Venen unter Druck: Tipps für einen leichteren Alltag
Schwere Beine, geschwollene Knöchel oder Krampfadern: eine Venenschwäche ist höchst unangenehm. Insbesondere an heissen Sommertagen kann der Druck auf die Gefässe steigen. Ein Heilpraktiker verrät, welche einfachen Massnahmen vorbeugen und Linderung verschaffen.
Erna Jonsdottir
Warme Sommertage rufen nach luftigen Kleidern, kurzen Hosen oder Röcken – für manche ein Graus. Denn wer von Ödemen, Besenreisern oder Krampfadern geplagt ist, will seine Beine nicht unbedingt zeigen. Venenleiden sind nicht nur ein ästhetisches Problem. Sie sind Anzeichen einer Venenschwäche, auch Veneninsuffizienz, die das körperliche Wohlbefinden beeinträchtigen können: Während Wassereinlagerungen in den Beinen oft Schmerzen verursachen, führen Krampfadern im schlimmsten Fall zu Thrombosen. Eine Venenschwäche ist in der Regel auf eine familiäre Veranlagung zurückzuführen. Doch auch Übergewicht, langes Sitzen oder Stehen sowie hormonelle Veränderungen können zu einem erhöhten Druck in den Venen führen.
So werden die Beine schwer
Vereinfacht erklärt, geschieht das Folgende: Ist die Funktion der Venen gestört, steigt der Druck in den kleinsten Blut- und Lymphgefässen. Dabei wird mehr Flüssigkeit aus dem Blut- und Lymphsystem ins umliegende Gewebe gepresst. Die Beine werden dick und schwer, die Knöchel schwellen an, die Venen treten hervor und die Haut beginnt zu spannen. Hält der hohe Venendruck über einen längeren Zeitraum an, kann das Gewebe irreversibel geschädigt werden. Die Folgen sind Besenreiser, Krampfadern, Juckreiz, Ekzeme sowie Hautveränderungen im Knöchelbereich bis hin zu offenen Wunden – Symptome, die auf eine chronische Veneninsuffizienz hindeuten.
Wer Krampfadern, medizinisch Varikosen, entdeckt hat, wird also wohl oder übel mit ihnen leben müssen. Eine Behandlung wird nötig, sollten sie Komplikationen verursachen. Altbewährt ist die Blutegeltherapie. Eine Koryphäe auf dem Gebiet ist Dominique Kaehler Schweizer (siehe Interview). Selten müssen Krampfadern aus gesundheitlichen Gründen operiert werden. Um schwere Verläufe zu verhindern, sollten Betroffene bei den ersten Anzeichen einer Venenschwäche vorbeugende Massnahmen treffen.
Vorbeugen, aber wie?
Die besten Massnahmen sind Übergewicht vermeiden, nicht rauchen, viel Bewegung und eine gesunde Ernährung mit ausreichend Wasser oder ungesüssten Kräutertees.
Wer eine sitzende oder stehende Tätigkeit ausübt, tendiert besonders an heissen Tagen dazu, unter Ödemen in Beinen, Armen oder Händen zu leiden. Linderung verschaffen diese drei Kneipp-Anwendungen, die ebenso den Vorteil haben, prophylaktisch zu wirken:
- Kalte Armbäder: Fördern die Durchblutung, regen den Stoffwechsel an, erfrischen und lindern Schmerzen.
- Kalte Schenkelgüsse: Entkrampfen, wirken gegen Krampfadern, Besenreiser und geschwollene Beine. Der Kältereiz trainiert die Muskeln um die Gefässe herum und stärkt das Immunsystem.
- Wassertreten: Regt den Kreislauf an, erfrischt, stärkt den Blutfluss und damit auch die Venen. Wer seine Venen stärkt, beugt Krampfadern vor und lindert Schmerzen.
Venenpflanze Nummer 1
Zusätzlich zur Hydrotherapie kommt in der Naturheilkunde ein breites Spektrum von Pflanzen zum Einsatz, welche die Gefässveränderungen beeinflussen und die Venenfunktionen stabilisieren können. «Venenpflanze Nummer eins ist die Rosskastanie. Sie dichtet die Venen ab, strafft diese und reduziert die Bildung von Ödemen. Zudem ist sie entzündungshemmend und gewebsentwässernd », erklärt Gregor Metzger. Mit der Rosskastanie erzielt der Heilpraktiker grosse Erfolge. Unter anderem in einem Zürcher Altersheim, in dem die Naturheilkunde über die Jahre hinweg als integrativer Teil in der Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner inkludiert wurde.
Wunderwaffe Wickel
«Im Alter sind venöse Beschwerden sehr häufig. Diese behandeln wir symptomatisch mit kühlen Beinwickeln, die eine zweiprozentige Rosskastanien-Urtinktur enthalten», sagt er. «Faszinierend daran ist, dass man zuschauen kann, wie sich die Schwellungen zurückbilden. » Kombiniert werden die Wadenwickel mit Kompressionsstrümpfen und individuellen, hauseigenen Tinkturen.
Diese nass-kühlen Wickel eignen sich auch für jüngere Menschen mit venösen Störungen. «Wichtig ist, dass die Wassertemperatur zwischen 15 und 17 Grad Celsius liegt», rät Metzger, der auf 0.5 Liter kühles Wasser zehn Milliliter Rosskastanien-Urtinktur beimischt. Für die Umschläge verwendet er Baumwolltücher. «Die feuchten Tücher werden vom Knöchel her spiralförmig um die Waden gewickelt. Um ein optimales Ergebnis zu erzielen, sollten die Beine hochgelagert werden.»
