Kategorie: Gesundheit
Träumen – und dabei wissen, dass man träumt: Klarträumen ist etwas Wunderbares! Und besitzt ausserdem ein hohes therapeutisches Potenzial. Nur sollte es dabei eben nicht darum gehen, der Realität zu entfliehen.
In sogenannten luziden Träumen (auch Klar- oder Hellträume genannt) kann der Träumende die Handlung bewusst steuern oder sich Superkräfte zulegen: fliegen, Gedanken lesen, unsichtbar werden – alles ist möglich. Klarträumer können sich also eine eigene Virtual Reality schaffen, ganz ohne Brille. Trotz gewisser Analogien und einer grossen Realitätstreue handelt es sich bei einem luziden Traum nicht um eine Kopie oder Simulation des Wachbewusstseins.
Beim luziden Träumen haben wir es mit einem Zustand zu tun, in dem wir all das, was mit Gedankenkraft vorstellbar ist, zur greif-, fühl- und sichtbaren Realität werden lassen können. Ein Phänomen, das die Menschen schon vor vielen Jahrtausenden begeisterte und dem auch heute noch ein grosses therapeutisches und spirituelles Potenzial zugesprochen wird. Luzides Träumen kann aber auch einfach nur unbeschreiblichen Spass machen. Und das Beste ist: Jeder kann es lernen und sich von den zahlreichen Vorteilen selbst überzeugen.
Als wesentliches Merkmal eines luziden Traums gilt einerseits die Bewusstheit darüber, dass man am Träumen ist. Daneben ist es die Fähigkeit, den Traum kontrollieren und nach eigenen Vorstellungen aktiv ausgestalten zu können. In den häufiger vorkommenden nächtlichen Trübträumen hingegen sind wir uns des Traums weitestgehend nicht bewusst; und wir reagieren vielmehr, als selbst zu agieren.
Möglichkeiten und Grenzen
Entsprechend unserer persönlichen Vorstellungskraft gestaltet sich das Potenzial an denkbaren Möglichkeiten, was wir in einem luziden Traum alles unternehmen oder in Erfahrung bringen können, nahezu unendlich und grenzenlos: Wir können in diesem besonderen Zustand wie ein Vogel durch die Lüfte schweben, durch Wände laufen, über Wasser gehen oder uns an fremde Orte teleportieren. Wir können aber auch beliebig weit in unserer eigenen Biografie zurückreisen, uns temporär in unser Lieblingstier oder ein mystisches Fabelwesen verwandeln, ungesichert die höchsten Berggipfel besteigen oder Pflanzengeister besuchen und mit ihnen in einen heilsamen Dialog treten. Die Grenze setzt einzig unsere eigene Vorstellungskraft.
Ein Mangel an Vorstellungskraft – ein typisches Problem der modernen «Erwachsenenwelt» – ist das wohl grösste Hindernis auf dem Weg des luziden Träumens. Daneben gilt es im Zusammenhang mit «Grenzen und Hindernissen», die zeitliche Komponente zu berücksichtigen, denn dann, wenn die traumreiche REM-Phase beendet ist, oder allerspätestens wenn der Wecker klingelt, ist der Klartraum vorbei und man erwacht wieder in der gewöhnlichen Welt seines Alltagsbewusstseins. Häufig kann man sich nach dem Klarträumen noch sehr detailreich an alles erinnern, was man geträumt hat – so, als hätte man es tatsächlich erlebt.
Die Heilkraft der Träume
Wenn es uns gelingt, in einem Albtraum «luzid» zu werden, können wir aktiv in das Traumgeschehen eingreifen und die Situation grundlegend verändern. Es ist dann nicht mehr nötig, vor einer scheinbar bedrohlichen Situation davonzulaufen, sondern wir können dieser in einem konfrontationstherapeutischen Sinne offen gegenübertreten und fragen, was sie uns mitteilen möchte. Nicht selten verändert sich bereits dadurch die angsteinflössende Situation und wir bekommen die von uns gestellten Fragen beantwortet. Dies kann zu wichtigen Erkenntnissen über die tatsächlichen Auslöser unserer Albträume führen. Im Idealfall plagen sie uns danach nie wieder.
Nicht anders verhält es sich, wenn wir in unserem Alltag von Phobien – zum Beispiel Höhen- oder Platzangst – oder anderen generalisierten Angststörungen betroffen sind und in diesem Zusammenhang Albträume erleiden – auch dann empfiehlt es sich, konfrontationstherapeutisch vorzugehen. Denn sobald uns in einem solchen Albtraum bewusst wird, dass wir am Träumen sind, können wir, ohne dabei in -Panikzustände zu verfallen, auf hohe Bäume klettern, Leitern erklimmen, an bellenden Hunden vorbeigehen, Spinnen auf die Hand nehmen, enge Räume betreten, Veranstaltungen mit grossen Menschenmengen beiwohnen und so weiter. Das hat schon vielen Menschen dabei geholfen, ihre Ängste vollständig ausheilen zu können.
