Heilsames Odeur

Kategorie: Gesundheit


Orangen, Zimt, Vanille oder Fichtennadeln – während der Weihnachtszeit liegen magische Düfte in der Luft, die wie unsichtbare Zauberwesen Erinnerungen wecken und Emotionen auslösen. Als ätherische Öle und Räucherstoff werden Pflanzenstoffe aufgrund ihrer heilenden Wirkung geschätzt.





Es ist faszinierend, was Düfte alles bewirken können: Im Winter bringen Gewürze und Räucherungen mit Harzen und anderen Pflanzenstoffen Licht in die Dunkelheit des Winters; im Frühling erwecken blühende Bäume und Sträucher die Lebensgeister. Diese Schätze der Natur weiss auch der Mensch für sich zu nutzen. Seit es unseren Vorfahren gelungen ist, Duftstoffe aus Pflanzen zu extrahieren, benützen wir sie als Parfums, die wie geflügelte Wesen in die Nasen jener getragen werden, die uns nahe sind. Düfte legen sich wie eine Aura um uns Menschen – ein Art Erinnerungsfeld: Sie haften sich an Ereignisse sowie Stimmungen, die tiefe Eindrücke in unserem emotionalen Gedächtnis hinterlassen. Richtig angewendet, haben ätherische Öle auch deshalb eine heilende Wirkung auf Körper und Seele.


Räuchergaben ums Göttergnaden


Das wussten schon unsere Urahnen: Die Wurzeln der Aromatherapie und Parfümerie liegen im Räuchern von getrockneten Pflanzen, Gräsern, Früchten und Harzen: Das Wort «Parfüm» leitet sich vom lateinischen «per fumum» ab und bedeutet «durch den Rauch». Im Altertum wurden in fast allen Kulturen Räucherungen zur Reinigung und zur Behandlung von Krankheiten durchgeführt. Zudem dienten sie zu sakralen Zwecken, trugen Botschaften zu den Göttern und Gebete in den Himmel.



Den Begriff Aromatherapie wurde 1937 vom französischen Chemiker René-Maurice Gattefossé geprägt. Wie die wohlriechenden Tröpfchen des ätherischen Öls von den Pflanzenteilen getrennt werden, dieses Rätsel wurde aber schon vor rund 5000 Jahren gelöst. Das beweisen zahlreiche mesopotamische

Destilliergeräte aus Ton, die zur Herstellung von ätherischen Ölen dienten, sowie mehrere Destillen, die

von Archäologen auf der Insel Zypern gefunden wurden. Seltsamerweise ging das Wissen über die Kunst der Destillation von Heilpflanzen und die Verwendung von ätherischen Ölen im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder verloren.


«Richtig angewendet, haben ätherische Öle eine heilende Wirkung auf Körper und Seele.»


Heute werden unterschiedliche Verfahren für die Gewinnung von ätherischem Öl eingesetzt. Sie reichen von der Wasserdampfdestillation, über die Gewinnung durch Kaltpressung, Enfleurage (Pflanzenteile werden in Öl oder Fett eingelegt), über die Lösungsmittel- oder CO2-Extraktion bis hin zur Resinoid-Herstellung: Harze wie Styrax oder Weihrauch werden mit Lösungsmitteln angesetzt, erhitzt, verrührt,

extrahiert und gefiltert.


Das Odeur der Erinnerung


Doch wenn wir durch die Weihnachtsmärkte schlendern und uns die Aromen von Zimt, Vanille, Kardamom und Nelke an die Marktstände locken, die uns mit Spekulatius und Lebkuchen das Leben versüssen, denken die wenigsten daran, dass diese Düfte auch als Heilmethode angewendet werden. Eher werden wir an unsere Kindheit erinnert, mit allen Emotionen, die dazugehören. Der Grund: Düfte nehmen

Einfluss auf unsere Gemütsverfassung. Manche sind gar aphrodisierend oder psychoaktiv. Von Geburt an werden der Erfahrungen mit Düften sowie deren begleiteten Gefühle im limbischen System – dem Zentrum aller Emotionen – gespeichert und mit sogenannten limbischen Markern gekennzeichnet. Diese Marker verbinden alle Erlebnisse, inklusive des dazugehörigen Duftes, mit den begleitenden Gefühlen wie Gefahr, Schmerz, Angst, Genuss, Freude oder Trauer. Steigt nun ein uns bekannter Duft in die Nase, wird die Erinnerung mit den dazugehörenden Bildern und Gefühlen geweckt. So sind Düfte in der Lage unsere Stimmung zu beeinflussen, Sympathie, Abneigung oder Lust zu erzeugen, und unser Sexualverhalten zu steuern.


