Lebenselexir Blut
Genau wie alle anderen Organe, ist auch das Blut ein ausgeklügeltes System mit lebenswichtigen Funktionen. Für die Atmung, die Verteilung aller Nährstoffe und die Wundheilung ist das Blut von der Zeugung bis zum Tod von allergrösster Wichtigkeit.
Sabine Hurni

Dass unter der Haut alles im Fluss ist, wird uns meist dann so richtig bewusst, wenn wir uns in den Finger schneiden und das Blut aus der frischen Schnittwunde tropft. Sofort drückt man ein Papier drauf und wartet ab, bis der Blutfluss stoppt und kurze Zeit später bildet sich bereits eine dünne Kruste, die sich über die Verletzung legt. Vorausgesetzt man nimmt keine Blutverdünner ein, denn unter dem Einfluss dieser Medikamente ist die Blutgerinnung unterdrückt und der Blutfluss stoppt nur zögerlich.

Rund fünf bis sechs Liter Blut fliessen durch ein feines Netz an Blutgefässen, das ungefähr 96 000 km lang ist und jede einzelne Zelle des Körpers miteinander verbindet. Die rote Flüssigkeit ist ein liquides Organ, das sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt. Fast 50 Prozent davon ist Blutplasma, das vorwiegend Wasser enthält, 43 Prozent besteht aus roten Blutkörperchen (Erythrozyten), 2 Prozent machen die Blutplättchen (Thrombozyten) aus und 0,07 Prozent des Blutes bilden die weissen Blutkörperchen (Leukozyten). Der Rest sind Salze, Eiweiss, Fett und Zucker.
Warum das Blut rot ist
Die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) sind scheibenförmige Gebilde, die sich stark verformen können, um selbst die engsten Blutgefässe der Augen oder Ohren zu erreichen. Sie sind mit einer konzentrierten Hämoglobinlösung gefüllt, einem Protein, das zusammen mit dem Spurenelement Eisen und Sauerstoff leuchtend rot erscheint und dem Blut seine typische Farbe verleiht. Venöses Blut ist dunkler, weil es keine Sauerstoffmoleküle mehr enthält. Pro Minute produziert der Körper im Knochenmark des Brustbeins und des Beckenrandes ungefähr 180 Millionen rote Blutkörperchen. Sobald diese Zellen ausgereift sind, gelangen sie ins Blut, wo sie während 100 bis 120 Tagen dafür sorgen, dass der Sauerstoff aus der Lunge in jede einzelne Zelle des Körpers gelangt.
Unverzichtbar für die Bildung von Blut ist das Spurenelement Eisen, das es der der zentrale Baustein für den roten Farbstoff und Sauerstoffandockstelle Hämoglobin ist. Ohne genügend Eisen kann der Körper nicht genug funktionsfähige rote Blutkörperchen bilden, was zur Folge hat, dass weniger Sauerstoff mit dem Blut zu den Zellen transportiert werden kann. Mit der Zeit kann ein starker Eisenmangel zu einer Blutarmut führen, die sich mit Symptomen wie Müdigkeit, Blässe, Konzentrationsschwäche und Kurzatmigkeit äussert. Ist das Leben eines roten Blutkörperchens zu Ende, wird es in der Milz abgebaut und die einzelnen Bausteine zum grossen Teil wiederverwendet.
Die weissen Blutkörperchen und die Immunabwehr
Auch die weissen Blutkörperchen werden im Knochenmark gebildet und leben je nach Art wenige Stunden bis Jahre. Sie sind doppelt so gross wie die roten Blutkörperchen, besitzen einen Zellkern jedoch kein Hämoglobin und sind wichtig für die Immunabwehr. Das Blut kann mit Hilfe der weissen Blutkörperchen sofort reagieren, wenn Keime oder Krankheitserreger durch den Mund, die Nase, die Nahrung oder durch Verletzungen in den Körper gelangen. Dabei mobilisiert das Abwehrsystem zwei Arten von Schutzmassnahmen: Die Granulozyten und Monozyten nehmen die Erreger in sich auf und verdauen sie, die Lymphozyten bilden spezifische Abwehrzellen, die für eine jahrzehntelange Immunität sorgen.
