Eine sorgsame Begleiterin

Kategorie: Heilpflanze


Voller Mystik und Symbolkraft schwebt die Mistel hoch über unseren Köpfen in den Ästen der Bäume. In unserem Körper sorgt sie für Ausgeglichenheit und Balance und bringt Licht in die dunkle Jahreszeit.




Wenn der Wind im Herbst die Blätter von den Bäumen weht, richtet sich mein Blick gerne in die Höhe zu den Misteln, die hoch über dem Boden auf den Bäumen zwischen Himmel und Erde leben. Für mich ist die Mistel eine magische Pflanze, eine Meisterin der Zwischenräume. Sie bildet den Schleier zwischen den Welten, ist ein geistiges Wesen der Dämmerung, spannt einen Bogen zwischen Tag und Nacht, Leben und Tod, Traumbewusstsein und Wachzustand. In den Zeiten des Übergangs sind wir besonders empfänglich für Inspirationen aller Art. Deshalb freue ich mich immer auf den Moment, an dem die fallenden Blätter der Bäume den Blick zu den Misteln freigeben. Als immergrüne Pflanze, die dem Winter trotzt, widerspiegelt sie mir ihr verborgenes Licht, das einen Lichtblick in die dunkle Jahreszeit bringt.


Die Mistel (Viscum album) gehört zur Familie der Sandelholzgewächse. Ihr Wesen folgt nicht den normalen Gesetzmässigkeiten der Pflanzenwelt, sondern lebt seine eigenen Regeln und Gesetze. Ihr Wachstum orientiert sich nicht am Licht und auch nicht an der Schwerkraft, wie dies bei anderen Pflanzen der Fall ist. Auch der Stand der Sonne scheint sie nicht sonderlich zu beeinflussen. So wächst die eigenwillige Pflanze zu allen Seiten hin und bildet so eine spannungsverteilende Kugel, die in luftiger Höhe zu schweben scheint. Auch der Reifeprozess erfolgt eher zyklisch: Auf jeder Pflanze findet man stets offene Blüten, grüne Blätter und unreife Beeren. Bis aus der Blütenknospe eine reife Frucht entsteht, dauert es fast zwei Jahre.

Einsatz und Symbolik

Die immergrüne Mistel trotzt dem Winter, der in der Pflanzensymbolik für das Alte und das Alter steht und mit dem Planeten Saturn verbunden ist. Wie andere immergrüne Pflanzen wird auch die Mistel deshalb seit alters her bei lebensabbauenden Prozessen gebraucht; daher ist sie ein wichtiger Bestandteil von guten Lebenselixieren. Dementsprechend brauche ich die Mistel in erster Linie bei Anzeichen von verminderter Lebenskraft und generell bei älteren Menschen – zum Beispiel wenn jemand ständig müde ist, an Blutarmut leidet oder ein schwaches Immunsystem hat; ebenso bei Rheuma und Gicht, aber auch bei Nervenverletzungen, Blasenentzündungen und als Lymphheilmittel. Bei Krebs ist die Mistel eine äusserst wertvolle Begleittherapie.


Die Mistel bringt jedoch auch in vielen anderen Bereichen mannigfaltige Wirkungen mit sich. Sie kann zum Beispiel bei Leberbeschwerden und Milzleiden verwendet werden. Und auch bei allgemein chronischen Krankheiten kann sie eine wertvolle Unterstützung sein, so zum Beispiel bei arteriellen Durchblutungsstörungen, Rheuma, Arthrose oder Gelenksentzündungen. Ebenso bei Problemen mit dem Blutzucker, der Galle, bei Nervenschwäche oder Stoffwechselstörungen aller Art. Die Mistel hat darüber hinaus eine sehr ausgleichende Wirkung. Man erkennt das an ihrem regelmässigen, zweiteiligen Wuchs: Die Blätter stehen sich symmetrisch gegen- über, genau dazwischen befinden sich die unscheinbaren Blüten und später die strahlend weissen Beeren. Dieses ausgewogene Bild, kombiniert mit dem harmonischen, kugeligen Wachstum, hat etwas stark Beruhigendes. Durch die Arbeit mit diesem wunderbaren Pflanzenwesen lehrt die Mistel uns einen gelassenen Umgang mit uns selber und auch mit unserer Umwelt. Sie ermöglicht einen Kontakt zur eigenen, kraftvollen Mitte und sorgt somit für inneres Gleichgewicht und Klarheit. Entsprechend gut reagieren Menschen mit erhöhtem Blutdruck, schnellem Puls und Nervosität auf die Mistel.


«Die weissen Beeren stehen für die Kraft des Mondes und das weibliche Prinzip. Weiss wirkt kühlend, befeuchtend und entgiftend.»

Mit Misteln gegen böse Geister

Aufschlussreich ist auch die Tatsache, dass die Mistel einen Wirt braucht, auf dem sie leben kann. Dabei schadet die Schmarotzerpflanze dem Baum, den sie zum Leben braucht, aber nicht. Dieser Umstand verrät uns eine allgemein immunstärkende, krebswidrige Wirkung. Tatsächlich haben ihre Eiweisse, Kohlenhydrate und Fette starke tumorhemmende Eigenschaften; das gilt auch für gewisse Bakterien, die auf der Mistel leben.


