Wenn der weibliche Hormonhaushalt ins Wanken gerät

Die Frauen sind um die 40 Jahre alt, haben regelmässig ihre Menstruation, noch kaum Hitzewallungen und doch merken sie, dass etwas anders ist als vorher. Erste Vorboten der Wechseljahre zeigen sich im Körper oft mit subtilen Veränderungen. 

Text: Laura Columberg, Illustration: Lena Kissóczy

 

Bin ich in den Wechseljahren? Eine Frage die sich im Laufe des Lebens jede Frau irgendwann stellen wird. Gesellschaftlich stellt man sich die Frauen dann im reiferen Alter von 50 Jahren aufwärts vor. Die hormonelle Veränderung beginnt jedoch bereits ab 30! Die Eierstöcke bilden weniger Eizellen und der Hormonhaushalt verändert sich. Das zeigt sich in diffusen, körperlichen und psychischen Veränderungen. Nicht selten leiden diese Frauen – sofern sie nicht hormonell verhüten – an intensiven prämenstruellen Beschwerden, die sie vorher nicht kannten. Beinahe so, als wären sie wieder in der Pubertät. Die Brüste spannen und die Stimmung schwankt. Die Blutungsintensität sowie die Zyklusdauer verändern sich. Sie klagen über starke Unterleibsschmerzen während der Menstruation. Schlafen schlechter. Fühlen sich müde und angespannt. Manche leiden unter diffusen, wandernden Schmerzen in Muskeln- und Gelenken.


Die vier Phasen der Menopause
Der Start der Wechseljahre erwischt die meisten Frauen oft unerwartet. Die hormonelle Umstellung beginnt gefühlt von einem Zyklus in den nächsten und durchläuft vier Phasen: 

1. Die Prämenopause: Die Eierstockfunktion beginnt ab 30 abzunehmen. Ein Östrogenübergewicht entsteht. Der Progesteronspiegel sinkt deutlich ab. Dies kann zu Veränderungen des Menstruationszyklus führen. Die Menstruationsperioden können unregelmässiger werden. Meist verändert sich auch die Blutungsintensität sowie die Zyklusdauer. Prämenstruelle Beschwerden wie zum Beispiel Brustspannen, Haarausfall, Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Wassereinlagerungen und auch Unterleibskrämpfe verstärken sich oft.

«Die Wechseljahre sind eine transformative Zeit im Leben einer Frau, die bereits ab dem 30. Lebensjahr beginnen kann.»



2. Die Perimenopause:
Während dieser Phase nimmt der Östrogen- und Progesteronspiegel weiter ab. Die Menstruationsblutungen werden unregelmässiger und bleiben immer mehr aus. Nun treten die meist bekannteren Beschwerden wie Hitzewallungen, Nachtschweiss, Schlafstörungen, Gewichtszunahme und wandernde Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Stimmungsschwankungen häufiger auf und können intensiver werden. Zusätzlich zeigt sich bei vielen Frauen eine allgemeine Trockenheit der Schleimhäute, insbesondere der vaginalen. Auch sexuelle Lustlosigkeit ist ein grosses Thema. Diese Phase kann über mehrere Jahre andauern und endet sobald eine Frau über ein Jahr keine Menstruationsblutung mehr hatte. Hinweis: Die Verhütung sollte erst nach diesem Jahr der absoluten Menstruationsfreiheit abgeschlossen werden.



Frauenmantel (Alchemilla vulgaris).


3. Die Menopause:
Dramatisch ausgedrückt markiert diese Phase das offizielle Ende der weiblichen Fruchtbarkeit. Die letzte Menstruationsblutung liegt nun über ein Jahr zurück. Einige Beschwerden treten weiterhin auf. Sie verlieren aber im Laufe der Jahre immer mehr an Intensität. Für viele Frauen beginnt jetzt emotional eine schwierige Phase. Trauer über das, was nicht mehr ist. Loslassen des bisherigen Frauenbildes. Fragen, was Frau jetzt ändern möchte.

Neuorientierung und Erkennen welche Ziele noch vor einem liegen. Sie sehen, eine kräftezehrende und bewegte Zeit beginnt. Nur langsam zeigen sich neue Lichtblicke, Leichtigkeit und Freude über das, was ist und auf das Neue. Auf neue Ziele und Möglichkeiten. Auf einen neuen Lebensabschnitt.

