Komplementär- und Alternativmedizin – Ein Teil der Gesundheitsversorgung
Das KAM-Barometer 2024 bringt viele wertvolle Erkenntnisse. So haben rund zwei Drittel der Bevölkerung bereits Methoden der Komplementär- und Alternativmedizin genutzt. Und sie sind grossmehrheitlich zufrieden.
Christian Bolliger, Markus Simon, Alina Zumbrunn
Seit die Schweizer Bevölkerung 2009 die Initiative «Ja zur Komplementärmedizin» mit klarer Mehrheit angenommen hat, ist viel passiert. Berufsverbände haben gemeinsam mit Organisationen der Arbeitswelt neue Berufsbilder ins Leben gerufen und damit die Komplementär- und Alternativmedizin (KAM) sichtbarer gemacht. Heute ist sie ein fester Bestandteil des Schweizer Gesundheitssystems. Das zeigt das neue KAM-Barometer 2024, eine vom ErfahrungsMedizinischen Register (EMR) initiierte Studie zu den Erfahrungen der Bevölkerung mit der KAM.
Wie die Schweizer Bevölkerung zur Komplementär- und Alternativmedizin (KAM) steht, sie nutzt und beurteilt, hat das EMR in einer repräsentativen Umfrage, dem KAM-Barometer, untersuchen lassen. Erstmals 2021 und erneut 2024. Die Ergebnisse sind im Vergleich fast unverändert und zeigen eindeutig: Die KAM hat sich als bedeutender Bestandteil des Schweizer Gesundheitssystems etabliert und ist aus dem Gesundheitsalltag vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Zudem ist festzuhalten, dass der Grossteil der Leistungen über die privaten Zusatzversicherungen getragen wird, die Grundversorgung also nicht belastet.
Dies sind die Hauptergebnisse des KAM-Barometers 2024
- Zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung haben die KAM bereits in Anspruch genommen – die Hälfte der Befragten allein in den letzten drei Jahren (vor der Umfrage).
- 88 % der Bevölkerung sehen die KAM als sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin – oder sehen sie gar als erste Anlaufstelle.
- 87 % der Bevölkerung sind mit dem Behandlungserfolg zufrieden («genügend» bis «sehr erfolgreich»).
- Insbesondere jüngere Menschen greifen auf die KAM zurück.
- Die Befragten nutzen die KAM vor allem bei Beschwerden wie Rücken- und Nackenschmerzen, Muskel- und Gelenkproblemen sowie Allergien.
- Neben der gezielten Behandlung von Beschwerden berichten viele Nutzerinnen und Nutzer auch von positiven Nebeneffekten: KAM trägt dazu bei, das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern und bewusster mit der eigenen Gesundheit umzugehen.
- Zwei Drittel der KAM-Behandlungen erfolgen durch Therapeutinnen und Therapeuten, ein Fünftel durch Ärztinnen und Ärzte, der Rest durch Selbstmedikation.
Starke Verbreitung
Fast die Hälfte der Befragten befindet sich gemäss KAM-Barometer 2024 in einer KAM-Behandlung oder hat sich in den letzten drei Jahren mit Methoden der KAM behandeln lassen (47 % sogenannt aktuell Nutzende). Weitere 19 % der Befragten haben sich bereits einer KAM-Behandlung unterzogen, diese liegt aber mehr als drei Jahre zurück. Insgesamt haben also zwei Drittel der Befragten (66 %) bereits Erfahrungen mit KAM gemacht.
Von 88 Prozent als sinnvoll angesehen
Die KAM stösst bei den meisten Befragten auf grosse Akzeptanz – nicht nur bei den Nutzenden. Insgesamt 63 % sehen die KAM zumindest als sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin an. Und 25 % bevorzugen die KAM wo immer möglich gegenüber der Schulmedizin. Nur 4 % der Befragten sehen keinen sinnvollen Einsatz von KAM (8 % «Weiss nicht»).
Für die Offenheit gegenüber der KAM spricht auch die Tatsache, dass 61 % von allen Befragten angeben, eine Zusatzversicherung für KAM zu besitzen, bei den aktuell Nutzenden sind es sogar 81 %. Und selbst unter jenen, die KAM nicht nutzen, haben laut Umfrage 37 % eine Zusatzversicherung für KAM abgeschlossen.
