Die Ringelblume ist eine unserer ganz grossen Heilpflanzen. Wundheilmittel der ersten Wahl, Infektionsschutz, Krebsvorsorge und Grundsubstanz der Naturkosmetik – Calendula kann fast alles.
Yves Scherer
Unverwüstlich erscheint die Ringelblume jedes Jahr von selbst in unserem Garten. Wie hundert kleine Sonnen leuchten ihre Blüten intensiv gelb- und orangefarben zwischen den anderen Pflanzen hervor. Ich ernte sie, indem ich den Stängel unterhalb des Blütenbodens fasse und die ganze Blüte mit dem Daumennagel abknipse. Ein leicht harziger Duft macht sich bemerkbar. Auch wenn sehr bald wieder neue Blüten erscheinen werden, habe ich doch so grossen Respekt vor dieser Blume, dass ich nie alle auf einmal ernte.
Ich lernte die Ringelblume (Calendula officinalis) nach der Geburt unseres ersten Kindes kennen. Irgendwie gehört diese hübsche Blume einfach dazu, wenn ein Baby gepflegt wird. Calendula ist die Kosmetikerin unter den Heilpflanzen – heilsam wie das Licht der Sonne und dabei so sanft wie Babyhaut. Die Ringelblume gehört zur grossen Familie der Korbblütler (Asteraceae). Sie blüht von Juni bis Oktober. Manchmal finde ich vereinzelte Blüten noch mitten im Winter. Wenn die Pflanze verblüht ist, bilden die Samen einen eingekrümmten Ring. Anfangs noch hellgrün, färbt sich der Fruchtstand mit zunehmender Reife dunkelbraun.
Typisch für die Ringelblume:
die fein gezähnten Spitzen der Kronblätter.
Namen und Signatur
Die eingekringelte Form der Samen verlieh der Pflanze den Namen «Ringelblume». Die lateinische Bezeichnung Calendula stammt vom Begriff «calendis» (= Monate) und wurde ihr zuteil, weil sie viele Monate lang blüht. Der Namenszusatz officinalis verweist auf das «Offizin», die Werkstatt der Apotheker*innen. Alle Pflanzen, die diesen Namenszusatz tragen, sind traditionelle Heilpflanzen. Im Mittelalter kannte man sie unter dem Namen «Sponsa solis» (= Sonnenbraut). Andere alte Namen sind: Ringelrose, Gelringle, Goldblume, Sonnenwendblume, Liebfrauenblume, Wucherblume und viele mehr.
In der Antike und im Mittelalter wurden aus der Ringelblume Zaubertränke hergestellt, um die Liebe zu fördern. Die Pflanze war der Göttin Freya und später Maria geweiht. Als Heilpflanze der Frauen und der Liebe symbolisiert die goldene Blume Anmut, Schönheit, Treue, Schutz in der Liebe und in der Ehe. Eine weitere schöne Symbolik zeigt sich im Brauch, die Ringelblume auf Gräber zu pflanzen. Das stark wuchernde Kraut wird mit der Wiedergeburt assoziiert. Hinweise dafür sind die ladinische Bezeichnung «Ciof di morc» und der gleichbedeutende Name «Totenbleaml». Als Abbild der Sonne verkörpert die Ringelblume göttliches Heil, Trost, Erlösung nach dem Tod und ewiges Leben.
Die goldgelben Blüten öffnen sich nur bei Sonnenschein.
Eine Heilpflanze mit langer Tradition
Wegen ihres breiten Wirkspektrums und der guten Verträglichkeit ist die Ringelblume eine universell einsetzbare, zuverlässige und sichere Heilpflanze. In der Volksheilkunde tief verwurzelt, darf sie in keinem Bauerngarten fehlen. In der alpinen Volksheilkunde wurde die Ringelblume unter anderem zur Behandlung von Lebererkrankungen angewendet. In der Steiermark kennt man die Pflanze deswegen auch unter dem Namen «Gelbsuchtröserl».
Im Blütenboden liegt die grösste Konzentration von Wirkstoffen. Für sämtliche Ringelblumen-Anwendungen werden deswegen die ganzen Blüten verwendet. Sie enthalten Flavonoide, Carotinoide, Triterpenalkohole, ätherische Öle, Cumarine, Pflanzenschleim, Allantoin, Saponine, Bitterstoffe und Salicylsäure. Innerliche Anwendungen wirken entzündungshemmend, antibakteriell, antiviral, immunstimulierend, antikanzerogen, krampflösend, den Gallenfluss und die Verdauung fördernd. Äusserliche Anwendungen wirken desinfizierend, wundheilend, geweberegenerierend, leicht schmerzstillend, lymphabflussfördernd und pilzhemmend.
Die geringelten Samen verliehen der Pflanze ihren Namen.
