In Trance

Kategorie: Gesundheit


Hypnose kann unseren «inneren Arzt» auf Selbstheilung programmieren. Die Einsatzmöglichkeiten dieser Therapie sind vielfältig.





Ich steige eine Treppe hinauf, langsam und bewusst; Stufe für Stufe – dann tut sich ein wunderschöner Garten auf: Alles funkelt und glitzert in der Sonne, Schmetterlinge fliegen; das hohe Gras streichelt mich beim Weitergehen. Später fliege ich auf einem Adler zum Meer und lande irgendwann wieder in dem herrlichen Garten. Ich treffe mein Konterfei als ältere und als sehr junge Frau – wir schaukeln gemeinsam und lachen!

Das erlebe ich während meiner ersten Hypnotherapie: eine wunderschöne, sehr entspannende Fantasiereise, bei der mich Corina Wälchli führt. Die diplomierte Hypno- und Massagetherapeutin gibt mir dabei keine Bilder vor, diese entstehen in mir selbst. Dabei fühle ich mich zu keiner Zeit willenlos oder manipulierbar; jederzeit könnte ich die Augen aufschlagen, aufstehen und gehen. Als ich die Augen etwas später tatsächlich wieder öffne, fragt mich Corina Wälchli, wie lange mir «die Reise» denn vorgekommen sei: Ich schätze 25 Minuten – doch es waren 50 ! «Die veränderte Zeitwahrnehmung ist ein eindeutiges Zeichen, dass du tatsächlich in einer echten Trance warst», sagt die Therapeutin aus Olten.

Kein Hokuspokus

Das Stichwort Hypnose löst bei vielen Menschen gemischte Gefühle aus irgendetwas zwischen Faszination und Unheimlichkeit. Denn nicht wenige denken dabei zunächst einmal an Hypnoseshows, wo Menschen zur Belustigung oder Faszination des Publikums spektakulär in Hypnose versetzt werden und dann als willenlose Zombies agieren. Doch damit hat die Hypnotherapie rein gar nichts zu tun!

Experten sind sich einig, dass es nicht möglich ist, einen Menschen in Hypnose zu Handlungen gegen seinen Willen oder sein Wertesystem zu nötigen. Man könne auch in Trance über sich selbst bestimmen und wisse hinterher immer, was während dieser Zeit passiert sei, sind sie sicher. Auf der Jahrmarkt-Hokus-pokus-Bühne hingegen werden verschiedene Tricks angewendet, um das Publikum zu täuschen, etwa indem die Auswahl der Probanden manipuliert ist.

Hypnose zu Heilzwecken ist ein uraltes Therapieverfahren. «Sie wurde in den letzten Jahrzehnten neu entdeckt und ihre therapeutische Wirkung wissenschaftlich einwandfrei belegt», schreibt die Schweizerische Ärztegesellschaft für Hypnose (SMSH). Auf eine Interviewanfrage reagierte die hiesige ärztliche Fachgesellschaft in der Corona-Krise nicht – ihr deutsches Pendant war hingegen erreichbar: die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH). In ihr sind ebenfalls nur Therapeuten mit Approbation wie Ärzte vereinigt.

«Später fliege ich auf einem Adler zum Meer und lande irgendwann wieder in dem herrlichen Garten.»

So wirkt Hypnose

«Die moderne Hypnotherapie ist ein wissenschaftlich anerkannter Baustein der Psychotherapie – ein potentes Werkzeug, um Menschen in schwierigen Lebensphasen zu helfen», erläutert die Psychologin und Geschäftsführerin der DGH, Helga Hüsken-Janssen. Aber auch in der Chirurgie, Zahnmedizin und Geburtsvorbereitung kommt medizinische Hypnose zunehmend zum Einsatz. Denn zahlreiche Studien belegen, dass Hypnose wirkt! Gebessert werden können etwa Ängste, Belastungsstörungen, Übergewicht oder Schlaf- und Sexualstörungen. Wirksamkeitsstudien belegen den Nutzen von Hypnose auch bei somatoformen Störungen (körperliche Beschwerden, die sich nicht oder nicht hinreichend auf eine organische Erkrankung zurückführen lassen), bei akuten und chronischen Schmerzen (z. B. Fibromyalgie und Migräne) sowie bei Süchten (z. B. Alkohol- oder Tabakentzug).

Als geeignet erwiesen hat sich Hypnose auch für die Behandlung von Depressionen, Zwängen, Tinnitus und Neurodermitis sowie bei der Rehabilitation von Krebs- und Infarktpatienten. Akute Schmerzen, etwa bei einer Geburt oder bei chirurgischen Eingriffen, können mit Hypnose ebenfalls wirksam gelindert werden. Sehr populär ist dieser Einsatz bereits in der Zahnmedizin. Besonders Angstpatienten kann die Hypnose helfen, die Zahnbehandlung stressfreier zu erleben.



Trance zeigt sich im Gehirn


Der veränderte Bewusstseinszustand unter Hypnose ist dank bildgebender Verfahren heute im Gehirn messbar: Eine hypnotische Trance führt zu plastischen Veränderungen im Gehirn! «Die Hirnaktivität verschiebt sich in die rechte Hemisphäre», weiss Psychotherapeutin Helga Hüsken-Janssen. Diese Gehirnhälfte ist u. a. für Gefühle und innere -Bilder verantwortlich. Neuronale Schaltkreise werden aktiviert, die eine wichtige Funktion beim Lernvorgang einnehmen. Dabei werden unter Hypnose zusätzlich irrelevante oder -störende Wahrnehmungen ausgeblendet. «Man kommt über Hypnose an Informationen im Gehirn, die dem Patienten sonst oft nicht zugänglich sind», so Hüsken-Janssen.



Kassen zahlen nicht

Trotz der zahlreichen Belege für die Wirksamkeit werden Hypnosesitzungen in der Schweiz bislang nicht von den Krankenkassen vergütet. Falls Hypnotherapeuten jedoch vom Erfahrungsmedizinischen Register EMR oder der Schweizerischen Stiftung für Komplementärmedizin ASCA für Autogenes Training zertifiziert sind, übernehmen einige Zusatzversicherungen einen Teil der Kosten für das Autogene Training. Die Preise für eine Hypnose-Sitzung schwanken stark; für eine Erstsitzung zahlt man aufgrund des Anamnese-Gesprächs mehr als für die kürzeren Folgesitzungen.


«Die Hirnaktivität verschiebt sich in die rechte Hemisphäre.» Helga Hüsken-Janssen, Therapeutin

Aber nicht allein der Preis ist entscheidend. Es kommt auch darauf an, welche Grundausbildung ein Hypnotherapeut hat. Bei gravierenderen Gesundheitsproblemen sollte Hypnose nur von dafür gut ausgebildeten Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten ausgeübt werden.

Hypnose ist aber auch gut integrierbar in die Arbeit anderer Gesundheits- oder Lebenshilfeberufen – etwa um Stresssituationen im Alltag zu begegnen, oder um sein Verhalten besser zu verstehen und zu ändern. «Bilder oder Gefühle, die in Trance erscheinen, kommen aus dem Unterbewusstsein und können zum Beispiel den Weg zeigen», erläutert Corina Wälchli, die sich gerade in Ausbildung zur Naturheilpraktikerin TEN befindet. «Je nachdem ist es möglich, Aufschluss zu bekommen darüber, was das gerade anstehende Thema seines Unterbewusstseins ist. Oder man weckt vielleicht den inneren Heiler, der zeigt, was ich machen kann bzw. was es braucht, um bestimmte -Situationen selbst verändern zu können. Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten.»


«Der Klient oder die Klientin darf von hochkommenden Bildern und Gefühlen nicht überwältigt werden. Sonst wäre das in meinem Kontext unseriös. » Corina Wälchli, diplomierte Hypno- und Massagetherapeutin

Vorsicht, Scharlatane!

Es sei hier noch einmal betont: Hypnose ist ein wirksames Behandlungsverfahren und als solches gehört es bei gravierenderen gesundheitlichen Problemen nur in die Hände qualifizierter, verantwortungsvoller Therapeuten! Bei der Bearbeitung psychischer Blockaden etwa ist die Einbettung in einen psychotherapeutischen Gesamtrahmen oft zwingend notwendig. Gerade, wenn es um Traumata geht: Die belastende Situation wird, um sie ins Gute zu wandeln, in Trance nochmals erlebt. «Der Patient fühlt dabei seine Stärken und Ressourcen, die neben den neu programmierten Bildern im Unterbewusstsein dazu beitragen, das Trauma aufzulösen», erklärt Hüsken-Janssen. «Hier bedarf es immer einer Nachbearbeitung.»


Seriöse Therapeuten erkenne man unter anderem daran, dass immer ein Vor- und Nachgespräch geführt werde, erklärt die DGH-Geschäftsführerin und betont: «Der Therapeut muss angemessen damit umgehen können, wenn Traumata oder Ängste aufgedeckt werden.» Ist dies der Fall, sei Hypnose eine Möglichkeit zur -Mobilisierung unserer inneren Heilungspotenziale. «Daher ist in der DGH die Weiterbildung in Hypnose nur möglich für Ärzte, Zahnärzte, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Psychologische Psychotherapeuten», erläutert Hüsken-Janssen. In der Schweiz handhabt das beispielsweise auch die SMSH so. Ausserdem, so Hüsken-Janssen weiter, solle man achtsam auf sein Gefühl horchen. Denn das Wichtigste bei der Hypnotherapie ist das Vertrauen in den Hypnotiseur.

Dieses Vertrauen habe ich zu Corina Wälchli schnell aufgebaut. «Wenn der Bedarf an psychologischer Betreuung zu einem Thema wie einem Trauma gross ist, verweise ich Klienten an in Hypnose geschulte Psychotherapeuten», sagt sie. «Der Klient oder die Klientin darf von hochkommenden Bildern und Gefühlen nicht überwältigt werden. Sonst wäre das in meinem Kontext unseriös.» Manchmal seien mehrere Sitzungen notwendig, um ein Problem zu lösen; es zeige sich aber normalerweise sehr bald, ob die Methode bzw. die Therapeutin die Richtige sei. «Oft lassen sich Probleme, wie z. B. Schlafstörungen oder Schmerzen aber auch schon in einer Sitzung verbessern. Denn die Klienten erleben in Trance oft, wie sie im Normalbewusstsein ihr Befinden aktiv positiv beeinflussen können.»

Fast jeder ist hypnotisierbar

Grundsätzlich, heisst es, ist jeder Mensch hypnotisierbar. Allerdings muss man bereit sein, sich darauf einzulassen und darf sich nicht innerlich sperren. Hüsken-Janssen relativiert: «Circa zehn Prozent aller Menschen gelten als nicht hypnotisierbar.» Der Grund: «Neurologische Erkrankungen wie etwa Demenz können dazu führen, dass der Patient keine inneren Bilder entwickeln kann oder Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit nicht ausreichen, um in Trance zu kommen.»

Techniken, um einen Patienten in Trance zu versetzen, gibt es viele. «Diese müssen individuell auf den Patienten abgestimmt werden», erläutert die Psychotherapeutin. Gehe man in der Traumatherapie zurück in die Vergangenheit, laufe die Trance zwecks Raucherentwöhnung meist in eine andere Richtung: «Der Hypnotiseur versetzt den Raucher z. B. in eine Zukunftsprojektion. In Trance denkt der Raucher dann nicht nur, wie schön es ist, freie und gesunde Lungen zu haben, sondern er fühlt das auch. Das Unterbewusstsein hat eine besondere Aufnahmefähigkeit, wodurch sich diese Gefühle und Bilder neuronal verankern.» Im besten Fall rührt der Klient nach der Sitzung nie mehr eine Zigarette an, weil das Bild der freien Lunge so eindringlich verankert ist. //


● Links

www.natuerlich-online.ch


Fotos: zvg

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