Soll es im Gesundheitwesen eine Kostenbremse geben?

Am 9. Juni stimmen Volk und Stände über zwei Gesundheitsinitiativen ab. Die Krankenkassenprämien steigen und steigen. Die Parteien haben unterschiedliche Rezepte, die sie dagegen vorschlagen. Mit der Kostenbremse-Initiative, über die wir im Juni abstimmen, will die Mitte-Partei das zulässige Prämienwachstum an die Lohn- und Wirtschaftsentwicklung koppeln. Eine Befürworterin und eine Gegnerin der Initiative nehmen Stellung im «Pro und Kontra».



Pro

Kosten bremsen und Prämienexplosion stoppen
Unser Gesundheitssystem ist voller falscher Anreize. Eine vierköpfige Familie zahlt bis zu 15 000 Franken pro Jahr für ihre Krankenkassenprämien. Laut einem Gutachten des Bundes könnten sechs Milliarden Franken sofort eingespart werden, ohne Verschlechterung der Qualität der Gesundheitsversorgung. Doch die Akteure haben kein Interesse daran. Das Gesundheitswesen ist der einzige Bereich, in dem frei bestimmt werden kann, wie viele Leistungen in Rechnung gestellt werden.

Die Initiative der Mitte für eine Kostenbremse im Gesundheitswesen möchte durch eine Ergänzung von Art. 117 in der Bundesverfassung den Bund in Zusammenarbeit mit den Kantonen, den Krankenversicherern und anderen Leistungserbringern dazu verpflichten, eine Kostenbremse im Gesundheitswesen einzuführen. Wir setzen beim Kostenwachstum an, weil wir die Ursache des Prämienanstiegs bekämpfen wollen. Die Kostenbremse funktioniert wie die Schuldenbremse des Bundes. Wenn die Kosten pro Jahr 20 Prozent stärker steigen als die Löhne, dann muss der Bund Massnahmen ergreifen. Wir wollen verhindern, dass sich die Kosten im Verhältnis zu den Löhnen zu schnell entwickeln, schliesslich bezahlt die Bevölkerung die Krankenkassenprämien von den Löhnen. Sogar der Bundesrat anerkennt, dass im Gesundheitswesen Doppelspurigkeiten, Fehlanreize, ineffiziente Strukturen und nicht medizinisch begründbare Behandlungen zum Anstieg der Kosten führen. Mit seinem Gegenvorschlag setzt er zwar Kosten- und Qualitätsziele, aber wenn diese nicht erreicht werden, passiert nichts!

Mit einem Ja zur Kostenbremse-Initiative werden keine Dienstleistungen rationiert, denn es gibt keinen Automatismus, wonach Behandlungen nicht mehr gemacht werden dürfen, wenn das Kostenziel überschritten ist. Auch die Behauptung, sie führe zur Zweiklassenmedizin ist falsch. Eher das Gegenteil ist der Fall. Wenn es uns nicht gelingt, medizinisch unnötige Behandlungen zu eliminieren und Ineffizienzen reduzieren, um die Qualität der Leistungen zu erhalten, dann droht uns die Zweiklassen-medizin. Die Initiative gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, in eigener Kompetenz oder in Absprache mit den Kantonen Massnahmen zu verhängen, wenn die Akteure sich weigern. Sparmöglichkeiten gibt es genug. Die Mitte hat sich im Bereich der Digitalisierung, der Revision der Tarmed-Tarife oder der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Behandlungen (Efas-Vorlage) stark eingesetzt. Darüber hinaus würde der Bundesrat stärker in die Verantwortung genommen, um Lösungen zu finden zum Beispiel im Bereich der Medikamentenpreise oder einer überregionalen Spitalplanung.

Die Explosion der Krankenkassenprämien ist das Spiegelbild der Kostenexplosion im Gesundheitswesen. Wenn wir die Prämienexplosion stoppen wollen, braucht es ein deutliches Ja zu unserer Kostenbremse-Initiative!


Yvonne Bürgin ist Mutter drei erwachsener Kinder und arbeitet in kleinem Teilzeitpensum im familieneigenen Natursteinbetrieb. Ihre Hauptbeschäftigung ist ihr Amt als Gemeindepräsidentin von Rüti und ihr Mandat als Nationalrätin für die Mitte. Seit drei Jahren engagiert sie sich zusätzlich als Vize-Präsidentin der Mitte Schweiz.


Kontra

NEIN zur Kosten- bremsE-Initiative

Die Kostenbremse-Initiative ist gut gemeint, aber nicht zielführend. Sie verlangt innert einer Frist nicht näher definierte «wirksame Anreize», wenn die Kosten im Gesundheitswesen prozentual stärker steigen als die Löhne der Gesamtwirtschaft.

Insbesondere diese drei Punkte sprechen gegen die Kostenbremse-Initiative:

1. Unklare Anreize bei zu hohen Gesundheitskosten
Das Parlament diskutiert seit Jahren, wie man den Kostenanstieg im Gesundheitswesen verringern kann. Es wird kaum aufgrund einer fixen zeitlichen Frist plötzlich perfekte Lösungen finden, ohne die Qualität im Gesundheitswesen zu verschlechtern. Die Angst vor einer Rationierung ist also nicht unbegründet. Ein Blick ins Ausland zeigt, welche Verschlechterungen möglich wären. So könnte es beispielsweise zu deutlich längeren Wartezeiten kommen bei Wahleingriffen oder sogar bei Notfallbehandlungen.

2. Fixe Prozentzahlen für den Vergleich von Lohnkosten und Gesundheitskosten
Die Löhne sind in absoluten Zahlen in den letzten 20 Jahren eindeutig stärker angestiegen als die Ausgaben für die Krankenkassenprämien. Prozentual verhält es sich umgekehrt, weil die Krankenkassenprämie als Zahl deutlich kleiner ist als die Höhe des Lohnes. Es ist unsinnig, diese fixen Prozentzahlen als starren Mechanismus zu benützen.

3. Variable Übergangsfristen
Kommt bei zu starker Kostensteigerung im Gesundheitswesen innert der gesetzten Zweijahresfrist ein Beschluss zur Kostensenkung zustande durch Versicherer und Tarifpartner, braucht es keine Übergangsbestimmung. Erfolgt innert der vorgeschriebenen Zeit kein Beschluss auf diesem Weg, müssten Bund und Kantone Massnahmen vorschreiben (welche und bis wann?), die im nachfolgenden Jahr umgesetzt würden.

Es ist nicht erfolgsversprechend, unklare starre Anreize zur Senkung der Gesundheitskosten an Prozentzahlen zu koppeln und mit variablen Fristen zu versehen. Wir müssen für ein gutes und bezahlbares Gesundheitswesen folgende Massnahmen vorantreiben: Anwenderfreundliche Digitalisierung, TARDOC (aktueller Tarif für ambulante medizinische Leistungen), EFAS (einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen), Bürokratieabbau, gute Prävention und verbesserte Gesundheitskompetenz der Bevölkerung.  Die Kostenbremse-Initiative ist diffus und baut eine Drohkulisse auf, die allenfalls sogar in einer Rationierung und Zweiklassenmedizin endet. Das ist der falsche Weg und darum sage ich am 9. Juni 2023 NEIN zur Kostenbremse-Initiative.

Dr. med. Bettina Balmer sitzt für die Zürcher FDP im Nationalrat. Sie ist Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur und arbeitet als Oberärztin und Fachärztin für Kinderchirurgie auf der Notfallstation am Universitätskinderspital Zürich.
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