4. Die Postmenopause: Und dann ist sie da. Die Zeit nach der Menopause. Der Übergang in diese Phase ist fliessend. Die Beschwerden, die langjährige Begleiter waren, können sich nun komplett verabschieden. Doch neue Themen wie mangelnde Knochendichte oder Herz-Kreislauf-Beschwerden verursacht durch den Östrogenmangel können auftreten.

Gerade weil der Übergang von der Frau, die Kinder auf die Welt bringt, zur Frau, die keine Blutung mehr hat, so wellenförmig abläuft, sind viele Frauen komplett überrascht, wenn sie nach einem Termin bei der Gynäkologin erfahren, dass sie nun in den Wechseljahren sind. Und dann stellen sie sich die Frage: «Was jetzt?» Mit dieser und anderen Fragen finden sie den Weg in eine Naturheilpraxis. Sie wünschen sich eine sanfte und individuell abgestimmte Begleitung sowie Linderung der Beschwerden.

«Die Menopause bedeutet das Ende der Fruchtbarkeit und den Beginn einer Phase des Loslassens und der Neuorientierung.»



Schafgarbe (Achillea millefolium).


Perlen der Naturheilkunde
Jede Frau durchläuft diese Zeit des Wandels anders. In einem eigenen Rhythmus und mit verschiedenen Symp­tomen. Die eine hat eher körperliche Beschwerden, andere leiden an Stimmungsschwankungen oder einer regelrechten Sinnkrise. Das individuelle Empfinden steht in der naturheilkundlichen Behandlung deshalb an oberster Stelle. Einige Perlen der Naturheilkunde befinden sich unter den Heilpflanzen. Sie haben die Kraft, Frauen sanft durch die frühen Phasen der Wechseljahre zu begleiten.

Eine wunderschöne Rhythmusgeberin für das Hormonsystem ist der Frauenmantel (Alchemilla vulgaris). Die ausgleichende und rhythmisierende Wirkung verdankt er den Flavonoiden. Zudem verleihen die Tannine dem Frauenmantel eine adstringierende Wirkung. Dies bedeutet, dass er die Fähigkeit besitzt Gewebe zusammenzuziehen. So können intensive Menstruationsblutungen gelindert werden. Alternativ oder ergänzend kann mit der Himbeerknospe (Rubus idaeus) gearbeitet werden. Auch ihr wird eine regulierende Wirkung nachgesagt. Die enthaltenen Phytoöstrogene können das Hormonsystem ausbalancieren und lindern Themen wie Hitzewallungen und Schlafstörungen. Für diese Heilpflanze empfiehlt sich die Anwendung als Knospenmazerat.


Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus).


Bei starken prämenstruellen Beschwerden kann der Mönchspfeffer (Vitex agnus-castus) Linderung schenken. Seine Wirkung verdankt er den enthaltenen Iridoidglykosiden und Flavonoiden. Optimalerweise wird der Mönchspfeffer jeweils nur in der zweiten Zyklushälfte, also ab dem Eisprung, bis zum Einsetzten der Menstruationsblutung täglich eingenommen. Zur Linderung von intensiven Blutungen können Gänsefingerkraut (Potentilla anserina), Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris) oder Schafgarbe (Achillea millefolium) helfen. Sie wirken allesamt adstringierend und reduzieren durch die enthaltenen Tannine und Gerbstoffe die Intensität und Dauer der Blutung. Diese Heilpflanzen können gezielt ein, zwei Tage vor bis über die Starttage der Menstruationsblutung eingenommen werden.

