Die Erfrischung der Extraklasse

Die Pfefferminze ist eine beliebte Teepflanze und gleichzeitig eines der bekanntesten Naturheilmittel. Kein Wunder, denn ihr Wirkspektrum ist äusserst vielfältig.

Yves Scherer

Zwei denkwürdige Begegnungen mit der Minze hatte ich nachts. Einmal kam ich spät abends nach Hause. Mir war etwas übel von der Reise und ich ging in den Garten, um frische Luft zu tanken. Während ich mich müde an den Stamm des Kirschbaumes lehnte, fiel mir der Pfefferminzstrauch an der Gartenmauer auf, dessen Blätter im fahlen Mondlicht glänzten. Ich zupfte ein einzelnes Blatt vom Strauch und steckte es in den Mund. Der ätherische Geschmack erfrischte mich sofort und vertrieb das Gefühl der Übelkeit.

Ein anderes Mal spazierte ich abends mit dem Hund einem Bachufer entlang, als mir einige Pflanzen auffielen, die im fliessenden Wasser standen. Auch sie glänzten in der Dämmerung und verströmten einen angenehmen, erfrischenden Geruch. Als ich einige der Zweige pflückte, erkannte ich sie eindeutig als eine Minze – wusste aber nicht, welche Art es war. Bei aller Ähnlichkeit unterschied sich ihr Geruch doch deutlich von jenem der Pfefferminze. Dieses Kraut roch ebenso ätherisch-frisch, aber erdiger und tiefgründiger. Der grösste Unterschied war jedoch ihr Standort im fliessenden Wasser. Ich hatte die Wasserminze entdeckt.


Pfefferminze.


Zuhause hängte ich das Kraut zum Trocknen auf und schenkte es dann einer Studienkollegin. Einige Tage später rief sie mich an und wollte wissen, was es mit dieser Minze auf sich habe. Sie erzählte mir, sie hätte sich vor dem zu Bett gehen eine grosse Tasse Tee zubereitet und danach die halbe Nacht hindurch geweint: «Ich wusste nicht, wie mir geschah. Alles war so traurig. Aber heute fühle ich mich grossartig! Wie neu geboren.»

 

« Die Pfefferminze, in der Antike verehrt, trug zu Brautpaarkränzen bei und symbolisierte Wachheit, Weisheit, leidenschaftliche Liebe und angenehme Träume»


Der Mythos von der «Minthe»

Die Pfefferminze ist eine alte Heilpflanze, die bereits in der Antike von grosser Bedeutung war. In Clemens Zerlings «Lexikon der Pflanzensymbolik» ist nachzulesen, dass im antiken Griechenland das Brautpaar oftmals Kränze aus Minze trug, sogenannte «Venuskronen». Mentha sollte Wachheit und Weisheit verleihen, zu leidenschaftlicher Liebe anregen und angenehme Träume schenken.

Griech*innen und Römer*innen sollen bei Festen die Tische mit Pfefferminze eingerieben haben, um jede Art von Appetit anzuregen. In den berühmten Metamorphosen des römischen Dichters Ovid wird dieser Brauch ebenfalls erwähnt. Allerdings handelt es sich bei der in antiken Quellen beschriebenen Pflanze nicht um die heute bekannte Pfefferminze, sondern höchst wahrscheinlich um die leicht giftige Poleiminze. Mehrere antike Autor*innen stellten einen Bezug der Poleiminze zum Unterleib der Frau her. Die Pflanze galt als Symbol der unerlaubten Sexualität. Entsprechend vorsichtig dosiert wurde sie entweder zu Liebestränken verarbeitet oder als Abtreibungsmittel verwendet.

Die griechische Mythologie kennt eine Nymphe namens Minthe. Nymphen sind wohltätige Naturgeister, die über besondere Orte in der freien Natur wachen – Wälder, Berge, Quellen oder Grotten. Als Hades, der Herrscher der Unterwelt, Minthe verführen will, kommt ihr Persephone, die Göttin der Unterwelt und der Fruchtbarkeit, zu Hilfe. Sie verwandelt Minthe in eine duftende Pflanze.

