tinktur und das ätherische Öl können auch bei Pilzerkrankungen helfen, beispielsweise in einem Fussbad bei Fusspilz. Ausserdem ist Thymian eines der ganz wenigen Mittel, die als Badezusatz eine Besiedelung durch MRSABakterien (multiresistente Staphylococcus aureus) auf der Haut drastisch reduzieren und so eine gefürchtete antibiotikaresistente Infektion eindämmen können.
Antibiotisch wirksame Heilpflanzen (Phytobiotika) wie der Thymian bieten sich nicht nur bei vermeintlich harmlosen Infekten an, sondern auch dann, wenn eine Therapie mit pharmazeutischen Antibiotika erfolglos bleibt. Wenn Phytobiotika bei nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen routinemässig eingesetzt würden, könnte sich die Resistenzbildung von pathogenen Keimen verlangsamen. Das wäre eine gute Nachricht für den Erhalt der Wirksamkeit von antibiotischen Medikamenten, auf die wir in Notsituationen angewiesen sind.
Ob als Heilmittel gegen zähen Husten, als Tonikum für die Lunge oder als immunstärkendes Phytobiotikum – der Thymian gehört bei mir auf jeden Fall in die Hausapotheke und ich war schon oft dankbar für seine umfangreichen Heilkräfte. Deshalb mein Rat an Sie: Pflanzt Thymian! Er braucht nicht viel Platz, ein Balkonkistchen reicht völlig.

Anwendungstipps
Abwehrstärkender Thymiantee
1,5 TL frisches oder 1 TL getrocknetes Thymiankraut mit einer Tasse heissem Wasser übergiessen und bedeckt 5 Min. ziehen lassen. 3–4 mal täglich 1 Tasse heiss trinken und evtl. mit Honig süssen.
Sinnvolle Kombinationen:
- antiviral: Holunderblüten, Majoran, Johanniskraut, einjähriger Beifuss, Gelbwurz/Kurkuma
- schweisstreibend bei Fieber: Holunderblüten, Lindenblüten
- schmerzlindernd und fiebersenkend: Mädesüss (blühendes Kraut), Weidenrinde
- hustenreizlindernd: Huflattichblätter, Königskerzenblüten, Alantwurzel, Süssholzwurzel
- auswurffördernd: Anis (Früchte), Schlüsselblume (Blüten und Wurzel), Efeublätter
Hustensaft (Thymian-Oxymel)
Phytobiotikum bei Atemwegserkrankungen
Zutaten: 500 g Honig, 250 ml Apfelessig, 3–4 EL frischer oder getrockneter Thymian
Zubereitung: Apfelessig im Wasserbad erwärmen und den Honig darin auflösen. Die warme Flüssigkeit in ein sauberes Konfitürenglas füllen, den Thymian hinzugeben, verschliessen und am Schatten ausziehen lassen. Täglich schütteln. Nach zwei Wochen absieben, in eine Flasche füllen und etikettieren. Bei Raumtemperatur ist Oxymel mehrere Monate lang haltbar.
Anwendung: Bei einem grippalen Infekt oder zur Vorbeugung mehrmals täglich 1–2 EL Oxymel einnehmen.
Desinfizierende Waschung bei infektiösen Hauterkrankungen
2–3 EL frisches oder getrocknetes Thymiankraut mit 1 Lt. heissem Wasser übergiessen, 10 Min. ziehen lassen und zusätzlich einen Tropfen ätherisches Thymianöl hinzugeben. Die betroffene Stelle mit dem lauwarmen Tee waschen oder darin baden.
Vorsicht bei der innerlichen Anwendung von ätherischen Ölen
Ätherische Öle sind hochkonzentrierte Heilmittel, die im Allgemeinen äusserlich angewendet werden. Die im Beitrag beschriebene innerliche Anwendung schildere ich deshalb, weil die verantwortungsvolle Einnahme eines einzigen Tropfens bei einer erwachsenen Person in Ausnahmefällen gerechtfertigt und überaus wirkungsvoll ist. Kinder und Jugendliche dürfen ätherische Öle nicht einnehmen.