Jüngere nutzen KAM mehr als Ältere
Grössere Unterschiede in der Nutzung der KAM finden sich zwischen den Sprachregionen, Altersgruppen und hinsichtlich der Haushaltszusammensetzung. So ist der Anteil an Befragten mit KAM-Erfahrungen bei Personen im Alter von 35 bis 54 Jahren am höchsten (71 %) und bei den über 55-Jährigen am tiefsten (59 %) – bei den 16- bis 34-Jährigen sind es 66 %. Wer Kinder im Haushalt hat, zählt zudem eher zu den aktuell Nutzenden (58 %) als Befragte ohne Kinder (42 %). In der französischsprachigen Schweiz ist der Anteil aktuell Nutzender von KAM mit 53 % der Befragten deutlich höher als in der Deutschschweiz (45 %). Am geringsten fällt dieser Anteil in der italienischsprachigen Schweiz aus – mit 40 %.

Hohe Zufriedenheit
Laut KAM-Barometer 2024 zeigt sich eine hohe Zufriedenheit mit der Behandlung. Auf einer Skala von 1 (absolut erfolglos) bis 10 (sehr erfolgreich) werden die Behandlungen im Mittel mit einem Wert von 7.5 beurteilt. 87 % der Befragten stufen ihre KAM-Behandlung als genügend bis sehr erfolgreich ein (Wert 6 oder 7 genügend: 29 %, Wert 8 erfolgreich: 26 %, Wert 9 oder 10 sehr erfolgreich: 32 %). Als ungenügend (Wert 5 oder weniger) wurden nur 14 % der KAM-Behandlungen bewertet.
Die am häufigsten behandelten Beschwerden
95 unterschiedliche Beschwerden haben die Befragten mit einer Methode der KAM behandeln lassen. Am häufigsten sind dies Nacken-/Rückenschmerzen (14 %), allgemeine Muskelschmerzen/-krämpfe (8 %), allgemeine Gelenkschmerzen (7 %) und Allergien (6 %).
Weitere positive Wirkungen
Zudem haben die Behandlungen weitere positive Wirkungen, wie die Ergebnisse des KAM-Barometers 2024 bestätigen. Die Nutzenden profitieren über die Behandlung hinaus: sei es, dass sich der Gesundheitszustand allgemein verbessert hat (35 %), jemand bewusster mit der Gesundheit umgeht (34 %), besser auf Ausgleich und Entspannung achtet (34 %), besser mit Beschwerden umgeht (27 %), sich mehr bewegt (26 %) oder gesünder ernährt (21 % – mehrere Antworten möglich).

Therapeutinnen und Therapeuten sind erste Anlaufstelle
Wie eingangs erwähnt sind es mehrheitlich Therapeutinnen und Therapeuten (64 %), welche die Behandlungen durchführen. 20 % der Behandlungen erfolgen bei Ärztinnen und Ärzten, der Rest über Selbstmedikation (ohne Rezept: 24 %, begleitend mit Rezept: 11 % – mehrere Antworten möglich).
Kurz: Die Ergebnisse des KAM-Barometers 2024 bestätigen, dass sich die KAM seit der Abstimmung 2009 etabliert hat und bei der Bevölkerung auf grosse Akzeptanz stösst. Trotz dieser Erfolgsbilanz stellen sich selbstverständlich immer wieder neue Herausforderungen, etwa im wissenschaftlichen Diskurs oder in der politischen Debatte.
Zum Studiendesign
Die Erkenntnisse des KAM-Barometers 2024 stützen sich auf eine bevölkerungsrepräsentative Online-Panelerhebung von Juni und Juli 2024 bei 6262 Personen ab 16 Jahren. Ergänzt werden die Daten durch das erste KAM-Barometer von Juni und Juli 2021 mit 6375 Personen ab 16 Jahren. Bei den Prozentwerten ist zu beachten, dass sie nur eine Schätzung des «wahren Werts» in der Bevölkerung darstellen und dieser um einige Prozentpunkte um den Schätzwert streuen kann.
Die vom EMR in Auftrag gegebene Umfrage führte das auf diesem Gebiet spezialisierte Institut Polyquest AG mit methodischer Unterstützung der Büro Vatter AG durch. Details und technische Eckwerte dieser Online-Panelerhebung sind im beigelegten Studienbericht dokumentiert.
Hier gelangen Sie zum Studienbericht: