Vitamin C macht fit, es ist an diversen Stoffwechselvorgängen im Körper beteiligt und kämpft als Antioxidans gegen Krebs. In frischem Obst und Gemüse enthalten, überraschen vor allem die unauffälligen Herbst- und Wintersorten als natürliche Quellen.
Erna Jonsdottir
An apple a day keeps the doctor away», pflegte unsere Mutter zu uns Kindern zu sagen bevor sie aufmunternd in den knackigen Apfel biss. Ein Apfel am Tag, ersetzt den Arzt wohl kaum, doch er trägt aufgrund seiner wichtigen Nährstoffe – darunter Vitamin C – viel zur Gesundheit bei. Unsere Mutter isst mit 74 Jahren nach wie vor jeden Tag mindestens einen Apfel inklusive «Bütschgi». Krank sahen wir sie tatsächlich selten. Mit dem Verzehr von Äpfeln ist sie nicht alleine. Die kalorienarme Frucht ist laut «Bio Suisse» auf der Früchterangliste absoluter Spitzenreiter: Um die 15 Kilogramm isst jede Schweizerin und jeder Schweizer durchschnittlich pro Jahr. Im Herbst feiern Sorten wie Gala, Elstar, Cox Orange oder Boskoop Hochsaison. Diese zählen zwar nicht zu den Lagerköniginnen. Richtig aufbewahrt, halten sie aber immerhin bis zu fünf Monate. Falsch gelagert, können Äpfel faulen, überreif werden oder vertrocknen. Ausserdem fällt die Vitaminkurve rasant ab.
Sauer mach lustig und fit
Ein frischer Apfel liefert im Schnitt 12* Milligramm (mg) Vitamin C pro 100 Gramm Frischgewicht. Der Gehalt variiert je nach Sorte: Während der «Braeburn» mit rund 19 Milligramm trumpft, muss sich der «Gala» mit durchschnittlich 5 Milligramm geschlagen geben. Damit holt sich die einheimische Lieblingsfrucht hinsichtlich des Gehalts an Vitamin C im Vergleich zu anderen Früchten keine Goldmedaille. Doch der Verzehr von einheimischen Äpfeln ist nachhaltig und dank der guten Lagerungsfähigkeit sind sie das ganze Jahr hindurch erhältlich. Ein Blick auf die Rangliste der Top-Vitamin-C-Lieferanten zeigt: Den Apfel schlagen die Kiwi (78 mg), die Orange (52 mg), die Zitrone (50 mg) oder die Grapefruit (40,9 mg). Diese wiederum werden von zahlreichen Beeren, Kräutern und Gemüse getoppt, die im Herbst und Winter Saison haben. Eines sei vorweg genommen: Unschlagbar ist die ganzjährige Acerolakirsche. Sie stammt aus Mittel- und Südamerika und enthält im getrockneten Zustand satte 1790 Milligramm Vitamin C (frisch: 1700 mg). Mit 1600 Milligramm landet die einheimische Hagebutte, die im Herbst (am besten nach dem ersten Frost, dann schmeckt sie intensiver) im Freien gepflückt werden kann, auf dem zweiten Platz (frisch: 1250 mg). Bronze erntet der Sanddorn, der ebenso in unseren Gefilden anzutreffen ist und 1080 Milligramm Vitamin C enthält (frisch: 450 mg). Trauben und Birnen enthalten mit zirka 4 Milligramm leider wenig Vitamin C.
Die Acerolakirsche ist mit ihrem beeindruckenden Vitamin-C-Gehalt ungeschlagen.
Die unauffälligen Helden
Die Natur hält noch ein paar Überraschungen bereit: Neben der Petersilie (159 mg), zählen die rote Peperoni (150 Milligramm) und Kohlgemüse zu den einheimischen Vitamin-C-Bomben, die bis in den Herbst und teils über den Winter hinaus Hochsaison haben. Schon kleine Mengen von Rosenkohl (159 mg), Federkohl (105 mg), Brokkoli (94 mg), Blumenkohl (69 mg), Kohlrabi (63 mg) oder Weisskabis (51 mg) helfen, den Tagesbedarf an C-Vitamin zu decken.