 
Ackerminze und Wasserminze.

 

Die Minze kultiviert sich selbst

Die heute bekannten Minzen-Arten entstanden als Hybride (Kreuzungen) erst ab dem 16. Jahrhundert. Deshalb fehlt in vielen alten Kräuterbüchern die Beschreibung der Pfefferminze. Die wohl zufällig aus der Wasserminze und der grünen Minze hybridisierte Pfefferminze wurde erstmals 1696 beschrieben. Ihr ätherisches Öl enthält besonders viel Menthol, ein Monoterpen-Alkohol, welcher der Pflanze das typische Pfefferminz-Aroma verleiht.

Folgende Arten sind in der Schweiz einheimisch: Ackerminze (Mentha arvensis), Grüne bzw. Krauseminze, Ährige oder Speerminze (Mentha spicata), Rossminze (Mentha longifolia), Rundblättrige Minze (Mentha suaveolens) und Wasserminze (Mentha aquatica). Die Poleiminze (Mentha pulegium) gilt als stark gefährdet. Zu Heilzwecken wird vorwiegend die Pfefferminze (Mentha x piperita) verwendet.Wie die Minze gehören auch Rosmarin, Thymian, Lavendel, Oregano, Salbei und viele andere bekannte Küchenkräuter zur artenreichen Pflanzenfamilie der Lippenblütler (Lamiaceae). Ihre gemeinsamen Erkennungszeichen sind die zweilippige Blütenkrone, der vierkantige Stängel und die kreuzgegenständig angeordneten Blattpaare. Der hohe Anteil ätherischer Öle sorgt für einen individuell typischen, stark aromatischen Geruch. Minzen enthalten ausserdem Triterpene, Flavonoide, Karotinoide, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Phenolcarbonsäurederivate und viele weitere Inhaltsstoffe.


Die Pfefferminze in der Naturheilkunde

Pfefferminz-Anwendungen wirken desinfizierend, kühlend, appetitanregend, verdauungsfördernd, blähungswidrig, gallenflussfördernd, brechreizlindernd, krampflösend, beruhigend und lokal schmerzstillend. In der Naturheilkunde ist Pfefferminzöl das wichtigste Mittel zur Behandlung von akuten Schmerzen wie Kopfschmerzen, Migräne und Myalgien.

Das ätherische Öl wird mit einem fetten Pflanzenöl verdünnt auf Schläfen, Stirn und Nacken aufgetragen. Nach einem anfänglichen Kältegefühl beginnt nach 10 bis 15 Minuten der Schmerz nachzulassen. Achtung: nicht in der Nähe der Augen auftragen! Zur Behandlung von chronischen Kopfschmerzen und Migräne eignen sich neben der Pfefferminze auch Mutterkraut (Tanacetum parthenium), Pestwurz (Petasites hybridus), Weidenrinde (Salix alba) und Mädesüss (Filipendula ulmaria).


Die kühlende Eigenschaft der Pfefferminze wird besonders in Nordafrika und im Nahen Osten sehr geschätzt. Dort trinkt man die Minze vermischt mit Grüntee zu fast jeder Gelegenheit. Allerdings mit sehr viel Zucker gesüsst. In den kalten Wintermonaten ist die kühlende Wirkung weniger gefragt. Jetzt steht eher die Anregung der Verdauung im Vordergrund, zum Beispiel nach einem Fondue oder Raclette.

 

 

Yves Scherer ist Herbalist, diplomierter Naturheilpraktiker und visueller Gestalter. Er unterrichtet Phytotherapie an verschiedenen Fachschulen und bietet eine eigene Ausbildung in Pflanzenheilkunde sowie Kräuterwanderungen an: www.medizingarten.ch / www.medizinwald.ch

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