Die Kraft von Mäusedorn und Buchweizen
In der Naturheilkunde werden die typischen Venenpflanzen auch innerlich in Form von Urtinkturen, Spagirika, Homöopathika oder Fertigarzneimitteln angewendet. Sollten Rosskastanienextrakte zu Magenproblemen führen, ist der Mäusedorn die Pflanze der Wahl. Ihr Wurzelextrakt wirkt entzündungshemmend, stärkt das Bindegewebe, erhöht die Spannung der Gefässe, dichtet die Venen ab und regt die Lymphbahnen an. Auch das rote Weinlaub, der Buchweizen und der Steinklee stärken die Venenwände und reduzieren Entzündungstendenzen von Adern und Gewebe, wobei letzterer die Lymphe stark anregt und für deren beschleunigten Abtransport sorgt.
Ein Tee fürs Büro
Für Menschen, die an heissen Tagen im Büro sitzen und weder Wickel machen noch kneippen können, hat Gregor Metzger noch einen wertvollen Tipp: «Teemischungen aus Steinklee und Buchweizen regen die Durchblutung an und verbessern den Abtransport des Wassers. In Kombination mit der Rosskastanie werden die Venen zusätzlich abgedichtet.»
Mit allen vorgeschlagenen Vorsichtsmassnahmen und einer gesunden Lebensweise kann man einer Venenschwäche also durchaus Gegensteuer geben. Wem sportliche Tätigkeiten zu viel sind: Ein schöner Spaziergang am Abend leistet Wesentliches.
Ein Rezept für die Apotheke
Arzneitee zur Stärkung der Venen
Hippocaseani semen cont 40.0 (Rosskastanie) Meliloti herba 30.0 (Steinklee) Fagopyri herba 30.0 (Buchweizen)
M. f. spec. (Mische, sodass es ein Tee wird.)
2-mal täglich 2 Teelöffel Teedroge in einer Tasse à 2 dl heissem, aber nicht kochendem Wasser 10 Minuten zugedeckt ziehen lassen und anschliessend schluckweise temperiert trinken.
«Den Biss der Blutegel spüren Sie nicht»
Dominique Kaehler Schweizer ist landesweit bekannt. In ihrer Naturheilkundepraxis therapiert die Medizinerin seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich mit Blutegeln und züchtet diese auch selbst.
Interview: Erna Jonsdottir
«natürlich»: Blutegel werden seit Jahrtausenden eingesetzt. Ist die Hirudotherapie veraltet?
Dominique Kaehler: Im Gegenteil – ich therapiere seit 2002 mit Blutegeln, weil wir sehr gute Resultate erzielen. Die Patient*innenanzahl hat sich in meiner Praxis seither mehr als verdoppelt. Zudem habe ich viele Ärzt*innen und Heilpraktiker*innen ausgebildet.
Das Wunder liegt im Speichel der Blutegel. Welche Wirkungen haben die biologisch aktiven Substanzen?
Hirudin und Co. hemmen die Blutgerinnung. Sie können Thrombosen auflösen, Schmerzen lindern, die Durchblutung fördern und die Blutgefässe putzen. Weiter hemmen sie Entzündungen, regen den Lymphfluss an, erweichen Narbengewebe und erhellen die Stimmung.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Hirudotherapie bei Krampfadern?
Die Blutegeltherapie ist keine ästhetische, sondern eine symptomatische Behandlung. Sie eignet sich für Menschen mit Varizen, die Beschwerden wie Juckreiz, Schmerzen oder geschwollene Beine haben. Blutegel lindern diese.
Sehr gute Ergebnisse gibt es bei Abszessen und Kniearthrosen. Wie effektiv ist die Behandlung bei Varizen tatsächlich? Unter Heilpraktiker*innen wird sie kontrovers diskutiert …
Nichts ist 100 Prozent wirksam. Allerdings habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Allermeisten sind sehr zufrieden mit dem Endergebnis. Die Frage ist immer: wie wurden die Betroffenen behandelt? Heilpraktiker* innen haben keine spezifische Ausbildung in der Hirudotherapie. Wer nicht richtig therapiert, wird auch keine Erfolge erzielen. Ich arbeite mit einem Protokoll, das aus meiner langjährigen Erfahrung resultiert.
Welche Faktoren sind bei der Behandlung von Krampfadern an den Beinen wichtig?
Sie erfolgt in mehreren Schritten. Patient*innen müssen mit fünf bis sechs Sitzungen à zwei Stunden rechnen. Man fängt beim Kreuzbein an und behandelt schrittweise über den Oberschenkel und je nachdem bis hin zum Unterschenkel. Ziel ist, die Lymphblockade zu lösen und den Venenfluss zu verbessern. Dadurch werden die Krampfadern auch flacher.
Ist die Therapie schmerzhaft und gibt es Nebenwirkungen?
Den Biss der Blutegel spüren Sie nicht. Sobald der Speichel in die Blutbahn gerät, brennt die Stelle – ähnlich wie eine Brennnessel – für 30 Sekunden. Nebenwirkungen können Juckreiz, Rötungen oder kleine Schwellungen sein. Diese verschwinden von allein wieder.
Was sollte ich bei der Auswahl eines*r Therapeut*in beachten?
Der*die Therapeut*in sollte eine spezielle Ausbildung in Hirudotherapie haben. Die Heilpraktikgrundausbildung reicht definitiv nicht aus.
Dominique Kaehler Schweizer ist Allgemeinmedizinerin, Fachärztin für Psychiatrie sowie Psychotherapie und verfügt über eine Zusatzausbildung in Naturheilkunde. Seit 1997 führt die 74-Jährige eine Praxis für Naturheilkunde in der Ostschweiz und betreibt mit ihrem Mann eine Blutegelzucht. Sie hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht.