Heilsames Harz

Kategorie: Gesundheit


Mit Weihrauch verduftet der Vorweihnachtsstress. Das Harz des Weihrauchbaums setzt aber nicht nur ein entspannendes Aroma frei. Es ist ein potentes Mittel gegen viele Leiden.




Im volkstümlichen Sprachgebrauch wird die Bezeichnung Weihrauch ( = heiliger Rauch, der zur Weihung eingesetzt wird) vereinzelt auch heute noch als Sammelbezeichnung für alle geläufigen Räucherharze verwendet. Tatsächlich bezieht sie sich jedoch ausschliesslich auf das gehärtete Gummiharz der in Arabien, Afrika und Indien heimischen, bis zu sechs Meter hohen Boswellia-Bäume (Weihrauchbäume). Deren vielfältige Heilwirkungen stehen schon seit Längerem im Fokus medizinischer und pharmakologischer Forschungsarbeiten. Jahrtausendealtes Erfahrungswissen lässt sich somit inzwischen auch vonseiten der Wissenschaft erschliessen.


Doch wagen wir zuerst einen Blick in die Vergangenheit. Die kulturhistorische Relevanz des Weihrauchharzes gestaltet sich derart vielschichtig, dass sie heute kaum mehr zur Gänze nachvollzogen werden kann; schliesslich hat dieses Baumharz sowohl in ökonomischer, sozialer, soziokultureller als auch in spiritueller Hinsicht ganze Zeitepochen und Kulturen geprägt. Bereits vor über 4000 Jahren importierten die alten Ägypter grosse Mengen Weihrauch (und andere Schätze wie Ebenholz, Elfenbein, Gold, Myrrhe, Salz, Zedernholz u. v. m.) aus dem sagenumwobenen «Goldland» Punt. Legendär ist in diesem Zusammenhang jene Expedition, die von der einstigen Pharaonin Hatschepsut (Regierungszeit: 1479 bis 1458 v. Chr.) in Auftrag gegeben wurde und deren Verlauf man damals auf einem Relief an ihrem Totentempel verewigte.

Von antibakteriell bis tumorhemmend

Damals war dieses Baumharz derart wertvoll gewesen, dass es mit Gold aufgewogen wurde. Sicherlich auch deshalb, weil es neben seiner Verwendung als sakraler Räucherstoff über eine ganze Vielzahl an heilsamen und wohltuenden Eigenschaften verfügt, die zu einem grossen Teil auch schon bei den alten Hochkulturen bekannt waren.


Chemisch betrachtet handelt es sich beim Weihrauch um ein komplex zusammengesetztes Stoffgemisch, bestehend aus 30 bis 60  % alkhohollöslichen Harzen, 20 bis 25  % wasserlöslichen Gummen (Polysaccharide) und 5 bis 10  % ätherischem Öl. Die für medizinische Zwecke bedeutsamen Boswelliasäuren (z.   B. 3-O-Acetyl-11-keto-Boswelliasäure) befinden sich mit Gehältern von bis zu 50  % (ca. 25  % des Gesamtvolumens) im Harzanteil des Weihrauchs. Ihre pharmakologische Qualität besteht darin, dass sie vereinfacht erklärt das Enzym 5-Lipoxigenase hemmen und auf diese Weise eine Bildung der entzündungsfördernd wirkenden Leukotrien reduzieren. Daneben wurden für die Boswelliasäuren antibakterielle, antitumorale, cholesterinsenkende, immunmodulierende und schmerzlindernde Eigenschaften bestätigt. Die höchsten Konzentrationen der wertvollen Verbindungen wurden im rohen Naturharz sowie in bestimmten Lösungsmittel-Extrakten nachgewiesen. Dies erklärt auch die Beliebtheit der Weihrauchkapseln, da in ihnen das pulverisierte Rohharz und damit auch das volle Spektrum an heilsamen, in synergistischer Interaktion wirkenden Inhaltsstoffen enthalten ist.


Kurze Ethnobotanik ausgewählter Weihrauch-Sorten


Boswellia frereana


Maidi- oder Königsweihrauch von der somalischen Art Boswellia frereana lässt sich dadurch erkennen, dass er aufgrund seines geringen Gummi-anteils auf Kohle oder einem Weihrauchbrenner vollständig schmilzt. Der sich verbreitende Räucherduft ist in seiner Vielfältigkeit absolut einzigartig. Duftbestimmend ist zwar eine deutliche Frucht- bzw. Orangennote; daneben offenbaren sich aber auch zahlreiche andere feine Nuancen. Wirkspezifisch zeichnet sich geräucherter Maidi-Weihrauch, der abhängig von seiner Grösse in verschiedenen Qualitäten erhältlich ist, in erster Linie durch geistöffnende und emo-tional wärmende Eigenschaften aus. Er eignet sich daher besonders gut für Meditationen und andere Bewusstseinsrituale. Ethnomedizinisch ist Königsweihrauch zur Linderung von Arthritis, Hautentzündungen, Infektionskrankheiten und Verdauungsbeschwerden bekannt. Kleine Stücke sind zudem eine gute Alternative zu Kaugummi: Maidi-Weihrauch schmeckt nicht nur gut, er erfrischt auch den Atem und kann sogar bei Mundinfektionen helfen.

Boswellia papyrifera


Boswellia papyrifera stammt aus den kargen Landschaften des äthio-pischen Hochlands. Das gelbe bis orange Harz dieser Spezies ist der am häufigsten gehandelte Weihrauch überhaupt. In Äthiopien ist diese Sorte allgegenwärtig. Sie wird dort besonders gerne geräuchert, wenn auf rituelle Weise das Kaffeetrinken zelebriert wird. Aber auch, um unangenehme Gerüche zu übertünchen oder um nächtlich umherstreifende Geistwesen zu vertreiben. In der äthiopischen Ethnomedizin ist der aufsteigende Rauch von Boswellia papyrifera als Fiebermittel bekannt.

Boswellia sacra


Der aus dem omanischen Dhofar-Gebirge stammende Weihrauch der Spezies Boswellia sacra gilt als ausgesprochen rein und wird in insgesamt fünf Qualitätsstufen klassifiziert. In der arabischen Medizin werden die aromatischen Harztränen bevorzugt als Kaumittel oder als Weihrauchwasser angewendet. Sie werden aber geräuchert sowie in pulverisierter Form äusserlich zur Anwendung gebracht.


Traditionelle Indikationen sind Asthma, Bronchitis, Gelenkschmerzen, Hautkrankheiten, Mundgeruch, Knochenbrüche, Verdauungsbeschwerden, Vergiftungen und Wunden. -Zudem ist dieser Weihrauch ein wichtiges Kosmetikprodukt in der weiblichen Schönheitspflege. Der beim Räuchern aufsteigende Rauch ist eines der wichtigsten traditionellen Parfums, wozu das Räuchergefäss für einige Zeit unter den traditionellen Gewändern platziert wird. In Arabien ist das Harz darüber hinaus von einer grossen kultischen Bedeutung geprägt: Als Zeichen der Gastfreundschaft ist es beispielsweise üblich, dass der Gastgeber beim Empfang das duftende Räuchergefäss mehrmals um die Körper seiner Gäste führt.

Boswellia serrata


Boswellia serrata gedeiht in den Trockengebieten Indiens und liefert den derzeitig am intensivsten erforschten Weihrauch. Das Serrata-Harz ist der einzige Weihrauch, der als Heilmittel auch in den europäischen Arzneibüchern aufgeführt wird. In der ayurvedischen Schrift Bhavapraksha und in anderen traditionellen Medizintexten wird «indischer Weihrauch» seit Jahrhunderten als vielseitig einsetzbares Heilmittel beschrieben.


Sein Indikationsspektrum deckt verschiedenste Leiden ab, etwa Arthritis, Blutungen, Durchfall, Dysenterie, Fieber, Gelbsucht, Geschwüre, Harnwegsbeschwerden, Hautleiden, Hodenentzündungen, Husten, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Erkrankungen, ausbleibende Menstruation, Leberkrankheiten, Lungenprobleme, Rheuma, Syphilis, Wunden und Zahnschmerzen.