Der krausige Federkohl passt wunderbar in Smoothies – bitte nur in kleinen Mengen! Wegen seines hohen Gehalts an Ballaststoffen kann er zu starken Blähungen führen. Brokkoli, Blumenkohl und Weiss- oder Rotkabis lassen sich zu hervorragenden Rohkostsalaten verarbeiten, während Kohlrabi beim Apéro zu den Gemüse-Sticks-Lieblingen zählt. Blähungen entgegenwirken kann man mit Kümmel oder Ingwer. Doch wie viel Vi- tamin C braucht der Mensch täglich und was gilt es noch zu beachten?
Raucher brauchen das Doppelte
Über die richtige Dosierung kursieren «immer wieder Merkwürdigkeiten», schreibt der deutsche Molekularmediziner Ulrich Strunz in «Blut – die Geheimnisse unseres flüssigen Organs». Vor einigen Jahrzehnten seien 75 Milligramm empfohlen worden – eine Zahl, die in Deutschland zunächst auf 100 Milligramm und später auf 125 Milligramm gestiegen sei. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) gibt für die tägliche Zufuhr von Vitamin C (Stand 2022) folgende Empfehlung ab, wobei das männliche Geschlecht vom jeweils höheren Referenzwert betroffen ist:
Kinder und Jugendliche
- 7 bis 10 Jahre: 45 mg
- 11 bis 14 Jahre: 70 mg
- 15 bis 17 Jahre: 100/90 mg
Erwachsene
- 18 bis 65 Jahre: 110/95 mg
- 66 Jahre plus: 90–110 / 75–95 mg
- Schwangere: 105 mg
- Stillende: 155 mg
Den Vitaminhaushalt stören können chronische Erkrankungen, Stress, Medikamente wie Aspirin oder östrogenhaltige Präparate aber auch das Rauchen. Jemand, der raucht, benötigt den doppelten Bedarf an Vitamin C, weil sein Körper durch das Rauchen den Abbau und die Ausscheidung dessen fördert. Das klassische Bild eines ausgeprägten Vitamin-C-Mangels heisst Skorbut. Diese Krankheit kann bei Betroffenen zu Blutungen in Haut, Schleimhäuten, Muskulatur und inneren Organen führen. Ein leichter Mangel verursacht eine schlechte Wundheilung, eine erhöhte Infektionsanfälligkeit sowie Müdigkeit und einen Leistungsabfall.
Superheld baut Knochen auf
Vitamin C ist berühmt für seine positive Wirkung auf das Immunsystem. Doch es kann noch viel mehr: Es ist beteiligt an vielen Stoffwechselreaktionen wie am Aufbau von Bindegewebe, Knochen, Knorpeln und Zahnfleisch. Darüber hinaus wirkt Vitamin C bei der Synthese von Neurotransmittern (Nervensystem), beim Abbau von Cholesterin oder bei der Produktion der Schilddrüsenhormone sowie als wichtiges Antioxidans.
Antioxidantien neutralisieren «freie Radikale» die natürlicherweise im Rahmen von Stoffwechselprozessen entstehen. Diese können auch durch Umweltgifte, Zigarettenrauch, Alkohol und Sonnenlicht vermehrt gebildet werden, was zu Veränderungen der Körperzellen führen kann. Der im Fachjargon bezeichnete «oxidative Stress» sorgt dafür, dass Zellen ihre Funktionen verlieren, schneller arten oder sogar entarten – ein Prozess, der zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebserkrankungen, Diabetes, Alzheimer, Parkinson und Sehstörungen führen kann. Vitamin C hilft ausserdem, Eisen aus pflanzlicher Nahrung besser zu verwerten und den gesunden Energiestoffwechsel aufrecht zu erhalten.
