Kategorie: Gesundheit
Homöopathie, Spagyrik und Bachblüten gehören zu den beliebtesten alternativen Heilmethoden. Doch wirkt hier mehr als bloss der Placebo-Effekt ?
Alternativmedizin ist en vogue. Auch Menschen mit schweren Erkrankungen nutzen zunehmend die Angebote der Komplementärmedizin. Homöopathie, Spagyrik und Bachblüten sind drei bekannte und besonders beliebte Methoden, wobei die Homöopathie der Star unter ihnen ist. Jedoch stehen viele Menschen und insbesondere schulmedizinisch ausgebildete Ärzte diesen Therapien skeptisch bis ablehnend gegenüber. Nichts als Placebo, sagen sie. Andere wiederum sind von der Wirkung überzeugt, sei es aus eigener Erfahrung, insbesondere mit Kindern und Tieren, oder durch Berichte von Kollegen und Freunden.
Die Arzneimittel der hier vorgestellten Methoden sollen auf «feinstofflicher Ebene» eine Schwingung oder Information beinhalten, die nicht primär körperlich, sondern vor allem auf Geist und Seele wirkt. Der durch diese Information gesetzte Heilimpuls soll die Selbstheilungskräfte anregen. Da die Komplementärmedizin keine «chemischen Stoffe» einsetze, die dem Körper ihre Wirkung aufzwingen, sondern solche, die einen natürlichen Prozess anstossen, sei die Behandlung genauer abgestimmt auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten, sagen die Befürworter der sanften Methoden. Komplementärmedizin, sagen sie, behandle den Mensch seelisch und körperlich in seiner Ganzheit; ausserdem sammelten sich keine belastenden Rückstände im Körper an. Nebenwirkungen treten in der Regel keine auf, abgesehen von einer allfälligen Erstverschlimmerung, die als Effektivität der Behandlung gedeutet wird.
Interessant ist die Risikowahrnehmung von Patienten und Medizinern. So zeigte eine norwegische Studie aus dem Jahr 2015, dass Nutzer von Komplementärmedizin die konventionelle Medizin aufgrund eigener Erfahrungen mit schwerwiegenden Nebenwirkungen als potenziell risikobehaftet einschätzten. Die Komplementärmedizin hingegen wurde als sicher und natürlich wahrgenommen. Ärzte ohne Erfahrung in Komplementärmedizin hingegen schätzten die -alternativen Methoden aufgrund der fehlenden wissenschaftlichen Evidenz zu Nutzen und Sicherheit als risikoreich ein. Die befragten Ärzte sahen ein Risiko auch darin, dass Nutzer von Komplementärmedizin eine dringend nötige konventionelle Behandlung verzögern oder ganz ablehnen könnten. Für sie sind Bachblüten und Co. keine Alternativen, sondern höchstens Ergänzungen zu wissenschaftlich begründeten Methoden der Medizin.
Vor allem harmlosere und unproblematische Erkrankungen lassen sich aber durchaus gut ausschliesslich mit Globuli und Co. behandeln. Doch welche Methode eignet sich für was und für wen? Im Folgenden erfahren Sie mehr über Homöopathie, Spagyrik und Bachblüten, über deren Philosophien und Wirkungsweisen sowie die Anwendungsmöglichkeiten und ihre Grenzen.
Philosophie
Der deutsche Apotheker und Arzt Samuel Hahnemann (1755–1843) entdeckte Ende des 18. Jahrhunderts, dass die gegen Malaria wirksame Chinarinde beim Menschen ähnliche Symptome hervorrief wie die Seuche selbst. Daraufhin entwickelte er die Homöopathie, die auf dem Ähnlichkeits- oder Simileprinzip beruht: «similia similibus curentur» («Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden»). Für die Behandlung eines Kranken wird demnach eine Arznei benötigt, die beim Gesunden ähnliche Beschwerden auslöst. Die tatsächliche Erkrankung wird durch eine künstlich erzeugte Erkrankung «überlagert», was die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert.
Herstellung
Die Heilmittel werden aus Pflanzen, Mineralien und tierischen Substanzen gewonnen. Diese werden verdünnt und geschüttelt («dynamisiert» respektive «potenziert»). Danach wird ein neutraler Träger (meist Zuckergranulat) mit dem potenzierten Heilmittel getränkt. Homöopathische Mittel gibt es aber auch in Form von Tabletten und Tropfen.
Das Potenzieren ist eines der Fundamente der Homöopathie. Dazu wird die Urtinktur stark verdünnt und geschüttelt. Eine C1-Potenz (hundertfach verdünnt) entsteht zum Beispiel, indem man einen Tropfen der Urtinktur mit 99 Tropfen einer Alkohol-Wasser-Lösung mischt und auf eine spezielle, ritualisierte Weise schüttelt: das Fläschchen mit den 100 Tropfen schlägt man zehnmal kräftig auf eine elastische Unterlage. Nimmt man nun 1 Tropfen der C1-Potenz und verdünnt diesen mit 99 Tropfen Alkohol-Wasser-Lösung und schüttelt die Mischung wiederum zehnmal, erhält man eine C2-Potenz (zehntausendfach verdünnt). Wiederholt man diesen Vorgang insgesamt 30 Mal, erhält man eine C30-Potenz (decillionfach verdünnt) usw. Die Herstellung hoher Potenzstufen ist mit einem grossen Zeitaufwand verbunden.
Tiefpotenzen unterhalb C2 können noch Arzneisubstanzen in einer Menge enthalten, die pharmakologische Wirkungen entfalten kann. Sie sind teilweise rezeptpflichtig. Oberhalb von C3 bis C4 sind pharmakologische Wirkungen nach heutigem Wissenstand nicht mehr möglich, obwohl noch Arzneisubstanzen vorhanden sind. Ab C12 (quadrillionfach verdünnt) – der sogenannten Avogadogrenze – ist mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Wirkstoffmolekül mehr enthalten. Homöopathen gehen davon aus, dass dann nur noch die Information des Heilmittels wirkt.
Anwendung
Rund tausend homöopathische Mittel stehen zur Verfügung. Sie werden zur Behandlung von Alltagsbeschwerden ebenso wie bei chronischen Erkrankungen eingesetzt. Bei akuten Erkrankungen helfen sie aber nur, wenn der Körper noch über eine ausreichende Reaktionsfähigkeit verfügt. Gute Erfahrungen mit Homöopathie wurden unter anderem gemacht bei Schlafstörungen, Ängsten und Depressionen, Mi- gräne, Menstruationsstörungen, Asthma, Allergien, Ekzemen und auch bei zu hohem oder zu niedrigem Blutdruck. Entzündliche Erkrankungen ohne Organveränderungen wie Nasennebenhöhleninfekte, Blasenentzündungen oder entzündliche Darmerkrankungen werden ebenfalls homöopathisch behandelt. Mit viel Eigenverantwortung des Patienten seien auch Arteriosklerose, Diabetes und Fettsucht homöopathisch behandelbar, sagen erfahrene Homöopathen. Grundsätzlich haben der Lebensstil sowie die persönliche Einstellung und Psyche des Patienten einen wesentlichen Einfluss auf den Heilerfolg. Dies gilt indes nicht nur für die Homöopathie und andere naturheilkundliche Methoden, sondern auch für die Methoden der Schulmedizin.
Kritik: Eine Metastudie von der Universität Bern (2005), wo 110 Homöopathie-Studien ausgewertet wurden, konnte keinen Unterschied zwischen einer Behandlung mit Placebo und einer Behandlung mit Globuli feststellen. Kritiker vermuten, dass die eingehende Anamnese und die intensive Beziehung zwischen Patient und Homöopath der ausschlaggebende Faktor für den Therapieerfolg sein könnte. Schon Thure von Uexküll, der Begründer der Psychosomatik, bezeichnete den Arzt als «das am häufigsten verwendete Medikament».
Philosophie
Spagyrik (aus dem Griechischen spao «(heraus-)ziehen, trennen» und ageiro «vereinigen, zusammenführen») ist ein altes, ganzheitliches Naturheilverfahren. Es soll den Körper mithilfe von speziell verarbeiteten Heilpflanzen zur Selbstheilung anregen. Die Wirkstoffe der Spagyrik werden ausschliesslich aus Pflanzen gewonnen und sind daher zu 100 % natür-liche Arzneimittel. Durch die vielen einzelnen Wirkstoffe ist es möglich, für jeden Patienten eine indi-viduelle und auf ihn zugeschnittene Mischung zu kreieren. Spagyrische Mittel haben keine Nebenwirkungen und sind gut verträglich, auch für Kinder und Tiere.
Herstellung
Das älteste Herstellungsverfahren ist dasjenige nach Carl-Friedrich Zimpel (1801–1879). Er entwickelte auf Basis der Alchemie die Aufbereitung pflanzlicher, mineralischer und tierischer Substanzen. Ein anderer berühmter Spagyriker war Alexander von Bernus (1880–1965), ein Freund und Anhänger Rudolf Steiners und der Okkultistin Helena Petrovna Blavatsky.
Für spagyrische Essenzen werden ausschliesslich Heilpflanzen verwendet. Die Herstellung ist aufwendig: handverlesene, gereinigte und zerkleinerte Heilpflanzen werden zunächst vergoren, damit sich Giftstoffe abbauen und nur die heilenden Substanzen der Pflanzen übrig bleiben. Danach destilliert man die Flüssigkeit (Maische); die Destillate trennt man in Fraktionen auf. Die verbleibenden festen Pflanzenteile werden zu Asche verbrannt; aus dieser löst man die Mineralsalze der Pflanze heraus. Zum Schluss werden diese mit den Destillaten wieder zusammengefügt – so erhält man die sogenannten Urtinkturen.Diese enthalten gemäss spagyrischem Verständnis die kräftigsten Pflanzensubstanzen in veredelter Form und sollen heilkräftiger sein als die Heilpflanzen selbst.
