Kinesiologie

Kategorie: Gesundheit


Energie ist der Lebensimpuls des Menschen. Ist sie nicht im Fluss, kann es zu Stauungen und Blockaden kommen. In der Kinesiologie geht man davon aus, dass körperliche und seelische Probleme entstehen, wenn der Energiefluss gestört ist. Sie hat das Ziel, einen Ausgleich zu schaffen; auch bei traumatischen Erfahrungen.



Sie haben den Sturz noch nicht verarbeitet», offenbart der Chiropraktiker nach der ersten Untersuchung seinem Klienten, dem 35-jährigen Manuel. Zwei Jahre zuvor verlor der in der Sauna das Bewusstsein. Der Aufprall auf dem Boden löste schleudertraumaartige Symptome aus. Es folgte eine Odyssee durch die klassische und komplementäre Medizin. Die Nackenschmerzen und die Ausstrahlungen in den Arm blieben. Bis zu jenem Tag, als er besagtem Chiropraktiker begegnete.


Manuel lag auf der Medizinalliege, der Mediziner stellte Fragen und testete die Antworten mit einem Muskeltest am ausgestreckten Bein des Patienten. Schliesslich war die Ursache der Schmerzen gefunden: das Trauma des Sturzes.


Funktioniert das Nervensystem? Der kinesiologische Muskeltest ist die Basis von Therapie und Diagnostik der Applied Kinesiologie. Dabei geht es nicht um eine Prüfung der individuellen Kraft, sondern um die Fähigkeit des Nervensystems, auf spezifische Reize adäquat zu reagieren. Ziel ist es, Störungen zu diagnostizieren, die im Bewegungsapparat, auf physikalischer, chemischer und/oder emotionaler Ebene liegen.


Bei Manuel lagen die Störungen in erster Linie auf der emotionalen Ebene. Die Nacht nach der ersten Behandlung mit Applied Kinesiologie war der Horror für ihn: Er erbrach mehrfach; es fühlte sich an, wie in der Nacht nach dem Sturz. Verunsichert rief er den Chiropraktiker an und schilderte ihm, was geschah. «Wunderbar!» Die Freude des Arztes war unüberhörbar. «Wie stark ein Patient auf die Behandlung anspricht, kann ich nicht abschätzen. Doch das ist gut so», sagt er. Für Manuel war es der Anfang der restlosen Heilung. Endlich hatte jemand die Wurzeln des Übels erkannt – und damit die Voraussetzung für die nachhaltige Behandlung.


Zweierlei Kinesiologen In der Schweiz arbeiten aktuell nur rund 35 universitär ausgebildete Mediziner und Physiotherapeuten mit «Professioneller Applied Kinesiology». Sie sind dem Schweizer Chapter ICAK-CH angeschlossen. Hierzulande bekannter ist die Kinesiologie, wie sie Kinesuisse vertritt (siehe Box). Der wesentliche Unterschied: Um von diesem Verband anerkannt zu werden, braucht es lediglich medizinische Grundlagen und das Eidgenössische Diplom für Komplementärtherapie-Methode Kinesiologie. Auch bei der angewandten Kinesiologie ist der Muskeltest das zentrale Arbeitsinstrument, mit dem äussere und innere Einflüsse wie Gedanken, Erfahrungen, Gefühle und weitere Stressoren auf den Organismus getestet werden. Er ist sowohl Diagnosemittel als auch Instrument, um die geeigneten Massnahmen zu finden und den Energieausgleich zu erreichen, sodass die Energie wieder frei im Körper fliessen kann.

Eine von rund Tausend Mitgliedern von Kinesuisse ist Anita Saladin. Sie führt eine eigene Praxis in Schwyz. Zu ihr kommen Menschen jeglichen Alters mit körperlichen Symptomen, emotionalen Belastungen, Krankheiten, Ängsten, Schlafstörungen, Lernblockaden, Konzentrationsstörungen. Eine ihrer Klientinnen ist Julia. Sie sah plötzlich alles doppelt. Augenärzte, Neurologen, alle standen vor einem Rätsel. Vermutungen waren da. Keine erhärtete sich in den unzähligen Untersuchungen, die Julia über sich hat ergehen lassen. Entsprechend gab es auch keine wirkliche Therapie. Zwei Optionen blieben: Eine Infusionsreihe mit sehr unsicherem Ausgang – oder darauf vertrauen, dass es der Körper selbst regelt. Sie suchte Rat bei Anita Saladin.