Krämpfen und Kopfschmerzen begegnet die Naturheilkunde mit einem homöopathischen oder spagyrischen Mittel, der Pestwurz. Sie vermag die Intensität des Schmerzes zu lindern. Die krampflösende Eigenschaft auf die Muskulatur verdankt die Pestwurz dem Petasin. Bei Stimmungsschwankungen und Traurigkeit kann zu Passionsblume (Passiflora incarnata), Haferkraut (Avena sativa), Heidekraut (Calluna vulgaris), Erdrauch (Fumaria officinalis) oder Johanniskraut (Hypericum perforatum) gegriffen werden. Heidekraut und Erdrauch sind zwei wunderbare Milzpflanzen. In der Naturheilkunde werden Verstimmungen und Traurigkeit mit einer Milzschwäche oder -stauung einher gebracht.  Eine häufige Begleiterscheinung der Wechseljahre sind Schlafstörungen. Hier eignet sich vor allem der Hopfen (Humulus lupulus), mit seinen Bitterstoffen Humulon und Lupulon. Er hat zusätzlich auch eine sanft hormonell regulierende Wirkung. Die vorgestellten Heilpflanzen können einzeln oder in Mischungen angewendet werden. Eine Fachperson in der Naturheilpraxis, Drogerie oder Apotheke kann Ihnen die verschiedenen Einnahme- und Anwendungsmöglichkeiten zeigen, sowie individuell passende Heilpflanzen für Sie finden.

Finden Sie Ihren individuellen Weg, mit oder ohne naturheilkundliche Begleitung. Diese körperlich, seelisch und psychisch bewegende Zeit wird irgendwann wieder ruhiger und stiller. Sprechen Sie mit Ihren Freundinnen offen über Ihr Empfinden, Ihre Sorgen und Veränderungen. Auch über Ihre Trauer und Ängste. Nur so können wir das Bewusstsein der Frauen stärken. Es ist so heilsam, wenn Frauen sich gegenseitig unterstützen und einander Kraft geben.
 

«In der Naturheilkunde werden Verstimmungen und Traurigkeit mit einer Milzschwäche oder -stauung einher gebracht.»





Weitere Tipps rund um die Vorwechseljahre

Entspannungstechniken:
Bauen Sie Ruhepausen und Entspannung bewusst in Ihren Alltag ein. Meditationen, Atemübungen, Yoga aber auch Malen, Singen oder Summen bringen Entspannung in den Körper. Eine weitere wundervolle Methode ist das Waldbaden. Die ionisierte Luft unterstützt nicht nur die Atemwege und entlastet ein verspanntes Zwerchfell. Der Wald mit seinen Bewohnern erdet, entspannt und schenkt Ruhe.

Ernährung:
Eine antientzündliche, mediterrane Ernährungsweise sollte besonders ab den Wechseljahren im Fokus der Frauen stehen. Legen Sie den Schwerpunkt zum Beispiel auf buntes und grünes Gemüse, Früchte und dunkle Beeren wie Blaubeeren, Vollkorngetreide und Hülsenfrüchte. Aber auch Fisch, Nüsse, Samen und gesunde Öle sind wichtig. Hierzu finden Sie umfassende Literatur in den Fachgeschäften oder im Internet. Bei Hitzewallungen wirken die Minze, Verbena, gesäuerte Milchprodukte oder sehr wasserhaltige Nahrungsmittel wie Gurken, Melonen und Zitrusfrüchte leicht kühlend.

Manuelle Therapien:
Durch gezielte manuelle Therapieformen, wie zum Beispiel klassische Massage können vor allem diffuse Schmerzen in Muskeln- und Gelenken gelindert werden. Kombinationen mit einer Schröpfbehandlung oder Schröpfkopfmassage können sinnvoll sein. Diese Therapieformen lindern nicht nur Schmerzen. Sie schenken dem Körper auch eine Oase der Ruhe und Entspannung. Mal nichts müssen, loslassen. Ganz bei sich selbst sein. Die sich einstellende Tiefenentspannung ist ein wunderbares Mittel um zur inneren Ruhe und Kraft zu finden.

 

Quellen und Literaturtipps:
Heide Fischer: Mein Kompass durch die Wechseljahre, herbig Verlag 2022,
ISBN 978-3-96859-043-1

Heide Fischer: Frauenheilbuch, herbig Verlag 6. Auflage 2020,
ISBN 978-3-7766-2869-2

Resi Meier: Praktische Kneipp-Anwendungen, Oesch Verlag 2011,
ISBN 978-3-0350-5100-1

Laura Columberg
Dipl. Naturheilpraktikerin TEN mit eigener Praxis in Brugg/AG. Spezialisiert auf Frauen- und Kinderheilkunde.
www.praxiscolumberg.ch

 

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