Schuhe als Lebensbegleiter
Schuhe sind mehr als ein Kleidungsstück für die Füsse. Sie sind ein Kulturgut, Ausdruck unserer Persönlichkeit und oft Ursache für Fussfehlstellungen. Viele Kinder tragen zu grosse Schuhe. Dies hat zum Teil Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter.
Fabrice Müller
Was verrät die bevorzugte Schuhart über die Persönlichkeit und den Charakter eines Menschen? Dieser Frage ging der Fachbereich Psychologie der University of Kansas nach. In einer eigens dafür erstellten Studie zeigte das Forschungsteam, dass man die Charakterzüge und die jeweilige Lebenssituation von Menschen anhand ihrer gewählten Schuhart erkennen kann. Die Studie hat unter anderem nachgewiesen, dass viele Menschen oft eine Schuhart wählen, die ihre Persönlichkeit widerspiegelt. Deshalb müssen Schuhe nicht nur gut sitzen und uns bequem von A nach B bringen: Sie haben einen symbolischen Charakter und repräsentieren das, was die Trägerin oder der Träger des Schuhs repräsentieren will.
Ein interessantes Resultat der Schuh-Studie: Träger*innen von unscheinbaren Schuhen beispielsweise beschreiben sich als beziehungsunfähig. Wer leicht abgetragene Schuhe trägt, ist laut den Studienergebnissen tolerant und vorurteilsfrei. High Heels und zu enge Halbschuhe deuten offenbar auf einen gelassenen und besonnenen Charakter hin. Gerade in der Politik dienen Schuhe oftmals als Symbol, Kommunikationsmittel und Ausdruck von Identität. Die Geschichte ist reich an Momenten, in denen Schuhe eine zentrale Rolle spielten. Denkwürdige «Schuhmomente» in der Politik reichen von Nikita Chruschtschows berühmtem Schuh-Ausbruch am 12. Oktober 1960 an der 15. Generalversammlung der UNO bis hin Hugo Chávez' roten Schuhen.
Kulturgut und Zeichen von Reichtum
Schuhgeschichte ist Kulturerbe. Schuhe sind ein Kulturgut. Und Schuhe blicken auf eine lange Geschichte bis in die Frühzeit menschlicher Kultur zurück. Im antiken Ägypten war das Tragen von Schuhen zuerst Vorrecht der Götter, dann auch der hohen Würdenträger. Die erste Verbreitung hatte militärischen Hintergrund. Sandalen als Fussschutz waren Teil der Überlegenheit über weniger entwickelte Völker. Erste unterschiedliche Formen von Schuhen mit zum Teil luxuriöser Gestaltung gab es im alten Rom.
«Schuhe blicken auf eine lange Geschichte bis in die Frühzeit menschlicher Kultur zurück.»
Im Mittelalter kam die Entwicklung des Schuhwerks lange Zeit nicht vom Fleck. Festgefahrene Standesunterschiede und Armut liessen kaum Platz für Neuerungen. Erst mit dem Wachstum in den Städten und dem Aufkommen von Bürgertum und Zünften kam Bewegung in das Schuhwerk. Die Menschen verspürten das Bedürfnis, zu repräsentieren und sich abzuheben. Daraus gingen neue Schuhmodelle und zum Teil extravagante Blüten hervor – zum Beispiel Schnabelschuhe mit über 50 Zentimeter langen Spitzen und Chopinen für die Damen mit genauso hohen Plateaus. Die Entwicklung der Wissenschaft, der Medizin und der industriellen Revolution wirkte sich auch auf das Schuhhandwerk aus: So wurden ca. 1850 erstmals Schuhe über linke und rechte Leisten gefertigt. In Italien und Frankreich erlebte die Schuhindustrie dank neuer technischer Möglichkeiten ab 1920 bis 1960 eine Blüte des Schuhdesigns.