Möglichkeiten der Aromatherapie


Die Aromatherapie, ein Teilbereich der Phytotherapie, setzt genau dort an: Unter Anwendung ätherischer Öle, die eine umfassende physische, psychische und physiologische Wirkung haben, werden Befindlichkeitsstörungen oder körperliche Erkrankungen therapeutisch behandelt. Über sogenannte Diffuser haben die Öle eine direkte Wirkung auf die menschlichen Organe, weshalb sie entzündungshemmend, antiviral oder schmerzlindernd sein können. Dass die Duftstoffe der ätherischen Öle das vegetative Nervensystem beeinflussen und sich auf die Psyche auswirken, ist

wissenschaftlich belegt. Sie finden deshalb auch Beachtung in der Schulmedizin. In der Aromatherapie gibt es unterschiedliche Anwendungen. So können ätherische Öle


• verdünnt oder mittels sogenannten Hydrolaten eingenommen werden (ein Hydrolat entsteht bei der Gewinnung von ätherischen Ölen durch Wasserdampfdestillation),


• bei Inhalationen zum Einsatz kommen,


• in der Sauna zur Entgiftung dienen,


• Wunden desinfizieren,


• in Kompressen eine entspannende und entkrampfende Wirkung haben,


• als Badezusatz wohltuend und entspannend auf Psyche und Haut wirken,


• als Gesichts- und Körperöle pflegend wirken,


• für Entspannung, Vitalisierung und für Schmerzlinderung bei Massagen sorgen.


Wichtig: Ätherische Öle sollten nur unter therapeutischer Anleitung eingenommen und niemals direkt auf der Haut aufgetragen werden. Ihre starke Konzentration kann zu Hautreizungen führen. Man bedenke: Für einen einzigen Tropfen Rosenöl werden rund 30 Duftrosen benötigt! Weiter können ätherische Öle zu Kontraindikationen führen, eine stark toxische Wirkung haben oder Hautreizungen und Allergien verursachen. Erwachsene sollten bei Anis (hohe Dosen können das Nervensystem schädigen) vorsichtig

sein; Schwangere unter anderem bei Kümmel, Muskatnuss, Petersilie oder Campher. Bei Kindern sollten die Öle von Rosmarin, Basilikum, Fenchel (bitter), Kreuzkümmel und Zimtrinde ganz vermieden werden und bei Pfefferminzöl ist grösste Vorsicht geboten. Düfte aus der Duftlampe, die die meisten Kinder lieben, sind Bienenwaben, Orange oder Clementine – Essenzen, die wunderbar in die Adventszeit passen.




Lustvolle Weihnachten


Diese Weihnachtsdüfte schlagen auch bei uns Erwachsenen an: Das Öl von Bienenwaben wirkt in Duftlampen, Bädern und in Massageölen beruhigend, entspannend, ausgleichend und entzündungshemmend; Orange ist gut fürs Gemüt und Mandarine unterstützt einen gesunden, sorglosen

Schlaf.


Dass das Odeur der Weihnachtsgewürze nicht nur unsere Lust an Lebkuchen weckt, sondern auch Licht in diese dunkle Zeit bringt, liegt wohl daran, dass Vanille besänftigt, beruhigt und bei Ärger, Frust und Reizbarkeit ausgleicht. Zimt wiederum wirkt antidepressiv und aphrodisierend bei Frigidität sowie Impotenz. Und Kardamom stimuliert die Sinnlichkeit. Oh, là là!


«Für einen einzigen Tropfen Rosenöl werden rund 30 frische Duftrosen benötgt.»

Entspannend und beruhigend hingegen wirken Lavendel und Neroli. Sie gehören wie die belebenden Zitrusöle Zitrone, Grapefruit und Bergamotte oder die harmonisierende Rose zu den Klassikern in der Aromatherapie und als solche in die gut sortierte Hausapotheke. Genauso wie das Fichtennadelnöl: Es erdet und kann uns zurück auf den Boden der Tatsachen holen. Wer keine sanfte Landung hatte und

ein aufbauendes und stabilisierendes Öl braucht, der kann zur Angelika greifen, der Engelwurz. Das Öl der altbekannten Magenbitterpflanze wirkt körperlich unterstützend bei Magenbeschwerden und auf psychischer Ebene bei Angst, Nervosität, Stress, Schlaf- und Mutlosigkeit.


So vielfältig sind sie, die heilsamen Kräfte der Düfte! Es macht Freude, sie ins Leben einzuladen und nach und nach kennenzulernen. So erlebt man rasch, wie faszinierend es ist, was Düfte alles bewirken können.



Die Geschichte der ätherischen Öle



Ätherische Öle aus Zedernholz, Zimt oder Koriander waren schon im Alten Ägypten (um 3000 bis 2000 v. Chr.) begehrt. Sie dienten zur Mumifizierung, zur Heilung und auch für die Kosmetik. Nach der Eroberung des ägyptischen Reiches nutzen und erweiterten die Griechen und Römer das alte Wissen der Ägypter. Auch die Chinesen und Inder kannten früh den Gebrauch des Destilliergerätes.




Nachdem das Geheimnis der Destillation verloren gegangen schien, tauchte es Ende des 10. Jahrhunderts bei arabischen Alchemisten wieder auf. Mit den Kreuzzügen kam das Wissen der duftenden Tropfen nach Europa. Der Schweizer Arzt und Alchemist Paracelsus (1493 bis 1541) förderte und beeinflusste die Herstellung sowie den medizinischen Gebrauch der Öle massgeblich: bis zu 114 verschiedene Öle lernte man von 1500 bis 1730 zu destillieren und medizinisch einzusetzen.





Im 19. Jahrhundert wurden die wertvollen Heilmittel aufgrund der neuen, chemischen verdrängt. Heute liegen die Naturstoffe wieder im Trend: Über 300 ätherische Öle werden in der Aromatherapie verwendet.

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