Interessant ist ausserdem, dass wir zur komplementären Behandlung sämtlicher Krankheitssymptome in einem Klartraum alle erdenklichen Heilpflanzen aufsuchen, sammeln und letztlich auch anwenden können. Das ist eine Technik, die aus pharmakologischer Betrachtung – im Unterschied zu einer tatsächlichen Einnahme der Heilpflanze – zwar nur wenig effektiv erscheint. Dennoch können wir davon ausgehen, dass die Heilpflanzen-Anwendung im Klartraum einen positiven und keinesfalls zu unterschätzenden Einfluss auf unser endogenes Selbstheilungssystem hat – vergleichbar mit einem Placebo.
Intensivierung des Traumerlebens
Der Klartraum ist ein spezieller Bewusstseinszustand. Während das Bewusstsein im normalen Schlaf -weitgehend heruntergefahren ist, ist es im luziden Traum aktiv. Es ist nicht auf Wachniveau, aber es registriert den Traum als Traum. Es ist ein fragiler Zustand. Steigt etwa der Geräuschpegel, fällt das Bewusstsein nicht in den normalen Traummodus zurück, sondern in die Gegenrichtung: Es schaltet auf wach. Andererseits gibt es Methoden, Klarträume zu fördern und zu intensivieren:
● Auto-Suggestion
Bei der Auto-Suggestion wiederholt man vor dem Einschlafen folgende Sätze: «Heute Nacht habe ich einen Klartraum» oder «Sobald ich träume, werde ich mir des Traumes bewusst und dieses oder jenes tun». Natürlich können derartige Sätze individuell angepasst werden.
● Meditation
Wer meditiert und sich darum bemüht, in seinem alltäglichen Handeln, Denken und Fühlen achtsam und bewusst zu sein, dem gelingt das erfahrungsgemäss auch in der Traumwelt leichter – und umgekehrt. Da-neben ist die Meditation eine sehr ge-eignete Methode, wenn es um das Verstehen, Verarbeiten und Integrieren von bestimmten Trauminhalten geht. Ausserdem können wir mit ihrer Hilfe Antworten auf Fragen finden, die durch eine intensive, jedoch unver- ständliche Traumerfahrung hervorgerufen wurden und aus der Verstandesebene heraus nicht beantwortet werden können.
● Realitätstest
Der Realitätstest ist dadurch gekennzeichnet, dass man sich mehrmals am Tag mit voller Bewusstheit und Ernsthaftigkeit die Frage stellt, ob man sich soeben im Wach- oder im Traumzustand befindet. Nach einigen Wochen der Anwendung kann diese Reflexionstechnik dazu führen, dass sich der Träumende diese Frage auch im Traum stellen kann. Beantwortet er sie schliesslich mit einem sicheren «Ja, ich träume», wandelt sich ein gewöhnlicher Trübtraum meistens augenblicklich in einen Klartraum um.
● Traumkissen
In Europa ist das sogenannte Traumkissen seit vielen Jahrhunderten als Hilfsmittel zur allgemeinen Beruhigung und Schlafförderung, zur Vertreibung von Albträumen, zur Anregung der Traumproduktion sowie zur Stärkung eines klaren Traumbewusstseins bekannt. Traditionelle Traumkissen-Pflanzen sind beispielsweise Beifuss, Eisenkraut, Hopfen, Königskerze, Lavendel, Lorbeer, Passionsblume, Salbei, Sternanis, Thymian und Zitronenmelisse.
Die Kraft des Geistes
Im tibetischen Buddhismus, dessen Zugehörige seit Jahrtausenden sogenanntes Traum-Yoga praktizieren, aber auch in vielen anderen Kulturkreisen, gilt der Klartraum als eine der wichtigsten Disziplinen auf dem Pfad der spirituellen Entwicklung – der luzide Traum als Pendant zur Meditation. Denn so, wie uns mithilfe von Meditation die Erlangung eines klaren und gegenwärtigen Geisteszustands am Tag gelingen kann, ist das luzide Träumen eine Möglichkeit, um auch in der Nacht bewusst und achtsam zu sein. Nicht selten führt luzides Träumen zur Einsicht, dass unser Geist dazu imstande ist, Realitäten und Welten zu kreieren, was bedeutet, dass wir über gigantische Schöpfungskräfte verfügen. Das wiederum ist eine wichtige Erkenntnis. Eine Erkenntnis, die in Zuständen des Wachbewusstseins zwar häufig wieder vergessen wird, durch Meditation, luzides Träumen und andere Bewusstseinstechniken jedoch dauerhaft stabilisiert werden kann, sodass wir sie für uns selbst, für unsere Mitwesen und letztlich den gesamten Planeten nutzbar machen können. Haben wir nämlich einmal vollends verinnerlicht, dass wir selbst der Schöpfer unserer eigenen inneren und äusseren Realitäten sind, werden wir automatisch ein bewussteres und naturverbundeneres Leben führen.
