Die Augen haben schon seit jeher die Fantasie der Menschen beflügelt. Unsere Sehorgane wurden teils sehr positiv gesehen. Aber gleichzeitig gelten im Volksglauben Blicke auch als tödliche Gefahr. Eine Spurensuche.
Barbara Zanetti, Illustration: Sonja Berger
Was das Auge nicht alles ausdrücken kann: in Liebe strahlen, blitzen, lauern, geblendet sein, abgestumpft blicken, schmachtende Blicke zuwerfen, anstarren, aufdringlich beobachten, unruhig, ängstlich schauen, von oben herabblicken, flirten, lichtvoll leuchten … Kein Organ hat die Dichter*innen mehr inspiriert als das Auge, es zu preisen, seine Vorzüge und Fähigkeiten zu schildern und über seine Wundertaten zu staunen: «Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, von dem goldnen Überfluss der Welt» (G. Keller). «Wär’ nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt‘ es nie erblicken» (J. W. Goethe). Ebenso zahlreich sind die Aussagen des Volksmundes, wie Redewendungen und Sprichwörter bezeugen. So ist die Rede von ein Auge auf jemanden werfen, von sich vergucken beim Verlieben, die Liebe kann aber auch blind machen. Jemand sieht nur bis zur eigenen Nasenspitze, anderen fallen die Schuppen von den Augen.
Spiegel der Seele
Als Hauptorgan der sinnlichen Wahrnehmung steht das Auge in engem symbolischem Zusammenhang mit dem Licht, der Sonne und dem Geist. Es ist Sinnbild der geistigen Schau, aber auch – als «Spiegel der Seele» – Instrument des seelisch-geistigen Ausdruckes. Das rechte Auge wird in Verbindung gebracht mit Aktivität, Zukunft und der Sonne, das linke mit Passivität, Vergangenheit und dem Mond.
Nach Platon ist das Auge das Organ, das der Sonne am ähnlichsten ist. Es verkörpert Helligkeit, Licht, Hellsichtigkeit und Geist. In gewisser Weise ist das Auge selbst die uns eingestiftete Sonne. In der analytischen Psychologie symbolisiert das Auge das Bewusstsein und die dadurch möglich gewordene Einsicht. In Träumen, Imaginationen und Zwangsvorstellungen begegnet das Auge in der psychotherapeutischen Behandlung in vielerlei Zusammenhängen. Es verwundertnicht, dass das Auge mit den sinnbildlichen Bedeutungselementen Licht, Sonne und Geist in manchen religiösen Anschauungen mit dem Göttlichen verbunden worden ist. Allein durch seinen Glanz und seine Lichtbezogenheit ist es mit astraler Symbolik zusammenhängend.
Augen des Himmelsgottes Horus
In Ägypten galten Sonne und Mond als Augen des Himmelsgottes Horus. Sein Name, der bedeutet: der Ferne, der Hohe, und die Bezeichnung der Sonne als Horus-Auge weisen darauf hin. Das Symbol des Horus- Auge ist vieldeutig. Einerseits ist es der «Zankapfel» im Bruderzwist von Seth und Horus. Andererseits ist es auch ein politisches Sinnbild, indem es die Krone des ägyptischen Königtums darstellt sowie in der kosmischen Dimension für das Licht steht. Das Udjat-Auge war ein weit verbreitetes Amulett: das Falkenauge des Horus, das auf einem krummstabähnlichen Zepterruht. Es weist hin auf Weitsicht und Allwissenheit und auf Herrschergewalt. Es soll Unverletzbarkeit und Fruchtbarkeit verleihen. In der Bibel erscheint das Auge als Symbol der Allwissenheit, Wachsamkeit und behütenden Allgegenwart Gottes. In der christlichen Kunst bedeutet ein von Sonnenstrahlen umgebenes Auge Gott; ein Auge im Dreieck bedeutet Gottvater in der Dreifaltigkeit. Ein Auge in der Hand Gottes verkündet die schaffende göttliche Weisheit.
Nach der Snorra Edda wurden die Augen des getöteten Riesen Thjazi von Odin als Sterne an den Himmel geworfen. Der germanische Gott Odin war so begierig nach Wissen, dass er dafür dem Riesen Mimir ein Auge hingab. Die Dreiäugigkeit von Zeus und Shiva ist zu verstehen als Ausdruck ihrer Allwissenheit und Allgegenwärtigkeit.
