Die Augen sind ein ausgeklügeltes Zusammenspiel struktureller und funktioneller Komponenten. Stimmt die Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit nicht, kommt das Getriebe ins Stocken. Die Augen trocknen aus und werden empfindlich.
Sabine Hurni
Wir sehen nur mit dem Herzen gut – das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar», heisst es im Buch «Der kleine Prinz» von Antoine de Saint-Exupéry. Im übertragenen Sinn hat er vollkommen recht, und doch ist der Sehsinn in unserer visuell geprägten Welt von grösster Wichtigkeit. Wir verdanken ihn einem kleinen, anatomischen Wunderwerk, den Augen.
Der kugelförmige Augapfel liegt gut eingebettet in der mit Fettgewebe ausgekleideten Augenhöhle. Die Wand des Augapfels ist zwiebelschalenartig aus drei Schichten aufgebaut. Der äusseren, der mittleren und der inneren Augenhaut. Die weisse Lederhaut (Sklera), besteht aus festem Bindegewebe und gibt dem Augapfel seine Form. Die mittlere Augenhaut ist voller Blutgefässe, welche die Augen mit Nährstoffen versorgen. Im vorderen Bereich liegt die pigmentreiche Iris, welche die Augenfarbe bestimmt und das Pupillenloch. In der Iris befinden sich glatte Muskelfasern, die je nach Lichtverhältnissen – wie bei der Blende eines Fotoapparates – die Weite der Pupille verändern. Zur innersten Schicht des Augapfels gehört die Netzhaut (Retina). Die Netzhaut wird über die zentrale Netzhautarterie mit Nährstoffen versorgt, diese tritt zusammen mit dem Sehnerv am hinteren Pol des Auges in das Auge ein. Der Augapfel wird in der Augenhöhle durch sechs Muskelstränge bewegt.
Die Augenbrauen, Augenlider, Wimpern, Bindehaut und der Tränenapparat sind Schutzvorrichtungen des Auges. Die Augenbrauen und Wimpern schützen vor Sonne, Fremdkörpern und Schweiss, das Augenlid schützt vor Schmutz und verteilt mit jedem Blinzeln die Tränenflüssigkeit auf dem Auge. Es wird von willkürlichen und unwillkürlichen Muskeln bewegt, welche für den Blinzelreflex sorgen, wenn etwas an das Auge heranschnellt. Die Bindehaut schützt das Auge vor äusseren Reizungen und der Tränenapparat produziert Tränenflüssigkeit, welche neben Salzen und Wasser das bakterienabtötende Enzym Lysozym enthält.
Wenn das Auge trocken wird
Wie zentral die Tränenflüssigkeit ist, zeigt sich im Winter in trockenen Räumen oder im fortgeschrittenen Alter, wenn die Schleimhäute des Körpers und somit auch der Augen trockener werden. Normalerweise sorgt die Tränenflüssigkeit für eine gleichmässige Benetzung der Augenoberfläche und macht, dass sich Augenbewegungen geschmeidig und weich anfühlen. Beim trockenen Auge hingegen wird das Auge nicht optimal befeuchtet. Es entsteht ein unangenehmes, sandiges, kratziges, trockenes Gefühl auf der Augenoberfläche.