Heilende Energie fliesst Die Kinesiologin musste sich klar abgrenzen: «Gemäss Muskeltest kann dir die Schulmedizin helfen», sagte sie zu Julia. «Ich kann dich jedoch auf dem Weg begleiten.» Mithilfe des Muskeltests konnte sie die Selbstwahrnehmung von Julia stärken und ihr Übungen für den Alltag vermitteln, die die Selbstheilungskräfte aktivierten. Julia vertraute ihrem Gefühl und liess ihrem Körper die Zeit, die er für die Heilung brauchte. Ein ganzes Jahr verging. Und tatsächlich: Ihr Körper konnte das Problem in wunderbarer Weise lösen. «Was noch verblieben ist, schränkt meine Lebensqualität nicht ein», sagt Julia. Es sind vor allem Verspannungen in der linken Gesichtshälfte, die Druck auf die Zähne ausüben. Dieses Mal gibt der Muskeltest an, dass mithilfe der Kinesiologie eine Besserung eintreten wird. Das körperliche, mentale und emotionale System von Julia ist demnach bereit. Die vollkommene Heilung geschieht nicht sofort; es braucht Geduld. Anita Saladin erklärt es so: «Es ist wie eine Kanalfahrt mit Schleusen. Wir können über energetische Ausgleiche erreichen, dass sich diese Schleusen öffnen, sodass heilende Energie in Fluss kommen kann. Oft braucht es mehrere Impulse, um den Energiefluss zum darunterliegenden Thema vollumfänglich anzuregen.»


Mit dem Muskeltest an den ausgestreckten Armen testet die Kinesiologin, was den Stress bei Julia auslöst. Die beiden suchen im Gespräch die Emotion, die die Verspannung auslöst. Schliesslich kristallisiert sich der Satz «Hindern am vollen Leben» heraus. Saladin fragt mit dem Muskeltest das «System» von Julia, ob sie noch mehr wissen müssen. Nein.


«Kinesiologie arbeitet zielorientiert», erklärt Saladin. «Wir müssen nicht alles aus der Vergangenheit kennen. Das eigene System hat den Stress erfahren. Es weiss, um was es geht.»

Begriffserklärungen

Applied Kinesiology

Entwickler der Diagnostik- und Behandlungsmethode mittels standardisierten Muskeltests war der US-amerikanische Chiropraktiker Dr. George J. Goodheart Jr. Er gründete 1964 das «International College of Applied Kinesiology». Dazu gehört auch das Schweizer Chapter ICAK-CH. Es organisiert die Ausbildung von universitären Medizinern (Ärzten, Chiropraktikern, Zahnärzten) und Physiotherapeuten in Professioneller Applied Kinesiology. Rund 35 Mitglieder. Abrechnung über die Grundversicherung.

www.professional-appliedkinesiology.com


Angewandte Kinesiologie

Dr. John F. Thie, einst ein enger Mitarbeiter von George Goodheart, entwickelte Touch for Health (im deutschsprachigen Raum «Angewandte Kinesiologie»), um die Kinesiologie auch Laien und damit einer breiten Öffentlichkeit und für den Alltag zugänglich zu machen. Beim Berufsverband Kinesuisse sind über Tausend Therapeuten angemeldet. Abrechnung über die Zusatzversicherung.

www.kinesuisse.ch


Die psychologische Umkehr wird mittels Klopfen von Akupunkturpunkten aufgehoben. Der Muskeltest hilft auch im Weiteren, die bestmögliche Unterstützung zu finden, sei das ein Text, eine Essenz oder Ausstreichen von Meridianen. Schliesslich ergibt sich der Zielsatz «Ich bin dem Sonnigen zugewandt». Julia lässt für alle fünf Sinne gedanklich etwas entstehen und spürt das positive Gefühl dazu. So kann die Verankerung nachhaltiger wirken. Zu Hause wird sie mit diesem Satz gleichzeitig den Dünndarmmeridian klopfen, der für Lebensfreude steht. Julia ist zufrieden. Das Resultat der Sitzung ist für sie nachvollziehbar. Doch nach einer Woche stürzt sie. Der Heilungsprozess stagniert. Beim nächsten Termin bei Anita wird klar, dass Julia verunsichert ist, ob die Augen einen Rückfall hatten. Dieses Mal hilft die Schachbrettmethode, der Blockade auf den Grund zu kommen. Den Zielsatz «Ich bin getragen» wird Julia in den nächsten vier Wochen zu Hause mit einer neuen Übung in ihrem System integrieren und verankern.