Weil sich die weissen Blutkörperchen bekämpfen, was ihnen als fremd erscheint, gelang es der Ärzteschaft erst vor etwas mehr als 100 Jahren, Blut von einem Menschen auf einen anderen zu übertragen. Im Jahr 1901 erkannte ein Wiener Arzt, dass nicht jeder Mensch dieselbe Blutbeschaffenheit hat. Im Labortest fand er heraus, dass das Mischen einer Blutprobe mit anderen die roten Blutkörperchen einiger Proben verklumpen liess, anderer hingegen nicht. Seither weiss man, dass die roten Blutkörperchen bestimmen, ob man zur Gruppe A, B, AB oder 0 gehört. In der Schweiz kommt die Blutgruppe A am häufigsten vor, bei der indigenen Bevölkerung von Nord- und Südamerika findet man fast ausschliesslich die Blutgruppe 0 und bei den Bewohnern Zentralasiens ist es die Gruppe B, die überwiegt. Spenderinnen und Spender der Blutgruppe 0 können ihr Blut allen anderen Menschen spenden. A ist als Blutspende kompatibel mit A und AB, B mit B und AB, die Gruppe AB kann nur derselben Blutgruppe spenden.
Blutgerinnung – Glück und Risiko
Die Blutplättchen (Thrombozyten) sind kernlose, scheibenförmige, extrem kleine Gebilde, die 8 bis 10 Tage leben. Sie sorgen dafür, dass kleinste Verletzungen der Gefässe oder der Gefässwände sofort repariert werden. Zum Blutstillen verlieren die Blutplättchen ihre Scheibenform, werden kugelig und bekommen eine stachelige Oberfläche. Um den Körper vor grossem Blutverlust durch kleinere Verletzungen zu schützen, verfügt das Blut über ein Wundverschlusssystem. Als erstes verengen sich die verletzten Blutgefässe, dann heften sich die Blutplättchen an den Rand der Wunde und verschliessen die Blutkapillare innert weniger Minuten. Danach bilden Eiweisse aus dem Blutplasma, sogenannte Gerinnungsfaktoren, das unlösliche Protein Fibrin, das den Plättchenpfropf stabilisiert, die Wunde schützt und die Heilung ermöglicht.
So hilfreich die Eigenschaft des Wundverschlusses ist, wenn das Küchenmesser sein Ziel verfehlt, so gefährlich kann es werden, wenn sich Blutplättchen innerhalb eines Blutgefässes anhäufen. Solange ein Pfropf aus geronnenem Blut mit einer Gefässwand verklebt ist, besteht keine unmittelbare Gefahr für den Menschen, doch sobald sich der Thrombus löst, kann er eine engere Blutbahn verstopfen und dadurch einen Herzinfarkt, eine Lungenembolie oder einen Hirnschlag auslösen.
Effiziente Spedition
Das Blut ist das Transportorgan des Körpers. Damit der Mensch leben und atmen kann, benötigt jede Körperzelle Energie. Sie gewinnt diese durch die Umwandlung von Traubenzucker zu Kohlendioxid und Wasser. Mit Hilfe des Blutes werden deshalb Zucker und Sauerstoff zu jeder Muskel- und Gewebezelle in unserem Körper transportiert. Das Blut übergibt die beiden Stoffe an die Zelle und nimmt sogleich die Abfallstoffe aus der Energiegewinnung wieder mit. Das sauerstoffarme, kohlendioxidreiche Blut fliesst dann durch die Venen in die Lunge, wo das CO₂ ausgeatmet wird. Genauso geht das Blut auch mit den Nährstoffen vor, die im Darm aus der Nahrung entzogen werden. Das Blut zieht sämtliche Vitalstoffe aus der Darmwand in den Blutkreislauf und transportiert sie zu den Zellen, wo sie als Baustoffe, Zellschutz und Energielieferant benötigt werden. Sind diese Bestandteile abgeladen, nimmt das Blut alles mit, was die Zellen nicht mehr benötigen. Diese Abfallprodukte aus der Stoffwechselaktivität trägt das Blut zur Leber, der Niere und zum Darm, wo sie umgewandelt und ausgeschieden werden.