Der böse Blick
Erstaunlicherweise ist auch heute noch die Angst vor dem bösen Blick verbreitet – die Vorstellung also, dass durch den Blick eines Menschen, der magische Kräfte besitzt, ein anderer Mensch Unheil erleiden oder zu Tode kommen kann. Der böse Blick wird nicht nur mit dem Sehen verbunden. Auch die geschlossenen Augen eines Schlafenden, eines Einäugigen oder Blinden, sogar von Toten können ihn noch aussenden. In gewissen Kulturkreisen wurden ganze Völker und Berufsgruppen angesehen als mit dem bösen Blick verhaftet, so etwa Geistliche, Gelehrte, Hebammen, Prostituierte und Ärzt*innen. Gemäss der Literatur werden dem bösen Blick folgende Eigenschaften zugewiesen: er sei ablehnend, hasserfüllt, wutentbrannt, stechend, durchdringend, durchbohrend, neidisch. Die Wirkung dieses Blickes sei also häufig von dem Willen des Menschens abhängig, der ihn aussendet.
Als besonders gefährdet gelten im Volksglauben Kinder, vor allem Neugeborene, Frauen in der Brautzeit sowie während der Schwangerschaft und Entbindung. Jedoch können auch Tiere, Getreide und Milch sowie Tätigkeiten wie Kochen, Backen, Brauen, Buttern oder Töpfern vom bösen Blick betroffen sein. Die bösen Strahlen der Augen – durch Neid hervorgerufen – dringen in die Wesen und Dinge ein und verursachten so Schaden und Krankheiten.
Dieser Volksglaube an eine Form des Schadenzaubers war in Mesopotamien und im alten Ägypten bekannt. Im Orient, in westlichen Ländern, von Afrika über Indien und China, in Südamerika und bei den indigenen Völkern des heutigen Nordamerikas ist er ebenso verbreitet. Interessanterweise hat sich dieses Phänomen in Kulturkreisen oft ähnlich entwickelt, auch wenn sie weit auseinander liegen. Ohne moderne wissenschaftliche Erkenntnisse über Ursachen von Krankheiten und Tod, wurden diese einer übernatürlichen Macht zugeschoben. Es wurde davon ausgegangen, dass feindliche Mächte dahinter steckten. In vielen Gebieten hält sich die Auffassung vom bösen Blick trotz aller Erkenntnisse hartnäckig. Vor allem psychische Probleme und psychosomatische Krankheiten werden mit ihm verbunden. Es liegt nahe, dass bei einer so weiten Verbreitung des Volksglaubens an den bösen Blick die Methodik zu seiner Abwehr vielfältig ist. In Europa dominieren folgende apotropäische Handlungen: Vermeidung des Kontaktes mit Personen mit bösem Blick, Abwehrgesten wie Feigenhand und Mano cornuta (gehörnte Hand), Hufeisen an den Eingangstüren (v. a. an Stalltüren), Kleidungsstücke (Unterhemd) linksherum anziehen oder eine Nadel in der Kleidung tragen. In anderen Ländern werden Schutzverse gesagt, magische Zeichen in Kleider eingenäht, Schutzanhänger getragen oder Rituale zelebriert.
Das dritte Auge
Das dritte Auge ist nicht auf derselben Ebene zu suchen wie unsere beiden leiblichen Augen. Es ist ein feinstoffliches Zentrum, welches sich zwischen den Augenbrauen auf der Stirne befindet. Es wird auch geistiges Auge genannt, oder inneres Auge, Auge der Erleuchtung oder Auge des Bewusstseins. Es ist das 6. von mehr als 10 Chakren, welche im menschlichen Körper als mächtige Energiewirbel oder Räder vorhanden sind. In östlichen Weisheitstraditionen wird schon seit Jahrtausenden mit dem Wissen um die mächtige Säule von Energie, welche den menschlichen Körper durchfliesst, gearbeitet. Diese Energiesäule bewegt sich in drei Hauptkanälen zwischen dem Kopf und der Basis der Wirbelsäule. Dort wo sich diese Kanäle überschneiden, bilden sich eben die Chakren. Jedem Chakra sind Körperteile und Organe zugeordnet, ebenso wie Lebensthemen, und eine bestimmte Farbe. Durch heilende und spirituelle Energiearbeit können diese Tore aktiviert und geöffnet werden und bilden so die Grundlage für ein gesundes und erfülltes Leben.
Vicky Wall, welche die Aura-Soma-Produkte ins Leben gerufen hat, ordnet dem 6. Chakra, also dem dritten Auge, die Farbe Indigo zu. Sie verbindet es mit der Hypophyse. Es sei zuständig für Inspiration und Intuition. Barbara Ann Brennan beschreibt das dritte Auge als den Ort der himmlischen Liebe. Es ist eine Liebe, die den Bereich der menschlichen Liebe überschreitet und alles Leben umfasst. Sie äussert sich als liebevolle Pflege für alles, was lebt. Sie erkennt alle Lebensformen als Manifestationen Gottes.