Belladonna, die Schnitterin des goldenen Fadens

Belladonna, die giftige Heilpflanze mit ihrer bewusstseinserweiternden Wirkung ist die Hüterin der Schwelle zwischen Sommer und Winter. Sie verschafft mit ihrer Präsenz eine klare Sicht im Hier und Jetzt.




Wir bewegen uns in Richtung Sommerende. Nun beginnt die Zeit der Zwischenzustände. Wir stehen an den Nahtstellen zu den Anderswelten und begleiten den Wechsel von der Reife der Natur hin zum winterlichen «Sterben» der Pflanzenwelt. An diesem Schwellenfest nutze ich die Möglichkeit der Reflektion im Sinne einer Waage. Es ist die Zeit zum Abwägen, die Zeit, um nach Vorne und zurück zu schauen, aber auch das Hier und Jetzt zu prüfen. Wo stehe ich? Was ist von den Samen der Inspiration, die ich im Frühling gesät habe, bereits so ausgereift das es geerntet werden möchte?

Eine der abwägenden Hilfen für diese Zeit ist die dreifaltige Kraft der Nornen. Das sind weibliche Energien, die das mysteriöse Wirken des Schicksals lenken. Die dreifaltige Kraft besteht im abendländischen Sinne aus Urd, Verdani und Skuld. Die weisse Kraft Urd, die Spinnerin, ist die jüngste der Dreien. Sie blickt zurück, symbolisiert die nahe Vergangenheit, wie auch die Karmischen Energien und die Wirkung der Ahnenreihen. Die rote Kraft Verdani, die Weberin, ist die Erwachsene. Ihr Blick ist nach vorne gerichtet und symbolisiert die «Seiende», die Gegenwart. Die schwarze Kraft Skuld, die Schnitterin, ist die Greisin. Ihr Blick richtet sich in die entgegengesetzte Richtung von Urd. Sie ist die werdende Kraft dessen, was uns in der Zukunft erwartet. Das, was es in der Zukunft zu ernten gilt. Die Weisheit der Nornen lautet: Lebe die Kraft von Verdani, der Gegenwart und kümmere dich nicht um die Vergangenheit. Auch nicht um die Zukunft, den das Göttliche findest du einzig im «Hier und Jetzt» der Gegenwart.





Das Wesen der Belladonna

Eines der Pflanzenwesen, das mir in dieser Schwellenzeit helfend zur Seite steht, ist die Belladonna, auch Nornenkraut genannt. Ihr offensichtliches äusseres Zeichen für das Wirken der Nornen ist der Hauptstängel der sich aufteilt und sich der Trinität hingibt. Die Belladonna ist ein Wesen der Übergänge. Sie liebt das zwielichtige Grenzgebiet, in dem sich Tag und Nacht begegnen. Das ist deutlich erkennbar an ihren Standorten. Sie wächst gern auf Störfeldern wie Wasseradern, liebt Waldlichtungen, Wegränder, den Halbschatten und ab und zu auch lichtere Orte. Ihre bezaubernden Blüten meiden die direkte Sonne und suchen den Schutz unter den gebildeten Blättern. Die Blüten verströmen um Mitternacht, pünktlich zur Geisterstunde, einen starken, sinnlichen Blütenduft.

In meinem meditativen Dialog mit der Pflanze, fühle ich folgende Kräfte: «In mir wirken Licht und Schatten, Leben und Tod zugleich. Mit meiner Kraft kann ich Materie zerstören. Doch ich bin weit mehr als die Kraft der schwarzen Greisin Skuld, denn in mir verborgen hüte ich das Licht der Erkenntnis. Es ist mein Bestreben, dass ich dir helfe aufzuwachen, den Blick zu schärfen und in vielen Variationen dein inneres und äusseres Erleben zu betrachten. Ich helfe dir, aus der Dualität raus, in die Einheit zu treten. Ich lasse den Schleier deiner Illusionen und deinen konditionierten Denkmustern, Matrix, fallen, damit du die wahre Wirklichkeit erkennen kannst. Ich helfe dir, deine Sinne aus der körperlichen Tätigkeit in die Sphäre der Wahrheit zu erheben. Es ist vergleichbar mit dem Zustand, wenn du morgens beim Aufwachen zwischen Traum und Wirklichkeit schwebst. Zunächst überwiegt die sinnliche, innere Wahrnehmung, dann schaltet sich nach und nach das Ego ein. Die Gedanken beginnen die Sinne zu vernebeln und du schreitest über die Schwelle ins Tagesbewusstsein. Du vergisst den sinnlichen Zustand des nächtlichen Traumes und die Ebene der Zwischenwelt. Die Wesenszüge meiner Giftigkeit werden diesem Prozess Dauerhaftigkeit verleihen. Du wirst erwachen, ohne zu vergessen. Doch es braucht grosse Reife in deiner eigenen Entwicklung, um mich auch richtig zu nutzen. Handle weise, im richtigen Mass und zur richtigen Zeit. Sonst läufst du Gefahr, fundamental zu Erschüttern. Doch zuerst befreie ich dich von all den Formen der überschüssigen Hitze des Krieges, des Hasses und des Zorns und lasse sie Wandeln in die übertragende Kraft der Herzenswärme. Auf dass deine Seele sich nährt und wiegend in der Ruhe der Geborgenheit verweilt. Auch wenn alles um dich herum zusammenbricht.»




