Innenschau und Wandlung

Kategorie: Heilpflanze


Die Rosskastanie ist ein Baum der Fülle, der Klarheit und des goldenen Lichtes. Sie ist eine treue Wegbegleiterin, die uns hilft, nach innen zu schauen und das eigene Leben immer wieder liebevoll zu reflektieren.



Der September ist der Monat der Ernte. Wir ernten, was wir im Frühling und Sommer gesät haben und bereiten uns auf die Zeit der Stille vor. Das Herbst-Äquinoktium, besser bekannt als Herbst-Tagundnachtgleiche, am 21./22. September ist das Gegenstück zum Frühlingsanfang; es steht genau zwischen «Lughnasad» (1. August) und «Samhain» (31. Oktober). Die beiden Tagundnachtgleichen sind Schwellenfeste, an denen Tag und Nacht genau gleich lang sind, sich die Waage halten. Wenn man den Jahreskreis auf den Tag überträgt, dann entsprechen diese Feste dem Beginn der Dämmerung oder des Sonnenuntergangs. Es sind also Zwischenzustände zwischen Tag und Nacht.


Während sich die Frühlings-Tagundnachtgleiche eher auf die Fruchtbarkeit des Bodens konzentriert, ist es bei der Herbst-Tagundnachtgleiche eher die Konzentration auf die geistige Fruchtbarkeit. Für mich beginnt damit die dunklere, kältere Jahreszeit, in der die Stille langsam wieder einkehren darf. Es beginnt nun die Zeit der Dankbarkeit und Regeneration, der Ruhe und des Abschieds: Abschied vom Sonnenlicht, von der Blütenpracht und allgemein von der Fülle der Natur – und auch von so manchem, was bisher selbstverständlich war. Veränderungen stehen an. Wenn die Speicher im Innen und Aussen gut gefüllt sind, kann ich genährt und voller Vertrauen den Wintermonaten entgegenblicken.

Der Kastanienbaum im Jahreszyklus

Es gibt drei Momente im Jahr, in denen die Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) meine Aufmerksamkeit auf sich zieht: Im wunderbaren Maien, wenn ihre imposanten, stark duftenden Blütenstände sich in voller Pracht dem Frühlingshimmel entgegenstrecken; in der sommerlichen Hochzeit, in der ihre grossen, gefingerten Blätter wertvollen Schatten spenden; und im goldenen Herbst, wenn die herunterfallenden Früchte, die Kastanien, den Winter einläuten.


Mit ihren glänzend braunen, stachelig umhüllten Früchten erfreut die Rosskastanie Gross und Klein. Viele Leserinnen und Leser dürften sich an die eigene Kindheit erinnern, als sie mit grossem Eifer die «Chestelen» gesammelt haben und damit lustige oder gfürchige Zahnstocher-Kastanientiere und -monster gebastelt oder Kugelbahnen und Wurfspiele gemacht haben. Weniger bekannt ist eine magische Verwendung der Kastanien: Sie werden in ungerader Zahl (!) als Amulett, meist im Hosensack, getragen zum Schutz vor Krankheiten, insbesondere Rheumatismus, Gicht und Schwindel; wer Kastanien mit sich trägt, nimmt darüber hinaus beim Fallen keinen Schaden.


Die Rosskastanie hat aber weit mehr zu bieten, als ihre Früchte. Sie ist ein äusserst symbolträchtiger Baum, der mir einiges zu erzählen hat, wenn ich ihn im Jahresverlauf betrachte. Als Erstes fällt die herrschaftliche Gestalt und die Ausprägung des Holzes auf, dann die vielen Blätter mit ihren festen, langen und harten Stängeln, die wie eine menschliche Hand mit fünf Fingern aussehen. Imposant auch die überschwängliche Blütenpracht mit den kerzenförmigen, grossen Rachenblüten, die mal weiss mal rosa leuchten im grünen Wald. Und dann zu Beginn des Herbstes die glänzend runden Samenfrüchte, die aus der stacheligen Hüllen platzen und vielen Erdbewohnern stärkereiche Nahrung bieten.



«Das wahre Glück lebt aus mir selbst heraus und ich kann meine Mangelzustände von innen her auflösen.»




Eine weise Begleiterin

Es ist imposant, welche Kraft in der Zeit der Fruchtbildung diesen Baum regiert! Ich setzte mich hin, lehne mich an den Stamm, schliesse meine Augen und überlasse mich der Gelassenheit dieses Baumes. Mein innerer Blick hebt mich aus der Normalität des Alltags heraus. Zuerst blitzen die Worte Gerechtigkeit, Gelassenheit, Balance und Entspannung auf. Danach bewege ich mich, einer Zeitreise gleich, in die Vergangenheit. Ich bekomme die Möglichkeit, zwei Lebensabschnitte aus der Perspektive der Drittperson zu betrachten: Ich sehe mich in einer Situation der Aufopferung, die so weit geht, dass mein Wohlergehen darunter leidet und ich mich selbst vergesse; in einer anderen Rückblende sehe ich mich, wie ich die zur Gewaltbereitschaft habe, wenn ich Ungerechtigkeit erkenne. Es sind zwei Entwicklungsschritte, die Härte, Unausgeglichenheit und Mitleid zeigen, weit entfernt vom Zustand des Mitgefühls, das ich zu leben versuche. Nur kurz taucht das Bild der glänzenden Frucht auf, wie sie aus der stacheligen Hülle springt – und schon beginnt sich in mir eine wohlige Wärme auszubreiten. Ein intensives, tiefes Gefühl zeigt mir auf, dass ich es schaffen werde, diese harten Tendenzen, die ich immer noch mit mir trage, Schicht um Schicht aufzuweichen. Diese Gewissheit vermittelt Geborgenheit und lässt in mir das Urvertrauen wieder aufleben. Und schon steigen Bilder der vielen glücklichen Momente meines Lebens in mir hoch. Ich werde daran erinnert, dass das wahre Glück schlussendlich aus mir heraus lebt und ich meine Mangelzustände, die sich in verschiedenen Verhaltensformen äussern, von innen her auflösen kann.