Anwendung
Spagyrische Essenzen gibt es als Tropfen, Sprays, Salben und als Einzel- oder Komplexmittel. Sie werden ebenso als eigenständige wie auch als begleitende Therapie eingesetzt, etwa zur Organstärkung und Entgiftung. Angewendet werden sie bei einer Vielzahl von chronischen und akuten Erkrankungen, etwa bei Aphten, Erkältungen, Heuschnupfen, Halsschmerzen, Unruhe und Nervosität, Wechseljahr- und Mens- truations-beschwerden sowie Prostata- und Magen-Darm-Beschwerden. Auch Infekte im Bereich der Nasennebenhöhlen und Harnwege sollen gut damit behandelt werden können. Bei herkömmlichen Therapien oder Antibiotika-Einsatz können spagyrische Mittel -Nebenwirkungen mindern. Durch das individuelle Zusammenmischen und das sehr breite Sortiment können auch Spezialfälle behandelt werden, etwa die Angst vor Spinnen oder, bei Tieren, jene vor Feuerwerk.
Kritik: Die Wirksamkeit von Spagyrik ist wissenschaftlich nicht belegt. Viele schreiben ihr «nur»den Placebo-Effekt zu. Erfahrungsmediziner hingegen sind von einer darüber hinausgehenden Wirkung überzeugt.
Philosophie
Vor 80 Jahren entwickelte der englische Arzt, Bakteriologe und Homöopath Edward Bach (1886–1936) die Bachblütentherapie. Die Theorie ist, dass die in Blüten gebundene Energie eine regulierende Wirkung auf psychische Zustände von Menschen habe. Mittels Bachblüten soll die Seele harmonisiert und eine Entfaltung und Stabilität der Persönlichkeit erreicht werden. Körperliche Beschwerden, so war Bach überzeugt, sind Ausdruck einer Disharmonie im Körper und vor allem seelischen Ursprungs. Seines Erachtens ist Krankheit «im Wesentlichen das Ergebnis eines Konflikts zwischen Seele und Verstand».
Bach fand in Wales 37 Pflanzen mit einer «höheren Schwingung». Für jeden Seelenzustand des Menschen sei eine seiner Blütenessenzen hilfreich. Eine Kombination aus fünf Einzelessenzen soll als Notfallmedikament bei seelischen Krisen helfen («Rescue-Tropfen»).
Herstellung
Um die Seeleninformationen (Essenz) der Pflanze aus ihrem physischen Körper, der Blüte, zu lösen, kommt entweder die Sonnen- oder die Kochmethode zur Anwendung. Erstere wird bei den im Frühjahr und Sommer blühenden Pflanzen genutzt: Die Blüten werden in reines Wasser gelegt und einige Stunden in der Sonne stehen gelassen; das «Blütenwasser» wird danach mit etwas Alkohol haltbar gemacht. Diese Muttertinktur liefert die Basis der Vorratsflaschen.
Bei der Kochmethode werden Blüten von Bäumen und Sträuchern verwendet, die blühen, wenn die Sonne nicht ihre volle Stärke erreicht, also im frühen Frühjahr, späten Spätjahr oder im Winter. Hier werden die Blüten möglichst nahe des Standorts, an dem sie gediehen sind, eine halbe Stunde lang in wenig Wasser gekocht und danach mehrfach gefiltert. Der Wasserauszug wird mit einer gleich grossen Menge Alkohol versetzt und schliesslich im Verhältnis 1 : 240 mit Wasser verdünnt.
Anwendung
Bachblüten werden meist begleitend zu anderen Therapien angewandt, etwa bei der Behandlung akuter und chronischer Erkrankungen. Dabei können sie den Heilungsprozess fördern. Alleine angewandt bieten die Bachblüten Hilfe für den Alltag, etwa bei Einschlafbeschwerden, Prüfungsangst und anderen Sorgen. Es gibt fertige Mischungen wie die «Rescue-Tropfen» für Ängste und Notfallsituationen oder die «Rescue-Nacht-Tropfen» für das Einschlafen.
Kritik: Eine feinstoffliche Schwingung von Blüten, die auf das Wasser übertragen werden, ist nach wissenschaftlichen Kriterien nicht nachweisbar. Mehrere Studien haben keine bessere Wirksamkeit der Bachblüten gezeigt als Placebo. Und: Die Einteilung aller Leiden in 38 Gemütszustände habe moralisierenden Charakter, sei willkürlich und unbegründet, urteilt Edzard Ernst, emeritierter Professor für Alternativmedizin an der englischen Universität Exeter. Die Pflanzenauswahl Edward Bachs sei zufällig und lasse sich ebenso wenig wie die rituelle Herstellung wissenschaftlich begründen. Nach einem Urteil des Hamburger Oberlandesgerichts gelten Bachblüten-Präparate mangels «hinreichend nachweisbarer pharmakologischer Wirkung» nicht als Arznei-, sondern als Lebensmittel. //
Buchtipps
Samuel Hahnemann «Organon der Heilkunst. Neufassung mit -Systematik und Glossar von Josef M. Schmidt», Urban & Fischer Verlag 2014, ca. Fr. 40.–
Markus Wiesenauer, Suzann Kirschner-Brouns
«Homöopathie – Das grosse Handbuch», Gräfe und Unzer Verlag 2007, ca. Fr. 450.–
Fotos: istockphoto.com