Kategorie: Gesundheit
Wasser – so schlicht und einfach es in einem Trinkglas erscheint, so unfassbar ist es in seiner Vielseitigkeit und seinen Bedeutungen. In dieser durchsichtigen Flüssigkeit liegt Kraft – auch Heilkraft. Wir zeigen zwei Methoden in der Anwendung.
Unterschiedliche Methoden der Prävention, der Heilung und der Regeneration haben sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt. Die Wasserheilkunde, auch Hydrotherapie genannt, nutzt den Reiz der Wassertemperatur. Dazu wird u. a. die Wassertherapie von Kneipp mit Bädern, Güssen gezählt. In der Bäderheilkunde, der Balneologie, wird der Auftrieb durch das Wasser eingesetzt, um Muskeln und Gelenke zu entlasten, allenfalls ergänzt mit Stoffen, die vor Ort im Wasser gelöst sind wie beim Moor- oder Schwefelbad. Die Verfahren sind mit der Schliessung des Naturmoorbad Gontenbad 2013 und die Umwandlung des Kneipp-Kurhauses Dussnang 2018 in eine Klinik etwas in Vergessenheit geraten. Doch es lohnt sich, die Kraft der Wassermethoden wiederzuentdecken.
Moorbad – eine Jahrtausende alte Heilkraft
Schon Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541), hat Moor als Heilmittel gepriesen. Um 1800 herum sollen es Soldaten des französischen Kaisers Napoleon I. (1769–1821) gewesen sein, die es in Deutschland einrichten liessen. Der Schlüssel zur Wirksamkeit liegt in der Besonderheit des Moorbodens. Moore entstanden während Tausenden von Jahren durch das Verlanden von Seen durch Ablagerungen abgestorbener Organismen. Die Pflanzenresten können im sauerstoffarmen, stehenden Wasser nicht verfaulen, sondern vertorfen. Torf ist ein organisches Sediment, das in Mooren entsteht. In getrocknetem Zustand ist Torf brennbar. Er bildet sich aus der Ansammlung nicht oder nur unvollständig zersetzter pflanzlicher Substanz und stellt die erste Stufe der Inkohlung dar. Seine Heilkraft basiert auf thermischer wie biochemischer Wirkung. Die feuchte Moorerde wird bis auf 42 °C erwärmt. So kann die siebenfache Wärmemenge während eines zwanzigminütigen Vollbades dem Körper zugefügt werden. Die Körpertemperatur steigt, ein Heilfieber setzt ein, das wiederum eine Reihe von Stoffwechselaktivierungen in Gang setzt. Gleichzeitig wirken biochemische Prozesse, indem Moorinhaltstoffe wie die Huminsäure durch die Haut aufgenommen werden. Sie haben eine entgiftende Wirkung im Magen-Darm-Trakt und stärken das Immunsystem.
Empfohlen werden Moorbäder zur Aktivierung der Selbstheilungskräfte, für Schmerzlinderung etwa bei Rheuma, chronischer Polyarthritis, entzündlichen und degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen, Osteoporose, auch bei Kinderwunsch oder Wechseljahrbeschwerden. Nicht geeignet ist ein Vollbad für Menschen mit Herzschrittmachern oder bei Krebserkrankungen. Hier können, nach Absprache mit dem Arzt, Teilbäder und Packungen zur Anwendung kommen. Um einen therapeutischen Zweck zu erreichen, werden sechs bis zehn Bäder empfohlen, pro Woche maximal drei Bäder. Eine Altersgrenze dafür gibt es keine. «Mein ältester Badegast ist 96 Jahre alt. Abends trinkt er jeweils ein Bier. Und zwar ein Grosses», schmunzelt Elisabeth, Badefrau aus Bad Kohlgrub.
Schwebendes Liegen im Moorbad
Ich wage den Selbstversuch in Bad Kohlgrub, dem eben genannten höchstgelegenen Moorheilbad Deutschlands. Der Ort liegt auf rund 830 Metern über Meer im oberbayerischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Das «Kur- & Wellnesshotel – Das Johannesbad» ist eines von von fünf verbliebenen von ursprünglich 30 Häusern im Ort, das solche Bäder anbietet. In der Schweiz wird das Haus durch «Private selection Hotels und Tours», Luzern, vertreten. Das Moor stammt vom hoteleigenen Bergkiefer-Hochmoor, das in der Nähe gelegen ist. Von groben Stücken, Steinen und Ästen gereinigt, wird es direkt im Hotel für jeden einzelnen Badegast mit Wasser zu einer dickbreiigen Masse gemischt und mit 80 °C heissem Dampf auf 40 – 42 °C erwärmt. Dies übrigens ohne Zusätze, damit es nach der einmaligen Verwendung wieder zurück in den Moorstich geführt wird, wo eine erneute Vertorfung stattfindet.
Das Einsteigen in den Holzzuber ist aktiv. Kräftig muss ich mit dem Fuss durch den Matsch treten, mit dem ganzen Gewicht absitzen und mich hinlegen. Ich nehme die gut 40 °C als angenehme Wärme wahr. Um jedoch das Herz zu schützen, legt mir Badefrau Elisabeth einen Herzkühler auf die Brust. Bis über die Schultern bin ich mit Moor zugedeckt. Bevor sie mich dem Moorbad überlässt, legt sie noch eine Schnur in meine Reichweite. Diese dient als Alarmmittel im Notfall, falls ich mich nicht wohlfühlen würde. Ich habe nirgends eine Druckstelle. Ich liege und liege doch nicht. Es fühlt sich vielmehr als ein Schweben an. Auch die Arme, Hände sind getragen. Mein Körper nimmt die Wärme langsam auf. Ich schwitze leicht auf der Nase, verspüre etwas Herzklopfen. Sonst fühle ich mich einfach wohl, schwerelos wohl. Nichts schmerzt oder drückt in dieser weichen Masse. Es riecht, wie in einem anderen Bad, nach einem dezenten Duft, nicht nach «Dreck». Meine Gedanken tauchen ab. Vor meinem inneren Auge sehe ich die Landschaft bei der Anreise: Birken, kleine Seelein, Moorlandschaften. Ich liege in einem weichen Polster von Moos, wärmend die dunkle weiche Erde, die mich trägt. Ich fühle eine grosse Geborgenheit. Oder wie auf einer Tafel steht, die zum Meditationsweg Ammergauer Alpen gehört und in der Nähe beim Moorstich des Hotels steht: «Lassen wir uns inspirieren von der Natur um uns herum. Nehmen wir die Jahrtausende alte Heilkraft wahr, die uns umgibt. Ich darf alles dankbar annehmen».
Das Licht geht an. Elisabeth holt mich zurück ins Hier und Jetzt. Das Aussteigen ist eine kleine Herausforderung. Ich muss den träg gewordenen Körper gegen die Moormasse an die Oberfläche stemmen. Abstreifen, was möglich ist. «Duschen Sie sich nur mit Wasser ohne Seife. Lassen Sie den Rest möglichst lange auf Ihrem Körper», rät mir die Fachfrau. Im Ruheraum, eingepackt in Tüchern, geniesse ich das wohlige Sein. Die Haut fühlt sich angenehm an, auch nicht ausgetrocknet. Die Wärme bleibt für Stunden. Tief innen.
Kneippen: Gut für die Durchblutung
Eine andere Methode ist das Kneippen. Fürs Kneippen muss man nicht verreisen. Da reicht der Gang ins Badezimmer. Oder, wie es Corinne Suter, die Abfahrts-Olympiasiegerin 2022 macht, vor die Haustüre: «Vor allem nach einem grossen Sturz ging ich jeden Tag im See schwimmen. Meiner Durchblutung tat es gut. Das kalte Wasser hat mich abgehärtet».
Ob die Skifahrerin aus Schwyz weiss, dass sie das Grundprinzip von Sebastian Kneipp (1821–1897) anwendet? Ihre Durchblutung wird durch den Kältereiz angeregt. In der Folge kommt es zu einer gesteigerten Leistung des ganzen Organismus, die Zellernährung wird verbessert, Stoffwechselfunktionen angeregt. Die Sportlerin nutzte die Wassertherapie in der Reha-Phase. Grösste Wirkung erzielt man mit den über 120 Formen von Kneipp-Wasseranwendungen bei der Prävention. Allgemein geht es beim Kneippen darum, den Körper «abzuhärten». Haut und Organismus werden mit Wassertreten, Waschungen, Luftbad, Trockenbürsten, Bäder oder auch Güsse trainiert, auf verschiedene Reize richtig zu reagieren. Ziel ist es, dass der Körper besser auf krankmachende Einflüsse reagieren kann. Massgebend dabei ist der Reiz auf die Haut. Kaltwasserreize, ca. 15 °C, haben das Ziel, den Wärmehaushalt zu regulieren und zu stabilisieren. Warme Anwendungen zwischen 36–38 °C werden vor allem als Bäder genommen und haben eine beruhigende Wirkung. Wechselwarme Formen empfehlen sich für weniger belastbare Personen.
Fünf Säulen der Kneipp-Methode
Sebastian Kneipp war nicht der erste, der sich mit Wassertherapie beschäftigte. Der Deutsche verfeinerte jedoch die zu seiner Lebzeit im 19. Jahrhundert bereits bekannten Methoden, in dem er sich selbst von Tuberkulose kurierte. Daraus entwickelte er die Kneipp-Methode mit fünf Säulen: Wassertherapie, Vollwertkost, massvolle Bewegung, Kräuter- und Pflanzentherapie und die Ordnungstherapie, wo er eine positive Lebensweise und Meditation empfiehlt. «Ein ganzheitliches europäisches Naturheilverfahren, das auch heute nichts an Aktualität verloren hat», ist Yvonne Schnetzer überzeugt. Das Kneippen hat die ausgebildete Kauffrau entdeckt, als sie sich während der Familienphase weiterbilden wollte. Sie suchte nach Möglichkeiten, wie sie auch ihre Kinder ganzheitlich unterstützen konnte. Es blieb nicht bei einem vierwöchigen Grundkurs. Die eigenen Erfahrungen und diejenige mit der Familie zeigen ihr immer wieder, wie wertvoll die Wassertherapien von Kneipp sind. «Macht sich eine Erkältung oder eine Grippe bemerkbar, nehme ich ein zwanzigminütiges, aufsteigendes Fussbad. Dazu noch einen heissen, schweisstreibenden Tee und ab unter die Bettdecke. Darauf schwört inzwischen die ganze Familie», schmunzelt sie. Werden die Kneipp-Wasser-Kuren zur Heilung eingesetzt, ist es wichtig, den Krankheitsverlauf möglichst zu Beginn zu brechen.
gefragt: Yvonne Schnetzer
«Kneippen kann ich fast überall»
Yvonne Schnetzer ist Vorstandsmitglied im Schweizer Kneippverband. Die Expertin sagt, auf was es beim Kneippen ankommt.
«natürlich»: Was begeistert Sie am Kneippen?
Yvonne Schnetzer: Kneippen ist fast jederzeit und überall, auch am Stadtbrunnen, möglich. Ich finde es faszinierend, dass ich «nur» mit Wasser bereits viel erreichen kann, ohne dass ich Medikamente schlucken muss.
Auf was müssen Einsteiger*innen beim Kneippen achten?
Beginnen Sie mit einfachen Übungen wie dem Armbad oder Waschungen. Beobachten Sie die eigene Reaktion. Gewöhnung vermeiden. Wärmen Sie sich allenfalls zuerst auf, bevor Sie eine Kälteanwendung machen.
Wann sind Kneipp-Anwendungen nicht empfohlen?
Wer sich krank fühlt, Fieber, Nieren- oder Blasenleiden hat, sollte nicht mit kaltem Wasser kneippen. Wählen Sie jeweils nur eine Anwendung. Gönnen Sie dem Körper zwei Stunden Pause vor der nächsten Anwendung.
Mehr Infos unter: www.kneipp.ch
Kneippen zu Hause
Waschungen
Vorgehen: Mit sanftem Druck von der herzentferntesten Stelle mit feuchtem Lappen einen Wassermantel über die Haut ziehen. Tuch immer wieder wenden, damit die kühle und feuchte Seite am Körper ist. Der Körper kann ganz oder Teile davon gewaschen werden.
Armwaschung: Beginn am rechten Handrücken, von aussen bis zur Achsel und zurückfahren. Wieder aussen hinauf zur Achselhöhle, diese kühl auswaschen. Links wiederholen.
Zweck: erfrischend, schnelle Regeneration zwischen Herausforderungen, erschlaffende Haut beleben, weniger kalte Arme bei regelmässiger Durchführung
Wassertreten, Tau- oder Schneelaufen
Vorgehen: Wie ein Storch abwechselnd die Füsse ganz aus dem 30 cm tiefen kalten Wasser ziehen. Zum Aufwärmen Socken anziehen. Wassertreten max. 1 Minute, Schneelaufen bis 3 Minuten im frischen Schnee, Taulaufen auf Wiesen bis 5 Min.
Zweck: kräftigende Wirkung
Kaltes Armbad: «Tasse Kaffee der Natur»
Vorgehen: Wanne oder Lavabo füllen, so dass die angewinkelten Arme bis Mitte Oberarm eingetaucht werden können. Temperatur max. 15 °C. Arme leicht auf und ab bewegen. Ca. 20 Sek.
Zweck: Ableiten bei Kopfweh, Anregung der Zirkulation, erfrischend
Warmes Fussbad:
Vorgehen: Temperatur von 36 – 38 °C in Becken einfüllen, so dass die Waden bis zur Hälfte im Wasser sind. Während 2–30 Sek Füsse auf- und abbewegen. Vorsicht bei Krampfadern; Temperatur 36 °C oder Wasser nur bis Fussknöchel füllen.
Zweck: Kältegefühl des ganzen Körpers beheben. Positiver Einfluss bei chronischen Nierenentzündungen, Rheuma oder bei Schweissfüssen.