Was ist ein Trauma? Was Julia und Manuel gemeinsam haben, sind traumatische Erfahrungen. Gemäss Christiane Deneke, Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, ist ein Trauma ein Ereignis, das keine Fluchtmöglichkeit zulässt. Es ist als Erfahrung so überwältigend, dass die Verarbeitungskapazitäten eines Menschen in gravierender Weise überfordert werden. Auch Manuel und Julia waren dem jeweiligen Ereignis gegenüber ohnmächtig. Beide konnten das Erlebte, respektive die Körperreaktionen darauf, nicht verstandesmässig erfassen. So konnte das Grosshirn das Erlebte nicht einordnen, das Geschehen entglitt ihrer Kontrolle ins Unter- oder Unbewusste. Von dort wirkte es über den Körper weiter.


Hier setzt die Kinesiologie an. Ihr Ziel ist es, das Erlebte auf allen Ebenen (Psyche, Körper und Geist) zu integrieren. Es soll eine Entkoppelung vom Ereignis stattfinden, damit ein unbeschwertes SEIN wieder möglich ist. Erst wenn der Betroffene das Ereignis einordnen kann, fliesst die Energie wieder ungehindert. Reaktionen eines Traumas können sich auch erst Wochen oder sogar Jahre nach dem Ereignis durch Ängste, Schmerzen, Erschöpfung, Schlafstörungen, Panik usw. zeigen. Oder die Person reagiert in einer Situation mit einer überschiessenden Verhaltensweise, die in der Heftigkeit dem Moment nicht gerecht wird. Mit dem Entkoppeln und Integrieren des Traumas durch die kinesiologische Arbeit wird das vor Jahren erlebte Ereignis «richtig» eingeordnet und das Notfallprogramm kann, wie bei Manuel und Julia, beendet werden. Auf dass das frohgemute Leben wieder in Fluss kommt.


Gefragt: Anita Saladin*


« Denken Sie ein X »


Welche traumatischen Erfahrungen können mit der Kinesiologie behandelt werden?

Sowohl vor- und nachgeburtliche traumatische Erlebnisse als auch solche aus der Kindheit und der Gegenwart. Dazu gehören unter anderem der plötzliche Tod einer Bezugsperson, eine Krankheit, gewalttätige Ereignisse oder emotionale Vernachlässigung.


Viele Menschen fühlen sich gegenüber der Covid-Situation hilflos und ohnmächtig. Welche Unterstützung kann die Kinesiologie bieten?

Es geht immer darum, das «Hamsterrad» der negativen Gedanken zu durchbrechen. Das ist mit wenigen Interventionen möglich. So kommt es nicht zu gravierenden Beeinträchtigungen, die schwerwiegendere Massnahmen erfordern würden.


Gibt es Übungen, die zu Hause gemacht werden können, um selber Stress abzubauen?

Ja, die gibt es. Zum Beispiel: Hände an Stirne und Hinterkopf halten und verschiedene – auch schlimmste – Varianten dessen durchdenken, was einen belastet – bis es ruhig wird. Anschliessend sich die Situation oder das Ereignis so vorstellen, wie man es am liebsten hätte – bis es sich sicher anfühlt. So löst sich der Stress, und neue Sichtweisen zum Thema sind möglich.


Eine andere Übung bezieht sich auf das X. Das X steht in der Kinesiologie für die Verbindung der beiden Hirnhälften. Unter Stress ist diese Verbindung oft blockiert. Entsprechend kann man ein X denken und mit den Augen ein grosses X «schreiben». So kann sich die Blockade lösen.













* Anita Saladin ist Kinesiologin und Pflegefachfrau, dipl. HF, Schwyz. www.anitasaladin.ch








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