Falsche Kinderschuhe
Schuhe begleiten die Menschen ein Leben lang. Doch Schuhe sind nicht gleich Schuhe. Und vor allem glänzen nicht alle Schuhe mit positiven Effekten auf die Gesundheit. Ungefähr 98 Prozent der Menschen kommen mit gesunden Füssen zur Welt, aber nur noch 40 Prozent von ihnen haben gesunde Füsse, wenn sie erwachsen sind. «Früher waren hauptsächlich Krankheiten, Unterernährung und manchmal Überforderung die Hauptgründe für Fussschäden», sagt Wieland Kinz, Autor des Buches «Kinderfüsse – Kinderschuhe».
Heute hingegen gebe es nur mehr einen Grund, der für Fehlentwicklungen von Kinderfüssen in Frage kommt: Schuhe, die nicht passen. Untersuchungen belegen laut Wieland Kunz immer wieder: Kaum ein Kind trägt wirklich passende Schuhe. Gemäss des Kinderfuss-Reports des Deutschen Schuhinstituts, einer Studie an 20 000 Kinderfüssen, laufen über 40 Prozent der Kinder in Schuhen, die teilweise ein bis drei Nummern zu gross sind.
Drei Schuhgrössen pro Jahr
Was ist bei Kinderschuhen zu beachten? «Kinderfüsse sind nicht einfach eine Miniatur-Ausgabe von Erwachsenenfüssen», gibt Wieland Kinz zu bedenken. «Kinder können noch nicht exakt spüren, ob ein Schuh zu klein ist oder drückt, weil sich das Nervensystem und damit auch die spezielle Empfindlichkeit der Füsse erst entwickelt.» Ausserdem seien Kinderfüsse viel weicher und biegsamer, weil sich ihre Fussknorpel erst langsam entwickelten. Kleinkinderfüsse wachsen monatlich bis zu zwei Millimeter; dies entspricht in etwa drei Schuhgrössen pro Jahr. «Der passende Schuh ist länger als der Fuss, der ihn trägt», erfährt man beim Deutschen Schuhinstitut. Vor den Zehen müsse deshalb genügend Zugabe zum Abrollen sein, da sich der Fuss beim Gehen verlängere.
Bei Kinderschuhen sei zusätzlich noch eine Wachstumszugabe wichtig, damit der Schuh auch noch einige Wochen nach der Messung richtig passt. Vor den Zehen muss Platz sein, am Ballen aber sollte der Schuh festsitzen, um zu verhindern, dass der Fuss in die Zugabe hineinrutscht. Auch die Ferse muss vom Schuh gehalten werden, damit sie im Schuh nicht herumwackelt. «Der Schuh hat sich am Fuss zu orientieren und nicht umgekehrt», betont Wieland Kinz. Deshalb seien jegliche ästhetische Werte bei Kinderschuhen zweitrangig.
Barfuss und Fussgymnastik
Als Fundament des menschlichen Körpers brauchen Füsse genügend Freiraum. Deshalb wird regelmässiges Barfusslaufen empfohlen. Denn das Gehen auf ohne Schuhe kräftigt Bänder und Sehen, stabilisiert die Gelenke und trainiert die Koordination. Auf diese Weise wirkt es verschiedenen Fussfehlstellungen und -deformitäten gezielt entgegen. Um Fussfehlstellungen vorzubeugen oder auszugleichen, lohnt sich zudem regelmässige Fussgymnastik.
Gezielte Übungen können die Fussmuskulatur stärken und die Beweglichkeit der Füsse dauerhaft verbessern. Eine der wohl gängigsten Methoden, um eine Fussfehlstellung zu beheben, ist ein korrigierendes Fussbett aus natürlichen Materialien. Dieses wird von einem Orthopäden verschrieben und an die individuelle Fussform und Fehlstellung angepasst.
Auch im Alter Muskulatur fördern
Mit dem Alter verändern sich die Füsse. Gelenke steifen ein, Bänder und Sehnen sind nicht mehr so elastisch, Fussmuskeln deformieren im Laufe der Jahre. Zudem bekunden ältere Menschen oft Probleme, die Füsse ordentlich zu pflegen, weil sie sich nicht mehr gut bücken können, die Fingerfertigkeit nachlässt und die Sehkraft schwindet. Auch älteren Menschen wird Barfussgehen empfohlen, um den Aufbau der Muskulatur zu fördern.