«Das Problem liegt häufig in einer suboptimalen Zusammensetzung der Tränenflüssigkeit», erklärt Dr. med. Regine Kloter, Augenärztin mit eigener Praxis in Baden. «In den Lidrändern befinden sich Talgdrüsen. Ihr fettreiches Sekret stabilisiert den Tränenfilm, indem es die Oberflächenspannung verbessert und die Verdunstung hemmt. Viele Menschen haben verstopfte Talgdrüsen und leiden an trockenen Augen, besonders bei konzentriertem Sehen aufgrund des unbewusst seltenen Lidschlages.» Paradoxerweise klagen viele Betroffene über tränende Augen. Das ist so zu erklären, dass die Augen die Trockenheit durch stärkere Tränenproduktion auszugleichen versuchen. Weitere Symptome trockener Augen, die einzeln oder zusammen auftreten können, sind Fremdkörpergefühl, Lichtempfindlichkeit, Brennen, Juckreiz, müde Augen, verklebte Lider– vor allem morgens, Unverträglichkeit der Kontaktlinsen und verschwommenes Sehen. Bei anhaltenden Beschwerden sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden, weil Entzündungen der Horn- und Bindehaut entstehen können sowie um andere Erkrankungen auszuschliessen. Das trockene Auge, auch Sicca-Syndrom genannt, nimmt im Alter deutlich zu. Es wird begünstigt durch hormonelle Veränderungen zum Beispiel in den Wechseljahren oder durch die Einnahme von Hormonpräparaten oder anderen Medikamenten. Ebenso trockene Heizungsluft, Gebläse von Klimaanlagen im Auto, das reduzierte Blinzeln durch den starren Blick auf elektronische Geräte aller Art und eine ungenügende Trinkmenge.
Behandlung von aussen und innen
Äusserlich kommen Augentropfen zur Anwendung, die sich wie ein schützender Film über das Auge legen. Die sogenannten Tränenersatzmittel beabsichtigen den Tränenfilm nachzuahmen, indem man ihn mit viskösen, wasseranziehenden Substanzen wie zum Beispiel Hyaluronsäure nachzubilden versucht. So wird das Auge vor dem Austrocknen geschützt. Als Heilpflanze kommt die Malve zur Anwendung, die reichlich Schleimstoffe enthält sowie homöopathische Substanzen, welche die Tränensekretion anregen und auf diese Weise das Auge befeuchten. Solche Augentropfen kann man nach Bedarf täglich anwenden, wenn nötig über Jahre, wenn die Zusammensetzung des Tränenfilms gestört ist.
Die Lidranddrüsen werden in ihrer Funktion zur Augenbenetzung oft unterschätzt. Um deren verstopfte Poren zu öffnen und das Gleichgewicht der Tränenzusammensetzung wiederherzustellen, hilft die tägliche Lidrandpflege:
- Der erste und wichtigste Schritt besteht darin, das Lidgewebe während 5 bis 10 Minuten intensiv durchzuwärmen, um den Talg zu verflüssigen. Dies gelingt am besten mit einer ca. 45 Grad warmen Auflage, zum Beispiel mit einem vorgewärmten Traubenkernkissen oder einem Cold-Hot-Pack, das man in heissem Wasser wärmt. Machen Sie es sich auf dem Sofa gemütlich, legen Sie zwei feuchte Watterondellen auf die Augen und halten Sie diese mit der Wärmeauflage warm.
- Danach folgt die Massage der Lidkanten. Die unteren Augenlider massiert man von unten nach oben bis zu den Wimpernwurzeln hin. Legen Sie einen Finger waagrecht unter das Auge und rollen Sie mit dem Finger zum Auge hin, bis direkt an die Lidkante heran. So drücken Sie den Talg aus der Drüse wie Senf aus der Tube. Analog massieren Sie am Oberlid mit einer Abrollbewegung von oben nach unten, indem Sie den Finger waagrecht von oben her zu den Wimpern runter rollen.
- Im dritten Schritt wird entfettet. Man wischt die obere und untere Lidkante, entlang der Haarwurzeln mit einem Lidrandhygienetuch oder einem befeuchteten Wattestäbchen sanft ab. Ziehen Sie für das Entfetten der unteren Lidkante das Unterlid mit einem Finger leicht nach unten.
«Wenn die Lidranddrüsen nur noch eingedickten Talg produzieren, können Omega-3-Fettsäuren unterstützend wirken», ergänzt die Augenärztin. «Diese Nahrungsergänzung zeigt allerdings erst nach mindestens dreimonatiger täglicher Einnahme einen Effekt.»
Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend, können die Zusammensetzung des Talges verbessern und wirken allgemein unterstützend bei trockenen Schleimhäuten. Die essenziellen Fette sind in fettreichem Fisch, Krill, in gemahlenen Leinsamen und Leinsamenöl, Walnüssen, Chiasamen und Hanfsamen enthalten.
Eine häufige Nebenwirkung von trockenen Augen sind Entzündungen, die aufgrund der stärkeren Reibung und der verminderten Schutzfunktion auftreten. Hier helfen als Sofortmassnahme Auflagen mit einem durchtränkten und lauwarmen Schwarzteebeutel. Auch andere gerbstoffreiche Pflanzen wie Hamamelis oder Eichenrinde können die Entzündung lindern.
Wundheilend und entzündungshemmend wirken zudem Ringelblumenblüten und Augentrost. Beides kann man als Tee zubereiten, abkühlen lassen und für Waschungen oder Auflagen verwenden. Augentrost findet man zudem in zahlreichen Augentropfen. Klingt die Entzündung nicht innert wenigen Tagen ab, ist eine ärztliche Abklärung nötig.
Die Augen stärken
Um bis ins hohe Alter gesunde Augen zu haben ist es wichtig, diesen Sorge zu tragen und sie täglich zu pflegen. Dazu gehört in erster Linie eine gesunde Ernährung, die reich an Mineralstoffen, Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen ist. Allen voran Carotinoide (Lutein), Vitamin A (Beta-Carotin), Vitamin C und E, Vitamin B2, Selen und Zink. Diese sind in farbigen Früchten und frischem Gemüse wie Karotten, Orangen und Brokkoli enthalten. Die Vitamine versorgen die Netzhaut und erhalten deren Funktionsfähigkeit. Auch im Ayurveda, der indischen Lehre vom langen Leben, sind einige Prinzipien beschrieben, um die Augen zu pflegen. Das beginnt am Morgen, beim Gesichtwaschen:
- Füllen Sie Ihren Mund mit kaltem Wasser, halten Sie das Wasser im Mund und waschen Sie die Augen mit Wasser aus. Das hat eine doppelt kühlende Wirkung auf die Augen, belebt sie und lässt sie glücklich strahlen.
- Den Blick auf einer Kerzenflamme ruhen lassen. Starren Sie zwei bis drei Minuten in die Flamme – auch das bringt die Augen zum Leuchten.
- Machen Sie Augengymnastik, indem Sie täglich die Augen in beide Richtungen je dreimal kreisen, steil nach oben, unten, links und rechts gucken. Danach in die Weite starren, die Hände aneinanderreiben und die Augen mit den warmen Händen ein bis zwei Minuten palpieren. Durch die Handwärme erhalten die Augen Kraft.
- Reiben Sie abends etwas Rizinusöl auf die Fusssohle (danach Socken anziehen), um im Körper das Windelement zu beruhigen, das schlussendlich für die trockenen Augen verantwortlich ist.
- Benutzen Sie Augentropfen mit Rosenwasser oder sprühen Sie täglich ein Rosenhydrolat über die geschlossenen Augen.
- Gönnen Sie Ihren Augen regelmässig Pausen, indem Sie beim Lesen alle 30 Minuten den Blick vom Buch heben und ein Objekt auf der anderen Seite des Raumes ansehen oder aus dem Fenster blicken, um den Fokus zu ändern.
- Bei der Computerarbeit alle ein bis zwei Stunden eine Pause machen, damit sich die Augen ausruhen können. Trinken Sie in dieser Zeit eine Tasse Kamillen- oder Pfefferminztee. Das entspannt die Augen und verringert die Belastung.
- Pflegen Sie Ihre Leber mit warmen Wickeln, Mariendistel, Löwenzahn oder Kurkuma. Das Organ ist eng verbunden mit den Augen.