Unerfüllter Kinderwunsch: Soll Eizellenspende erlaubt werden?

Am 9. Juni stimmen Volk und Stände über zwei Gesundheitsinitiativen ab. Die Krankenkassenprämien steigen und steigen. Die Parteien haben unterschiedliche Rezepte, die sie dagegen vorschlagen. Mit der Kostenbremse-Initiative, über die wir im Juni abstimmen, will die Mitte-Partei das zulässige Prämienwachstum an die Lohn- und Wirtschaftsentwicklung koppeln. Eine Befürworterin und eine Gegnerin der Initiative nehmen Stellung im «Pro und Kontra».



Pro

Ein verantwortungsvoller Schritt für Gleichstellung und Sicherheit

Der Wunsch, Leben zu schenken, ist eines der natürlichsten und tiefsten Bedürfnisse des Menschen! Doch für viele Paare bleibt dieser Wunsch leider unerreichbar. Während bei Unfruchtbarkeit des Mannes die Samenspende in der Schweiz seit Langem erlaubt ist, bleibt die Eizellenspende verboten. Ein klarer Widerspruch – und eine Ungleichbehandlung, die der Gleichstellung von Mann und Frau, wie sie die Bundesverfassung fordert, widerspricht. Der Bundesrat plant nun eine Reform, die auch die Legalisierung der Eizellenspende vorsieht. Ein richtiger Schritt für Gleichstellung, Sicherheit und Selbstbestimmung – gestützt auf ethische und wissenschaftliche Erkenntnisse.

Das aktuelle Verbot der Eizellenspende hält Paare nicht davon ab, eine Spende in Anspruch zu nehmen – es zwingt sie lediglich ins Ausland. Dort unterliegen sie oft unklaren Regulierungen, ohne garantierte medizinische Standards oder klare rechtliche Absicherung. Die Schweiz hat damit keine Kontrolle über die Bedingungen, unter denen die Spenden erfolgen. Die Legalisierung der Eizellenspende bedeutet jedoch nicht, dass der Körper von Frauen kommerzialisiert wird. Im Gegenteil: Durch klare Regeln und transparente Abläufe wird sichergestellt, dass Spenden freiwillig und ethisch vertretbar bleiben. Es geht darum, eine sichere, faire und verantwortungsbewusste Lösung in unserem Land zu schaffen – für Spenderinnen, Paare und Kinder. Gerade auch die Rechte der Kinder bleiben aktuell unzureichend geschützt. Eine Legalisierung würde ermöglichen, dass die Kinder das Recht erhalten, ihre genetische Herkunft zu erfahren. Die Nationale Ethikkommission für Humanmedizin empfiehlt seit Jahren eine Legalisierung.

Die heutige Regelung ist zudem nicht nur eine Ungleichbehandlung zwischen Mann und Frau, sondern auch eine Diskriminierung von unverheirateten Paaren, die auf die Fortpflanzungsmedizin angewiesen sind. In einer modernen Gesellschaft sollte der Zugang zur Fortpflanzungsmedizin sich nicht an einem Trauschein, sondern an den Bedürfnissen aller Beteiligten orientieren. Studien zeigen denn auch klar: Das Wohl eines Kindes hängt nicht vom Zivilstand oder Geschlecht der Eltern ab, sondern von deren Liebe, Fürsorge und Stabilität.

Die Schweiz muss ihr Fortpflanzungsmedizingesetz endlich an die gesellschaftliche Realität, den Stand der Wissenschaft und die Anforderungen der Bundesverfassung anpassen. Die geplante Reform schafft dringend benötigte Rechtssicherheit und setzt ein klares Zeichen für Gleichstellung, Verantwortung und Menschlichkeit.

 

Katja Christ ist eine Schweizer Anwältin und Politikerin (GLP). Seit 2019 ist sie Mitglied des Nationalrats und 2024/2025 dessen 2. Vizepräsidentin. Ihre parlamentarische Initiative zur Eizellenspende war Auslöser für die neuerliche Debatte.


Kontra

Keine Eizellenspende ohne Ausbeutung

Der Bundesrat möchte Eizellenspenden in der Schweiz legalisieren. Er folgt damit den immer weitergehenden Forderungen in der Fortpflanzungsmedizin. Pränataldiagnostik, Samenspende, nun Eizellenspende und später vielleicht auch die Leihmutterschaft – ethische Bedenken werden immer mehr dem Kinderwunsch untergeordnet. Im Falle der Eizellenspende steht die Schweiz davor, die körperliche Ausbeutung von Frauen in finanzieller Not zu erlauben.

Blauäugig geht der Bundesrat dieses Thema an und scheint ein idealisiertes Bild einer altruistischen Eizellenspende zu haben. Eine Spende solle freiwillig und nur gegen eine Aufwandsentschädigung erfolgen. Aber auch der Bundesrat weiss, dass die Nachfrage nach Eizellenspenden in der Schweiz zu gross ist, um diese mit Spenden aus dem Inland abzudecken. Deshalb sollen auch Importe erlaubt werden. Der Eizellenspende geht eine anstrengende Hormontherapie zuvor und erfolgt anschliessend mit einem schweren medizinischen Eingriff. Der Preis, den spendende Frauen bezahlen, ist hoch. Frauen im Ausland, die in finanzieller Not sind, dürften die Strapazen einer Eizellenspende für die «Aufwandsentschädigung» eher auf sich nehmen. Dass auch das Ideal des Kindswohls bei Eizellenspenden nicht erreichbar ist, zeigt sich bereits bei der Samenspende. Das Gesetz schreibt vor, dass Kinder das Recht haben, über ihre genetische Herkunft informiert zu werden. Der Bund führt dafür ein Spenderdatenregister. Nur: Obwohl die ersten Kinder aus Samenspenden nun erwachsen sind, verzeichnet der Bund kaum Auskunftsgesuche. Der Bundesrat gesteht ein, dass wohl viele Eltern ihre Kinder darüber im Dunkeln lassen, dass sie durch eine Spende gezeugt wurden. Aus meiner Sicht gibt es diverse Alternativen zu einer immer weiter ausufernden Fortpflanzungsmedizin. Bemühungen in der Prävention von Unfruchtbarkeit sowie für einen gesunden Lebensstil sollten mehr gefördert werden. Aber auch die Unterstützung von Paaren, die bereits in jungem Alter eine Familie gründen möchten, würde die Problematik erwiesenermassen entschärfen; zum Beispiel durch erhöhte angemessene Familienzulagen. Zuletzt sehe ich für Paare, deren Kinderwunsch unerfüllt bleibt, mit den Möglichkeiten als Pflegeeltern und der Adoption wertvolle, alternative Wege zum Familienglück. Deshalb werden wir uns auch gegen das geplante und undifferenzierte Verbot der Auslandsadoptionen einsetzen.

Eine Legalisierung der Eizellenspende gibt es nicht, ohne dass Frauen in finanzieller Not körperlich ausgebeutet werden. Als EVP werden wir diesen Schritt deshalb auf allen Ebenen bekämpfen.


Marc Jost ist EVP-Nationalrat und wohnt in Thun. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Als Theologe beschäftigt er sich auch in der Politik intensiv mit ethischen Fragen und Fragen des Kindswohls.

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