Kalter Magen – Wenn dem Körper Energie fehlt
Als Energiezentrum des Menschen verdaut der Magen Nahrung und emotionale Themen. Ein kalter Magen schwächt somit unser Verdauungsfeuer, belastet die Psyche und führt mit der Zeit zu einem Energiemangel. Wärmende Gewürze und gekochte Nahrung schaffen Abhilfe.
Laura Columberg
Haben Sie sich schon mal naturheilkundlich begleiten lassen? Vielleicht ist Ihnen dabei die Bezeichnung des kalten Magens begegnet. Naturheilkundliche Fachpersonen erfassen den Menschen ganzheitlich und öffnen den Blickwinkel auf im ersten Moment nicht akut erscheinende Themen. So auch auf die Funktionsfähigkeit und den energetischen Zustand des Magens. Dies, weil er als wichtiges Zentrum für die Energiebildung des Menschen zuständig ist und massgeblich der Stabilisierung des inneren Gleichgewichtes dient. Ganz nach dem Spruch: Verdauung gut, alles gut. Ein therapeutischer Ansatz, bei dem der Magen in ein Therapiekonzept miteinbezogen wird – auch wenn sich keine aktuellen Beschwerden in diesem Funktionssystem zeigen –, erweist eine tiefere Wirksamkeit im Laufe der Begleitung. Ziel ist es, die Selbstheilungskräfte des Menschen zu stärken und das innere Gleichgewicht zu fördern.
Der Begriff «kalter Magen» entstammt der Traditionellen Europäischen Naturheilkunde (TEN) und hat seine Wurzeln in der humoralmedizinischen Denkweise, die seit der Antike bis ins frühe 19. Jahrhundert allgemein verbreitet war. Heute wird die Denkweise der Humoralmedizin von Naturheilpraktiker*innen mit der Fachrichtung TEN immer noch gelehrt und therapeutisch genutzt.
Der Magen gilt als Zentrum der Verdauung und als Sitz der «Kochungskraft» – einer inneren angeborenen Wärme – die Nahrung in Energie und in die vier lebenswichtigen Körpersäfte umwandelt. Ist die Verdauungskraft geschwächt, dann wird von einem kalten Magen gesprochen.

Die Säftelehre der Humoralmedizin
Die Humoralmedizin – auch die Viersäftelehre genannt – ist ein antikes medizinisches Denksystem. Es beruht auf der Theorie der vier Körpersäfte, mit Einbezug der Qualitäten (warm/kalt und feucht/trocken), den Elementen (Luft, Wasser, Feuer, Erde) sowie der Temperamentenlehre (Sanguiniker, Phlegmatiker, Choleriker, Melancholiker) und stellt ein komplexes und ganzheitliches Erklärungsmodell von Gesundheit und Krankheit dar. Die beschriebenen vier Körpersäfte werden wie folgt zugeordnet:
- Blut (Sanguis): Verbindung zum Element Luft und dem Herz, Qualität: warm und feucht
- Schleim (Phlegma): Verbindung zum Element Wasser und dem Gehirn, Qualität: kalt und feucht
- Gelbe Galle (Cholera): Verbindung zum Element Feuer und der Leber, Qualität: warm und trocken
- Schwarze Galle (Melancholera): Verbindung zum Element Erde und der Milz, Qualität: kalt und trocken
Die Säftemischung bestimmt Gesundheit oder Krankheit. Zeigt sich ein Ungleichgewicht – ein Zuviel eines Saftes oder Verunreinigungen – entsteht Krankheit. Mithilfe der Säfte und ihren erkennbaren Qualitäten, können Krankheitsbilder eingestuft und ihre Entstehung erklärt werden. Ziel einer humoralmedizinischen Therapie ist es, die Säftemischung zurück in ein Gleichgewicht zu bringen. Aus der humoralen sprachlichen Bezeichnung für Krankheit oder Gesundheit, entstand auch die Bezeichnung des kalten Magens. Kälte steht dabei für ein Defizit an Energie und damit verbundener reduzierter Funktionsfähigkeit.
Symptome eines kalten Magens
Wie fühlt sich Ihr Magen an? Ist die Hautoberfläche oberhalb des Magens warm oder kalt, wenn Sie Ihre Hand auflegen?
Dieser einfache Test gibt erste Hinweise über die energetische Versorgung des Magens. Fühlt sich der Hautbereich über dem Magen – er liegt im Oberbauch, etwas mehr nach links orientiert – kalt an, kann davon ausgegangen werden, dass die Funktionsfähigkeit aktuell reduziert ist. Sanft warm sollte dieser Körperbereich immer sein, losgelöst davon, wie lange die letzte Nahrungsaufnahme her ist. Des Weiteren kann eine naturheilkundliche Fachperson spezifische Fragen nach der Funktionsfähigkeit stellen und die Verdauungskraft besser erfassen. Hierfür wird nach Ernährungsgewohnheiten, Vorlieben für Lebensmittel und Geschmacksrichtungen, körperlichen Reaktionen nach Speisen, aber auch nach dem Rhythmus der Nahrungsaufnahme und der Menge gefragt. In diesen Gesprächen erhält man auch Antworten wie: «Ich spüre meinen Magen nicht.» Oder: «Früher hatte ich immer Magenschmerzen, jetzt ist das vorbei.» Solche und ähnliche Aussagen lassen aufhorchen. Denn meist ist dies ein Hinweis darauf, dass die Magenfunktion erschöpft und bereits so schwach ist, dass nicht einmal mehr Beschwerden auftreten können. Zu den typischen Symptomen eines kalten Magens gehören:
- Verdauungsbeschwerden: Aufstossen, Blähungen, Völlegefühl, verlangsamte Verdauung
- Appetitlosigkeit: kaum Hunger, Gefühl von Abneigung gegen Nahrung
- Müdigkeit nach dem Essen: deutlicher Energieabfall nach dem Essen, kann sich ausdehnen bis in den Nachmittag hinein
- Kältegefühle: kalte Hände und Füsse, allgemeines Frösteln insbesondere nach dem Essen, kalter Magen, kalter Bauch
- Neigung zu Schleimbildung in der Verdauung: oft verbunden mit Übelkeit und Sodbrennen, Schleimhusten
- Erschöpfung: konstanter Energiemangel mit Schwächegefühl, Kraftverlust
Bei seltenem Auftreten besagter Symptome muss noch nicht direkt von einem kalten Magen ausgegangen werden. Doch mehren sich die Empfindungen über einen längeren Zeitraum, oder treten mehrere der Symptome auf, sollte ganzheitlicher Rat beigezogen werden.
Entstehung – innere und äussere Ursachen
Manchmal wird der kalte Magen bereits in den Konstitutionen eines Menschen erkennbar. Dies bedeutet, er neigt bereist aus genetischer Veranlagung zu einem energetischen Defizit. Mithilfe der Irisdiagnostik lässt sich dies im Auge erkennen. Bei dieser Diagnostikmethode, wird bei der Beurteilung der Regenbogenhaut auf Abdunkelungen im Zonenbereich des Magens geachtet.
Nebst der konstitutionellen Veranlagung kann die Entstehung eines kalten Magens durch innere und äussere Faktoren verursacht werden:
- Ernährung: Übermässiger Konsum von kalten Speisen und Getränken wie Rohkost, Zitrusfrüchte, Milchprodukte oder Eiswürfel. Sehr schwere und fettige Nahrungsmittel.
- Äussere Kälte: Längere Exposition gegenüber Kälte, insbesondere am Bauch durch dünne oder bauchfreie Kleidung. Aber auch durch den jahreszeitlichen Einfluss von Herbst und Winter.
- Stress und emotionale Belastung: Psychischer Stress, Sorgen oder Ängste können die Verdauungsorgane belasten und zu einer kühlen Verdauung führen.
- Schwäche der Verdauungskraft: Angeborene, konstitutionelle oder altersbedingte Schwäche des Magens.
- Lebensführung: Rhythmusverlust durch Stress oder Schichtarbeit mit unregelmässigen Mahlzeitenaufnahmen oder sehr später Nahrungsaufnahme.
- Einfluss anderer Organe: Die Magenfunktion kann durch Funktionsschwächung anderer Organe wie Milz, Leber, Bauchspeicheldrüse, Darm, Herz oder Nieren geschwächt werden.
Naturheilkundliche Behandlung – Wärme gegen Kälte
Das Ziel von therapeutischen Behandlungen bei einem kalten Magen ist es, Wärme in die Verdauungsfunktionen zu bringen. Hierfür kennt die Naturheilkunde verschiedenste Methoden und Heilpflanzen. So können Bitterstoffpflanzen wie Löwenzahn, Wermut, Enzian, Engelwurz, Schafgarbe oder Tausendgüldenkraut bei Magenschwäche die Verdauungskraft ankurbeln und langanhaltend erwärmend wirken. Bauen Sie zudem wärmende Gewürze wie Kurkuma, Galgant, Bertram, Ingwer, Kümmel, Muskatnuss oder Curry in Ihre tägliche Ernährung ein. Kühle Speisen können durch das Beifügen von wärmenden Gewürzen für den Magen leichter verdaubar gemacht werden – dennoch sollte aber der Konsum von kühlschrankkalten Lebensmitteln möglichst geringgehalten werden. Achten Sie bei einer schwachen Magenfunktion auf leicht verdauliche Speisen wie zum Beispiel gedämpftes Gemüse, Suppen und Früchte-Kompotte.
Diese Speisen schenken dem Körper schnell verfügbare Energie ohne viel Verdauungsaufwand und wärmen nachhaltig. Kalte Getränke sollten durch zimmerwarme oder heisse ersetzt werden. Daher empfiehlt sich auch die Anwendung der Bitterstoffpflanzen als Teekräuter in kurmässigen, täglichen Einnahmen. Und denken Sie daran: Die Bitterstoffwirkung beginnt im Mund. Süssen Sie nicht und speicheln Sie bei jedem Schluck die bittere Teemischung gut ein – so verstärken Sie die Wirkkraft.
Alternativ können Sie sich in der Drogerie oder Apotheke eine spagyrische Mischung oder Tinkturentropfen zusammenstellen lassen. Auch gibt es bittere anthroposophische Präparate in Form von Globuli. Lassen Sie sich hierzu von einer Fachperson beraten.
Das tägliche Auflegen einer Bettflasche oder eines Kirschsteinkissens auf den Magen und Bauch ist zudem wohltuend. Die Verdauungsfunktion wird gestärkt und Stress und Anspannung gelindert. Verstärken können Sie die Wirkung mit vorgängigem Einreiben eines entspannenden Öls auf Höhe des Magens. Hierfür eignet sich Lavendel-, Melissen- oder Fenchelöl. Für die Tiefenwirkung legen Sie zwischen Öl und Bettflasche noch eine feuchte Tuchauflage. Zudem gilt: warme Füsse fördern die Bauchwärme. Leiden Sie unter chronisch kalten Füssen, sollte ein tägliches kurzes Fussbad eingebaut werden. Dieses kann abends angewendet zusätzlich die Schlafqualität verbessern.
Die Behandlung des kalten Magens ist komplex und sollte von einer Fachperson aus der Naturheilpraxis begleitet werden. Nebst der direkten Behandlung des Magens, muss auch die Konstitution, Stressreduktion und die Lebensführung miteinbezogen werden, um langfristig Veränderungen erreichen zu können.
Quellen und Buchtipp
Friedemann Garvelmann / Christian Raimann: Humoralmedizinische Praxis Arbeitsgrundlagen, Bacopa Verlag, 2. erweiterte Auflage 2016, ISBN 978-3-903071-32-2