Im Ayurveda wird es zum Ausgleich aller drei Doshas (Vata, Pitta und Kapha) verwendet. Die medizinisch relevante Wirkung wird als antiarthritisch, antiseptisch, beruhigend, blutdrucksenkend, entzündungshemmend, menstruationsanregend und schmerzlindernd beschrieben.




Die geistbewegende Wirkung

Im Grunde genommen zeigen zwar alle Räucherstoffe eine gewisse geistbewegende Wirkung. Bei den Weihrauchharzen wird eine solche aber auffallend häufig beschrieben; besonders von Messdienern und Kirchenbesuchern, die den dichten, aus dem Weihrauchschwenker aufsteigenden Rauch mehr oder weniger freiwillig inhalieren.



Die Pharmakologie der Weihrauch-Psychoaktivität beruht nach aktuellem Forschungsstand sehr wahrscheinlich auf den Substanzen Incensol und Incensol-Acetat. Diese Stoffe können den Ionenkanal TRPV3 im Gehirn aktivieren, wodurch sie nicht nur ein warmes Körperempfinden herbeiführen, sondern auch auf der psychischen Ebene aktiv wirksam sind. Das Wirkspektrum umfasst angstlindernde, antidepressive sowie beruhigende Eigenschaften.


Grundsätzlich gilt, dass sich der besondere Duftakkord des Weihrauchs am besten und zuverlässigsten auf einem Weihrauchbrenner oder einem Stövchen mit Räuchersieb offenbart. Diese Utensilien ermöglichen ein sanftes Erhitzen, ohne dass das Harz dabei verbrennt. Hingegen wird für Reinigungsrituale, aufgrund der stärkeren Rauchentwicklung, bevorzugt Räucherkohle als Hitzequelle verwendet. Das sich verbreitende Räucheraroma ist erfrischend, würzig und sortenabhängig mit zahlreichen feinen Duftnuancen gespickt.


Das Räucherverhalten gestaltet sich je nach Sorte und der jeweilig vorliegenden Harz-Öl-Gummi-Verhältnisse sehr variabel: Maidi-Weihrauch beispielsweise schmilzt und verflüssigt sich beim Erhitzen. Andere Sorten haben diese Eigenschaft nicht und riechen auf Räucherkohle spätestens dann verbrannt, wenn alle flüchtigen Aromastoffe verdampft sind und der übrig gebliebene Gummianteil schon schwarz geworden ist. Dann werden die kleinen Stückchen mit einem Räucherlöffel einmal gewendet, bevor man sie schliesslich von der Kohle nimmt.


Räucherungen mit Weihrauch eignen sich für zahlreiche rituelle Angelegenheiten. Besonders beliebt sind sie traditionell im Rahmen von Feierlichkeiten, Gebeten, Meditationen, Reinigungen, Segnungen und Übergangsritualen. Sie können aber auch schlicht für Entspannungszwecke eingesetzt werden – für eine sinnliche Auszeit im Alltag




Eigenschaften und Anwendungen


Hauptsächlich wirken die Harze der Weihrauchbäume entzündungshemmend, schmerzlindernd, beruhigend, leberschützend und anti-mikrobiell. Therapien mit Weihrauch (als Rauch oder Harz, in Tablettenform, als Tinktur und ätherisches Öl, in Kapseln oder Tropfen) kommen besonders bei folgenden Indikationen zum Einsatz: Arthritis und Rheuma, Augeninfektionen, ausbleibende Menstruation, Depressionen und Angstzustände, Erkältung (Husten, Schnupfen), Hauterkrankungen (Akne, Ekzeme, Entzündungen, Geschwüre), In-sekten-Abwehr, Konzentrations- und Erinnerungsschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Erkrankungen (Durchfall, Magenschmerzen), Mundgeruch und Mundinfektionen, Wunden.


Fotos: istockphoto.com

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