Es ist keinesfalls verwerflich, in seinen luziden Traumzuständen auch einfach nur mal Spass haben zu wollen. Es muss nicht immer um Heilung oder um spirituelle Erkenntnisgewinne gehen; schliesslich gehört eine gelebte Herzensfreude genauso zu einem erfüllten Leben dazu. Und wer schon einmal in seinem Traum frei wie ein Vogel geflogen ist oder als Delfin die Meere durchschwommen hat, wird keinen Zweifel daran haben, dass dem Aspekt der echten (kindlichen) Freude ebenfalls ein grosses Reservoir an therapeutisch nutzbaren Heilkräften innewohnt. Wer glücklich ist und sein Leben im «Hier und Jetzt» geniessen kann, ist schliesslich auch signifikant seltener von Erkrankungen betroffen.
REM-Schlaf
Im Schlaf gibt es immer wieder Zeiten, in denen sich die Augen schnell hin und her bewegen, daher der Name Rapid Eye Movement, kurz REM. Diese Schlafphasen nehmen etwa ein Viertel der Schlafenszeit ein. Dabei sind sämtliche Skelettmuskeln so entspannt, dass sie quasi gelähmt sind, bei Gesunden jedenfalls. Ausnahme: die Augenmuskulatur. Die elektrische Gehirnaktivität ist im REM-Schlaf ähnlich wie beim Einschlafen. Subjektiv erleben wir dann meistens Träume. Generell ist der Schlaf in 90-Minuten-Zyklen organisiert, jeder Zyklus endet mit einer REM-Phase. Sie wird mit jedem Zyklus länger.
Genuss und Herzensfreude
Schätzungsweise mehr als die Hälfte aller Erwachsenen hat bereits wenigstens einmal im Leben einen Klartraum erlebt – so das Resultat einer kürzlich veröffentlichten Übersichtsarbeit britischer Forscher. Rund ein Viertel aller Menschen träumt demnach sogar mindestens einmal im Monat luzide. Da überrascht es, dass Forscher bislang recht wenig über das Phänomen wissen. Das fängt schon bei der einfachen Frage an: Wie lässt sich ein Klartraum am besten herbeiführen?
Wissenschaftler der Universität Adelaide in Australien konzentrierten sich auf sogenannte «traum-induzierte -luzide Träume» (DILDs). Dabei wird dem Träumenden während eines normalen Traums mit einem Mal klar, dass er träumt. Ab diesem Zeitpunkt übernimmt er die Kontrolle über den Traum. Laut den Forschern lässt sich luzides Träumen in relativ kurzer Zeit lernen. Zudem scheinen Klarträume sich nicht negativ auf die Qualität des Schlafs auszuwirken. Wer klar träumte, war am nächsten Tag meist sogar ausgeruhter als sonst. Es ist aber vor allem die Tatsache, dass Klarträume sich so gezielt herbeiführen lassen, die die australischen Forscher begeistert. So liessen sich die körperlichen und geistigen Effekte luzider Träume künftig besser erforschen, glauben sie. Manche Wissenschaftler erhoffen sich beispielsweise, mit Klarträumen Albtraum-Patienten zu behandeln; andere wollen unterbewusste Kreativität freisetzen oder mithilfe von Klarträumen das Bewusstsein studieren. Auch könnten begabte Klarträumer im Schlaf mentale oder körperliche Fähigkeiten trainieren, ähnlich wie es Sportler beim Mentaltraining mit Affirmationen, also positiven Glaubenssätzen, tun. //
Buchtipp
Kevin Johann, Tine Müller: «Traumpflanzen. Mit Pflanzenkraft luzides Träumen unterstützen»,
Nachtschatten Verlag 2018, ca. Fr. 19.–
Christoph Gassmann: «Bewusster Träumen – Ein Buch für Traumjournalisten», Seth-Verlag 2017, ca. Fr. 26.–
Link
www.klartraum-wiki.de
* Kevin Johann, geb. 1987, ist Erziehungswissenschaftler (M.A.), Pflanzenpädagoge und Ethnobotaniker. Er ist Autor von drei Büchern sowie Verfasser zahlreicher Artikel zu den Themenkomplexen Pflanzenkunde, Pflanzenmedizin und Bewusstsein.