Pflegt und heilt die Haut
Ringelblumen-Anwendungen machen die Haut geschmeidig und erhöhen deren Widerstandskraft. Sie verbessern die Durchblutung und den Stoffwechsel der Haut und wirken tief geweberegenerierend. Eine Waschung mit Ringelblumentee, verdünnter Tinktur oder Hydrolat kann bei allen Hauterkrankungen Linderung verschaffen. Das anschliessende Auftragen von Ringelblumenöl oder -salbe versorgt die Haut nachhaltig mit heilenden Wirkstoffen. Das ist besonders wertvoll bei Gewebeschädigungen, die durch eine Bestrahlungstherapie entstanden sind. Zusammen mit dem Stiefmütterchen und dem Gänseblümchen bildet die Ringelblume eine Trias von Hautheilmitteln für Kinder. Die drei Pflanzen können abwechselnd oder als Mischung eingesetzt werden.
Zum Auswaschen und Desinfizieren offener Wunden verwendet man verdünnte Ringelblumentinktur (Wasser:Tinktur = 10:1) oder lauwarmen Ringelblumentee. Für die Versorgung von Hauterkrankungen und Wunden helfen Tee-Kompressen. Die Salbe eignet sich zur Behandlung von Wundrändern, stumpfen Verletzungen, Verbrennungen, Brustwarzen- und Brustdrüsenentzündung, wunden Babypopos und zur Narbenpflege. Besonders bewährt hat sich die Ringelblume zur Behandlung chronischer, schlecht heilender Wunden.
Der Tee lindert Entzündungen der Mundschleimhaut und des Zahnfleisches und kräftigt die Verdauungsorgane. Er unterstützt die Selbstheilungskräfte bei Magenbeschwerden, Durchfall, Lebererkrankungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen und wird sogar zur Vorbeugung gegen Krebserkrankungen empfohlen. Ein geringes allergenes Potenzial birgt der Blütenboden. Die gezupften Blütenblätter hingegen lösen keine allergischen Reaktionen aus. Sie können auch von Menschen verwendet werden, die unter einer Korbblütler-Allergie leiden. In der modernen Phytotherapie wird Calendula ihres grossen Wirkspektrums wegen vielen Teemischungen als Begleitmittel beigegeben. Die Liste möglicher Indikationen ist viel zu lang, um in diesem Artikel umfassend dargestellt zu werden. Ausnahmsweise gilt: Diese Pflanze ist für alles gut!
Anwendungstipps
Zubereitung des Tees
Eine handvoll frische oder getrocknete ganze Blüten mit 1 Liter heissem Wasser übergiessen, 10 Minuten ziehen lassen und über den Tag verteilt trinken. Um die fettlöslichen Carotinoide verfügbar zu machen, dem Tee etwas Pflanzenfett oder Sahne beigeben.
Ringelblumenöl herstellen
Ganze Ringelblumenblüten werden in Olivenöl oder Mandelöl bei Raumtemperatur im Schatten ausgezogen. Ein weithalsiges, dicht verschliessbares Glas mit Blüten befüllen und mit dem Öl vollständig bedecken. Das Glas täglich schwenken. Werden frische Blüten verwendet, sollte das Gefäss regelmässig kurz geöffnet werden, um allfällige Gärgase abzulassen. Nach 3–4 Wochen wird das Öl filtriert und in Braunglasflaschen abgefüllt. Beschriften und datieren nicht vergessen!
Ringelblumensalbe herstellen
Rezept für 100 ml
Zutaten und Zubehör:
100 ml Ringelblumenöl (Rezept siehe oben)
10 g gereinigtes Bienenwachs aus der Drogerie oder Apotheke
je 10–20 Tropfen Ringelblumen- und Propolistinktur
Salbendöschen aus Glas
Topf und Schüssel für Wasserbad
Vorgehen:
1. Salbendöschen mit kochendem Wasser ausspülen und trocknen lassen.
2. Das Ringelblumenöl in die Schüssel geben und im Wasserbad erwärmen,
3. das Bienenwachs hinzugeben und gelegentlich umrühren, bis es vollständig geschmolzen ist. Die Schüssel aus dem Wasserbad nehmen, Tinkturen hinzugeben, nochmals gut umrühren und anschliessend die flüssige Salbe in Salbendöschen füllen und offen auskühlen lassen. Beschriften und datieren.
Hinweis:
Verwenden Sie einen kleinen Holzspatel, um die Salbe aus dem Döschen zu entnehmen. So bleibt das Produkt keimfrei.
Yves Scherer ist Herbalist, diplomierter Naturheilpraktiker und visueller Gestalter. Er unterrichtet Phytotherapie an verschiedenen Fachschulen und bietet eine eigene Ausbildung in Pflanzenheilkunde und Kräuterwanderungen an: www.medizingarten.ch / www.medizinwald.ch