Sogar Wärme wird über das Blut im Körper verteilt. Die Körpertemperatur des erwachsenen Menschen beträgt ungefähr 37°C. Wird der Körper zu warm, erweitern sich die Blutgefässe, damit überschüssige Wärme abgestrahlt werden kann. Oder aber der Körper produziert Schweiss, um das Blut zu kühlen. Genau wie die Temperatur, muss auch der pH-Wert des Blutes konstant gleich bleiben. Er bewegt sich stehts im neutralen, leicht basischen Bereich von 7,35 und 7,45. Um ihn auf diesem Niveau zu halten, verfügt der Körper über Puffersysteme, die ein Zuviel an Säure sofort neutralisieren oder er leitet die Säure über den Atem oder die Nieren aus dem Körper, damit der Blut-pH-Wert immer neutral bleibt.

Blutbild in der Diagnostik
Ein Tropfen Blut reicht aus, um erste Hinweise auf Erkrankungen oder Ungleichgewichte im Körper zu erhalten. Deshalb ist die Blutdiagnostik ein zentrales Werkzeug in der modernen Medizin. Blut verrät viel über den Zustand des Körpers, Infektionen, Stoffwechselprobleme bis hin zu Tumoren. Das kleine Blutbild gehört zu den Standartuntersuchungen bei einem Arztbesuch und gibt Auskunft über die Anzahl roter und weisser Blutkörperchen, über den Hämoglobinwert und die Blutplättchen. Beim grossen Blutbild spiegelt sich der Zustand des Immunsystems, sämtliche Organwerte und vieles mehr. Auf Wunsch kann im Blut auch die Eisen-, Vitamin D3-, B12-, oder viele weitere Nährstoffwerte und Lebensmittelallergien ermittelt werden. Das Blut ist somit nicht nur Lebenssaft, sondern gibt auch viele wichtige Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Körpers.
So halten Sie Ihr Blut gesund
1. Ausgewogene, nährstoffreiche Ernährung
- Eisen: Fleisch, Hülsenfrüchte, Vollkorn, Spinat
- Vitamin B12: Fisch, Fleisch, Eier
- Folsäure: Grünes Gemüse, Vollkornprodukte
- Vitamin C: (verbessert die Eisenaufnahme) Zitrusfrüchte, Peperoni • Vitamin D: Sonne, fetter Fisch, wenn nötig Supplement
- Viel Wasser trinken: Mindestens 1,5–2 Liter täglich
2. Bewegung und Kreislauf
- Fördert Sauerstofftransport und Blutfluss
- Spazieren, Radfahren und Schwimmen fördern den Sauerstofftransport und den Blutfluss
3. Schädliche Faktoren vermeiden Bei bestimmten Belastungen, wie zum Beispiel beim Rauchen oder bei der Blutzuckerkrankheit Diabetes, verlieren die feinsten Blutgefässe (Kapillaren) ihre Elastizität, was zur Folge hat, dass die roten Blutkörperchen nicht mehr hindurch kommen. Als Folge verstopfen diese Mikrokapillaren und das durch sie versorgte Gewebe wird nicht mehr ausreichend durchblutet.
4. Ausreichend Schlaf 7–8 Stunden pro Nacht fördern Blutzellregeneration.
5. Blutspenden Das Spenden von Blut unterstützt andere Menschen und regt die eigene Blutbildung an.