Das Wesen Rosskastanie unterstützt mich darin, mich selbstkritisch zu betrachten und daraus meine Schlüsse zu ziehen. Auf diese Weise erlange ich die Möglichkeit, angemessener, kreativer aus den Emotionen heraus zu agieren. Das Wesen Rosskastanie weist mir also einen Weg, mich von diesen Verhaltensmustern zu verabschieden; es hilft mir, mit Themen der Gerechtigkeit und Aufopferung einen konstruktiveren, vielleicht sogar spielerischeren Umgang zu finden.


Ausserdem verrät mir die Gestalt der Rosskastanie eine starke Präsenz des Jupiters. Diese Kraft steht für den Geist der Weisheit und den Glauben an das Gute und die Ganzheit. Der Jupiter ist das Symbol des Vorwärtsstrebens, des Drangs nach Veränderungen, neuen Erkenntnissen und Idealen. Diese Kraft spornt mich zu Höchstleistungen an und gibt mir den Mut, mein Leben immer wieder neu zu erfinden; und damit die Möglichkeit, mir eine optimistische Zukunft zu erträumen und aktiv zu gestalten. Mir wird immer klarer, dass nur eine bewusst beseelte Arbeit und ein bewusst beseeltes Leben optimale Ergebnisse hervorbringen können.


«Die Rosskastanie lässt uns das Wesentliche erkennen und schützt uns vor Überheblichkeit, Prunksucht und Berechnung.»

Wertvoll für Venen und Muskeln

Beide Energien, das Baumwesen und die Planetenkraft, wirken zentrierend und fokussierend. Sie lassen uns das Wesentliche erkennen und schützen uns vor Überheblichkeit, Prunksucht und Berechnung. In den runden, harten und angeschwollenen Früchten erkenne ich das Thema Verhärtung. Deshalb verwende ich die Kastanien, um verhärtende Muster zu durchbrechen und aufzuweichen. Auch bei Schwellungen, zum Beispiel nach Verstauchungen, Prellungen oder Operationen, wirkt ein Rosskastanien-Gel beruhigend und heilend. Die Tinktur der Frucht hingegen hilft bei Durchblutungsstörungen, Arteriosklerose, Venenerkrankungen, schweren oder geschwollenen Beinen, Ödemen, Hämorrhoiden und Wadenkrämpfen. Selbst bei Rheuma, Gicht, Nervenschmerzen, Ischias, Rücken- und Gelenkschmerzen sollte man an die Rosskastanie denken.


In den grossen Blättern gibt sich die zu den Seifenbaumgewächsen zählende, bis zu 20 Meter hohe Rosskastanie auch als Lungenmittel zu erkennen: Blüten, Blätter und Früchte wirken schleimlösend, auswurffördernd und stärkend. Man kann sie deshalb bei Erkältungen und Husten einsetzen. Auch bei allgemeinen Hautproblemen, Bindehautschwäche, Ekzemen, Geschwüren, Wangenrötung oder Wunden kann ein Teesud, ein Ölauszug, eine Tinktur oder das -Samenpulver sehr hilfreich sein. Das Samenpulver stellt man aus den geschälten, getrockneten und pulverisierten Kastanien her und nimmt zweimal täglich eine Messerspitze davon ein.


Von der Rinde über das Blatt und die Blüte bis hin zur Frucht finden sämtliche Bestandteile der Rosskastanie eine Verwendung in der traditionellen Volksheilkunde. Alle Teile innerlich und äusserlich angewendet, haben die gleichen Einsatzgebiete und Wirkungen. Einzig bei der Rinde und den Früchten sollte man vorsichtig sein: Bei unsachgemässer innerlicher Anwendung kann es zu Reizungen, Sodbrennen und Erbrechen führen.




Natürliches Waschmittel aus Kastanien




Das Rosskastanien-Waschmittel kann wie ein konventionelles Flüssigwaschmittel verwendet werden. Es ist sehr effizient, kostet nichts ausser etwas Zeit und ist zudem umweltfreundlich. Die Wäsche wird sauber und macht einen Weichspüler unnötig.

Rezept für ein bis zwei Waschgänge


Man sammle acht Kastanien und hacke sie in kleine Stücke. Bei einer Weisswäsche sollte man die dunklen Schalen vorab entfernen. Je kleiner die Stücke, desto schneller bildet sich die Waschlauge.


Die zerkleinerten Stücke gebe man in ein grosses Schraubglas und übergiesse sie mit 200 bis 250 ml kochendem Wasser. Nun lässt man das Ganze acht Stunden ziehen. Durch das Einweichen lösen sich die in der Kastanie enthaltenen fettlösenden Saponine, die zu den Seifenstoffen gehören.


Nach der Einweichzeit füllt man das milchige, schaumige Wasser in eine Flasche ab – fertig ist das selbstgemachte Waschmittel. Es ist im Kühlschrank eine Woche haltbar. Wer mag, kann man ein paar Tropfen ätherisches Öl hinzufügen.






Steven Wolf hat schon als Kind von seiner Grossmutter altes Pflanzenwissen gelernt und weiss um die Kraft der Natur mit all ihren sichtbaren und unsichtbaren Wesen. Er lebt im Jurtendorf in Luthernbad, wo er zusammen mit seiner Partnerin ganzheitliche Pflanzenkurse für interessierte Menschen durchführt.


www.pflanzechreis.ch




Fotos: zvg | mauritius-images.com | istockphoto.com


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