Der Experten Ulrich Strunz, der die von den Ernährungsgesellschaften empfohlenen Dosierungen als «lächerlich» sieht, bezeichnet das Vitamin C als «Superheld». Er rät:
- «5 bis 10 Gramm täglich helfen Erkältungssymptome wegzudrücken, steuert man früh und hoch dosiert dagegen. Ja, so hoch!
- Mit einem hohen Vitamin-C-Gehalt im Blut plus Vi- tamin E senkt man das Risiko für Herzinfarkte. Das Gleiche gilt für die Kombination von Vitamin C und Betacarotin.
- Hoch dosiertes Vitamin C plus E vermindert das Risiko, im Alter dement zu werden. Vitamin C vermindert auch die Linsentrübung im Alter (Grauer Star), und zwar wiederum in Kombination mit Vitamin E und Betacarotin.»
Wichtig: Vitamin C ist wasserlöslich und wird mit dem Urin und Kot ausgeschieden. Der Körper kann über 90 Prozent von einer Dosis an Vitamin C bis zu 300 Milligramm absorbieren. Bei höheren Dosen fällt die Resorptionsquote – der Rest wird ausgespült. Wer hohe Dosen einnimmt, sollte deshalb auf Retardkapseln, die das kristallinen Pulver «Ascorbinsäure» enthalten, setzen. Sie sorgen dafür, dass die Substanz über den Tag hindurch verzögert abgegeben und besser aufgenommen wird.
Fermentieren statt wegwerfen
Vitamin C ist empfindlich gegenüber Hitze, Sauerstoff und Metallkontakt. Um vom Optimum der Nährstoffe zu profitieren, sollten Früchte und Gemüse über den Tag deshalb roh oder gedämpft genossen werden. Eine Ausnahme ist die Kartoffel. Mit der Schale gekocht, enthält sie um die 17 Milligramm Vitamin C pro 100 Gramm, also fast so viel wie ein frisch gepflückter «Braeburn».
Ein Tipp zum Schluss: Die Fermentation ist die älteste Biotechnik der Menschheit und wird heute in aller Welt angewendet. Im Gärglas behalten die Gemüse ihre Nährstoffe, den Biss und ihre Farbe. Ausserdem entstehen beim Fermentieren Milchsäurebakterien, die dem Gemüse den prickelnden Geschmack geben und im Darm als natürliche Probiotika die Darmflora reinigen und stärken. Fermentiert werden können beinah alle Kohlsorten und sogar Kartoffeln, Äpfel oder Beeren. Wer in die Welt der Fermentation eintaucht, wird positiv überrascht sein und hoffentlich ohne Erkältung über den Winter kommen – gesunder Darm, fittes Immunsystem!
*Die Angaben des Gehalts an Vitamin C beziehen sich jeweils auf 100 Gramm Frischgewicht und variieren je nach Quelle
Kohl rettete Leben
Alle Kohlgemüse stammen vom Wildkohl ab, der seinen Ursprung im Mittelmeerraum hat. Von den Heilwirkungen des Kohls wussten schon die antiken Griechen und die Römer, die Kohl im Garten kultivierten. Hildegard von Bingen (1098–1179), die erste schriftstellernde Ärztin Deutschlands, verwendete Kohl als Auflage bei Gelenk- oder Erkältungsbeschwerden. Im Mittelalter wurde das Gemüse zum unverzichtbaren Bestandteil des Speiseplans Mittel- und Nordeuropa auch in Not; ein Grund, weshalb Kohlgerichte als «Arme-Leute-Essen» galten. 1932 wurde wissenschaftlich bestätigt, was Captain Cook bereits Ende des 18. Jahrhunderts wusste: Kohl rettet Seemannsleben, weshalb der britische Kapitän 1976 tonnenweise Sauerkraut und Zitronen mit an Bord nahm. Dank der Vitamin-C-Bomben und der langen Haltbarkeit des Krauts, konnte er drei Jahre lang die Welt erkunden, ohne dass seine Seemänner an Skorbut (Mundfäule), «scorbutus» auf Lateinisch, starben.