Eine weitere Besonderheit – nämlich die weissen Beeren – weist auf die Kraft des Mondes hin, also auf das weibliche Prinzip. Die Farbe Weiss wiederum wirkt in der Pflanzensymbolik beruhigend, kühlend, befeuchtend und entgiftend. Das heisst, dass eine Wirkung auf die Fruchtbarkeit und die Genitalorgane zu erwarten ist. Neben dem Frauenmantel ist somit auch die Mistel eine wertvolle Heilpflanze bei Frauenbeschwerden aller Art. Sie kann bei Hitzewallungen in den Wechseljahren, Menstruationsbeschwerden, Gebärmutterproblemen wie Blutungen oder Wucherungen helfen und ebenso bei Weissfluss. Die Mistel ist eine wertvolle Heilpflanze zur Regeneration nach der Geburt.


In Zeiten, als die Menschen noch an Hexen und Dämonen glaubten, war die Mistel nicht nur eine wichtige Heil-, sondern auch eine Schutzpflanze. Viele Geschehnisse, die man damals nicht benennen konnte, schob man bösen Dämonen in die Schuhe, Albträume zum Beispiel oder nächtliche Panikattacken. Sie wurden den Dämonenwesen Nachtmahr und Alpdruck zugeschrieben. Der Nachtmahr flüsterte den Leuten schlimme Träume voller negativer Emotionen ins Ohr und löste so Angst und Panik aus; der Alpdruck hingegen setzte sich auf die Brust des schlafenden Menschen und sorgte so für Beklemmung, Atemnot und Angstzustände. Die Mistel galt als Astralhexe, die über die Dämonen wachte. Als Trägerin des Wissens über die Geheimnisse der Natur sollte sie Mensch und Tier gegen solche Angst- und Panikzustände schützen. Daher die vorweihnächtliche Tradition, dass man einen Mistelzweig aufhängt. Oder anders gesagt: Eine Mistel im Haus oder an der Haustür schützt vor Unholdenenergien und schenkt Schutz und Lebenskraft.



gut zu wissen



Die Mistel steht nicht unter Naturschutz, doch der Baum darf bei der Ernte nicht beschädigt werden. Ausserdem gehört der Baum jemanden, man sollte also den Besitzer um Erlaubnis bitten. Oder man kauft sich einige Mistelzweige, die ja bald wieder überall zu haben sind.


Anwendungstipps


Innerlich als Tee

(Beeren nicht innerlich anwenden!)

Misteltee (Stängel und Blätter) wird immer als Kaltauszug angesetzt (6–12 h). Der Grund: Kaltes Wasser löst die schwach giftigen Stoffe (z. B. die Glykoside Viscalbin und Visco-toxin) nicht heraus. Der Kaltauszug der Mistel sollte auch kalt getrunken werden. In erster Linie wird er zur Regulierung des Blutdrucks, bei Herzschwäche und Arteriosklerose angewandt.


Umschläge mit Tee

Warme Mistelteeumschläge kann man zur Linderung rheumatischer und neuralgischer Schmerzen auf- legen. Auch bei Arthrose können äusserliche Mistelbehandlungen helfen.

Heuschnupfen

Betroffene sollten schon im Winter für den Frühling vorsorgen: Zur Linderung des Heuschnupfens kann der Misteltee eine Hoffnung sein. Dazu wird der körperwarme Tee mithilfe einer Pipette, Nasendusche oder eines Nasenspülkännchens in die Nase gebracht.


Mistelräucherung

Beim Räuchern verströmen die getrockneten Blätter der Mistel einen krautigen, eher unscheinbaren, doch angenehm süsslichen Duft. Diese Räucherung ist kultträchtig und ein wahrer Segen in den Jahreskreisfesten des Winterhalbjahres wie Allerheiligen (Samhain, der 1. Tag des Hexenjahres) oder der Wintersonnenwende (Jul). Auch in den 12 heiligen Nächten, den Rauhnächten, die am Weihnachtstag (25. 12.) beginnen, wirkt eine Mistelräucherung segnend und schützend. Negative Schwingungen werden in lichtere, höhere Schwingungen versetzt. Das Räuchern bewirkt eine Verbindung zu unseren Ahnen und beschert schöne Träume.


Wichtig

Von der Ernte bis zur Teezubereitung sollte die Mistel den Boden nie berühren. Dadurch, dass die Mistel eine schwebende Pflanze ist, entladen sich ihre Spannungszustände, sobald sie mit dem Boden in Kontakt kommt. Das heisst nicht, dass die Mistel nicht mehr wirkt – doch das, was sie hauptsächlich ausmacht, geht dabei verloren.





Steven Wolf hat schon als Kind von seiner Grossmutter altes Pflanzenwissen gelernt und weiss um die Kraft der Natur mit all ihren sichtbaren und unsichtbaren Wesen. Er lebt im Jurtendorf in Luthernbad, wo er zusammen mit seiner Partnerin ganzheitliche Pflanzenkurse für interessierte Menschen durchführt.


www.pflanzechreis.ch




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