Hüter der Tollkirsche

Ein traditioneller Tor- oder Schwellenhüter der Tollkirsche ist der Wolf. Sein gruseliges Wesen soll Unbefugte davon abhalten, sich in ihr Reich zu begeben. Zur eigenen Sicherheit solltest du nicht aus reiner Neugier die heilige Welt der Belladonna betreten. Beobachte die Pflanze zuerst aus der Ferne, formuliere innerlich eine klare Absicht und warte, bis du eingeladen wirst, den einzutreten in ihr Reich. Der Wolf als Schwellenhüter prüft zuerst die Reinheit des Herzens, gleich dem ägyptischen Totengott Anubis. Genau wie die Hunde sind auch die Wölfe äusserst sensitiv. Unsere Ängste widerspiegeln die Erscheinungsformen des Hüters der Schwelle. Je nach Reinheit unseres Herzens können einem aber auch Dämonenwesen, Drachen, Schlangen, Fratzen, schillernde Elfen und verführerische schöne Frauen begegnen. Aber keine Angst, mit einem reinen Herzen haben wir auch den göttlichen Mut, unseren Dämonen zu begegnen.

Belladonna ist eine Meisterpflanze. Man soll der «Schönen des Waldes» nur mit Umsicht und Ehrfurcht begegnen. Die schwarzen Beeren, die in den fünf-zackigen Stern eingebettet sind, lassen Bewusstwerdung erkennen. Mehr als das: Die giftige Tollkirsche wirkt stark bewusstseinserweiternd, und führt zu einem psychodelischen Rausch. Es ist gefährlich, Beeren oder sonstige Teile einzunehmen, weil die bewusstseinserweiternde Wirkung nicht kontrollierbar ist und zu stark verwirrenden Zuständen führen kann. Im schlimmsten Falle hinterlässt die Beere irreparable Schäden an Körper und Psyche. Eine sichere Anwendung besteht bei der Einnahme von homöopathischen und spagyrischen Heilmitteln. In dieser Form wirkt sie als eine der grossen Allrounderinnen der Pflanzenmedizin.





Belladonna als Heilpflanze

Gleiches mit Gleichem heilen, heisst es in der Homöopathie. Entsprechend verweisen die Vergiftungssymptome der Tollkirsche auf Krankheitszeichen, die sich ähnlich äussern. Belladonna kann als homöopathisches Heilmittel dort helfen, wo Krankheiten plötzlich beginnen, einen heftigen Verlauf zeigen oder sich langsam entwickeln und dann immer stärker werden. Zum Beispiel bei grippalen Infekten oder Kinderkrankheiten. Bei Entzündungen hilft Belladonna im Anfangsstadium, wo Rötung und pulsierende Schmerzen im Vordergrund stehen. Eine typische Belladonna-Anwendung sind Erkältungen als Folge von nassen Haaren oder kaltem Wind. Auch als Folge von zu viel Sonne, kann Belladonna bei einem Sonnenstich, bei Sonnenbrand und Verbrennungen helfen. Ebenso bei heftigen, pochenden Schmerzen, nach Erschütterung und bei Menschen, die von starken Emotionen wie zum Beispiel Wut überrollt werden und diese nicht unter Kontrolle bringen können.

Belladonna kann auch helfen starken Ängsten wie Angst vor der Dunkelheit, Krankheit und dem Tod zu begegnen. Insbesondere die Angst vor Hunden und anderen Tieren. Die Personen, welche Belladonna benötigen sind schreckhaft und neigen zu Neurosen oder Hysterie. Auch bei unruhigem Schlaf, Alpträumen, angstvollem Aufschrecken oder Zähneknirschen kann an Belladonna gedacht werden. Die Tollkirsche ist zudem eine der wichtigsten Heilpflanzen für die Augen. Selbst bei schon herrschendem Glaukom (grüner Star) kann die Belladonna helfen. Atropin, der Hauptwirkstoff der Belladonna, kommt in der Schulmedizin in schwachen Dosierungen in Augentropfen oder als Injektion zum Einsatz. Doch auch in der Homöopathie bleibt die heilsame Wirkung auf die Augen erhalten. Zum Beispiel bei stark geröteten Augen, Bindehautentzündungen, schmerzenden Augenbewegungen, ausgeprägter Lichtempfindlichkeit oder starren, trockenen Augen. Ihre Wirkung ist so vielfältig, dass sie in jeder homöopathischen Hausapotheke einen festen Platz finden sollte.

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