Auf Mass gefertigte Gesundheitsschuhe sind dann empfehlenswert, wenn man aufgrund gewisser Fehlstellungen eine spezielle Fussbettung braucht. Übrigens: Frauen leiden häufiger an Fussproblemen als Männer – was im direkten Zusammenhang mit der Wahl von Absatzschuhen und anderen unbequemen Schuhen steht.
Gerade bei Kindern sollte auf die Wahl von gutem Schuhwerk geachtet werden.
Auf Gras zu gehen tut unseren Füssen gut.
Vielfältige Fehlstellungen
Fussbeschwerden treten zwar meist erst im Erwachsenenalter auf. Die Grundlage für viele Fussschäden wird aber bereits in der Kindheit gelegt. Kinderfüsse können vielfältige Fehlstellungen in den unterschiedlichsten Ausprägungsgraden aufweisen:
Spitzfuss
Beim Spitzfuss bzw. «Pferdefuss» handelt es sich um eine Fussdeformität, bei der die Ferse so hoch steht, dass sie keinen Bodenkontakt erreicht. Die Betroffenen gehen deshalb im Zehenspitzgang. Dabei gelingt es ihnen nicht, den gesamten Fuss auf den Boden aufzustellen und abzurollen. Durch die ungewohnte Fussstellung kann es zu einer Verkürzung der Achillessehne und damit einhergehend zu einer erheblichen Funktionsstörung des gesamten Beines kommen.
Hackenfuss
Bei einem Hackenfuss ist der Fuss nach oben abgeknickt und die Fusssohle nach aussen gerichtet. Beim Gehen berührt ausschliesslich die Ferse den Boden. Ein Abrollen des Fusses ist nicht möglich. Der Hackenfuss wirkt sich auch auf das Gangbild aus, indem Knie, Hüfte und Becken in eine unnatürliche Haltung gezwungen werden.
Klumpfuss
Der sogenannte Klumpfuss ist eine der häufigsten angeborenen Fussfehlstellungen bei Babys. Es handelt sich hier um eine komplexe Fehlbildung, die mit knöchernen Veränderungen, Gelenksdeformitäten, muskulärer Imbalance und einer eingeschränkten Beweglichkeit des Fusses verbunden ist. Grundsätzlich treten vier Fehlstellungen in Kombination auf: eine Spitzfuss-Stellung, eine Einwärtsdrehung des Fusses, eine Hohlfuss-Stellung sowie eine Sichelfuss-Stellung. Zusätzlich ist beim Klumpfuss die Achillessehne verkürzt.
Knickplattfuss
Beim Knickplattfuss sind eine Verminderung, Aufhebung oder Umkehrung des Fusslängsgewölbes sowie eine Lateralabweichung des Vor- und Rückfusses charakteristisch. Es existieren zahlreiche Ausprägungsformen zwischen leichten Formabweichungen und extremen Deformierungen versteifter Plattfüsse.
Sichelfuss
Der Sichelfuss gilt als eine der häufigsten Fussfehlstellungen bei Säuglingen. Durch den nach innen gedrehten Vorderfuss erhält der gesamte Fuss die Form einer Sichel. Die Fussfehlstellung kann zu einem stark einwärts gedrehten Gang führen. Neben erblichen Faktoren entsteht diese Fussdeformität häufig in den letzten Schwangerschaftswochen aufgrund von Platzmangel in der Gebärmutter.
Hammerzehe und Krallenzehe
Hammerzehe und Krallenzehe sind beides Zehenfehlstellungen, die häufig bei einem Hallux valgus und bei einem Spreizfuss vorkommen. Bei einer Hammerzehe ist das Zehenendgelenk ständig gebeugt. Bei der Krallenzehe ist das Grundgelenk der Zehe hingegen überstreckt. Wenn konservative Behandlungsmethoden mit Fusseinlagen, Nachtschienen oder Zügelverbänden nicht den gewünschten Erfolg bringen, kommt die chirurgische Behandlung zum Einsatz.