Warum nicht mal neben Gemüse auch Pilze züchten? Pilze werden
immer beliebter, entsprechend gross ist die Nachfrage nach Kursen und Zuchtmaterial. Damit die Zucht gelingt, braucht es jedoch mehr als einen grünen Daumen.
Fabrice Müller
Pilze mochte Fabian Schneider früher nicht. Bis er 18 war, ass er weder Champignons, geschweige denn andere Pilze. «Ich hatte keinen Bezug zu ihnen und wollte sie daher auch nicht auf dem Teller», erinnert sich der gelernte Zierpflanzengärtner schmunzelnd. Erst, als er einmal auf Besuch ein Risotto vorgesetzt bekam, bei dem auch Pilze mit dabei waren, entdeckte er eine neue kulinarische Welt. «Ich war überrascht, wie gut die Pilze schmeckten. Kurz darauf begann ich, mich mit Pilzen zu beschäftigen und mit der Zucht von Pilzen zuhause zu experimentieren.»
Es folgten diverse Kurse beim Pilzexperten Daniel Ambühl sowie autodidaktische Weiterbildungen mit Hilfe von Literatur. Das Thema liess ihn nicht mehr los. Mehr noch: Fabian Schneider beschloss, sich 2015 mit der Pilzzucht selbstständig zu machen. Er richtete sich zu Hause mit den nötigen Geräten ein, darunter einem Autoklav für die Dampfsterilisation. Sterile Geräte sind, so Fabian Schneider, essenziell, um Hefe oder Schimmelpilze, die das Wachstum von anderen Pilzen verhindern, zu verhindern.
Kurse, Ausrüstung und Frischpilze
Bereits ein Jahr später übergab Daniel Ambühl sein 2001 gegründetes Unternehmen «Pilzgarten» an Fabian Schneider und dessen Bruder Philipp. Während sich Daniel Ambühl einem neuen Forschungsgebiet widmete, richteten die beiden Brüder im alten Bahnhof Trubschachen ihr Labor und die Pilzzucht ein. Im Jahr 2021 haben sie die ganze Produktion auf die Schweizer Bio Knospe umgestellt. Weil 2022 Philipp einen Bauernhof übernehmen konnte, übergab er das Geschäft ganz seinem Bruder Fabian.
Mit dem Start in das Jahr 2024 ist Pilzgarten als Marke für Pilzzuchtprodukte in den Betrieb der fungi futuri GmbH in Steffisburg eingegliedert worden. Fabian Schneider führt fortan mit Severin Scheurer und Tobias Schüpbach den Betrieb. Das Dreiergespann organisiert zum einen Kurse für alle, die selbst zuhause Pilze züchten wollen, und verkauft die nötige Ausrüstung dazu; zum andern züchtet die fungi futuri GmbH Frischpilze für Privatpersonen und die Gastronomie.
Drinnen oder draussen
Drei Tage dauert die Ausbildung «Vom Wildpilz zum Zuchtpilz», aufgeteilt in drei Module. Im ersten Modul suchen und bestimmen die Teilnehmenden im Wald nach geeigneten Wildpilzen, die sich für die Zucht eignen. Die gesammelten Erträge werden anschliessend auf selbst hergestellten Nährböden geklont. Dabei lernen die angehenden Pilzzüchterinnen und -züchter alle für die Pilzzucht relevanten Grundlagen kennen, auf die sie im Labor zu achten haben. «Wir wollen im Kurs zeigen, wie man auch ohne grosse Investitionen in technische Geräte zuhause Pilze züchten kann», erklärt Fabian Schneider. Zwischen den drei Kurstagen liegen jeweils zwei Wochen; in dieser Zeit zeigen sich die Fortschritte der im Modul zuvor gelernten und umgesetzten Massnahmen für die Pilzzucht. Wer zuhause Pilze züchten will, kann dies grundsätzlich auf zwei Arten realisieren: Er oder sie sucht sich ein schattiges und feuchtes Plätzchen im Garten – oder man richtet sich im Haus entsprechend ein, zum Beispiel im Badezimmer, wo es idealerweise meist etwas feucht ist, oder im Keller.
Pilzworkshop: Hier werden die Baumstämme mit Löchern versehen, um diese danach mit der Pilz-Dübelbrut zu füllen.
Dübelimpfmethode
Für die Pilzzucht im Garten kommt die sogenannte Dübelimpfmethode zur Anwendung. Hierzu verwendet man für das Beimpfen frisch geschlagenes Holz. Wichtig ist, so Fabian Schneider, eine möglichst intakte Rinde, denn diese schützt den beimpften Baumstamm vor Trockenheit und anderen Pilzen. Für den Pilz «Shiitake» beispielsweise empfiehlt der Pilzprofi Eichenholz mit einem Durchmesser von 10 bis 15 Zentimeter und einer Länge von einem Meter. Für alle anderen Pilzarten brauche es einen Durchmesser von 20 bis 30 Zentimeter und eine Länge von einem halben Meter.
Schattig und feucht
Wie werden die Stämme anschliessend beimpft? Hierzu gibt es spezielle Holzdübel, Pilz-Dübelbrut genannt, mit denen man Baumstämme und Wurzelstücke mit dem gewünschten Pilzmycel beimpft. Die in lauwarmem Wasser eingeweichten Impfdübel werden in die um den Stamm gebohrten Löcher mit einem Gummihammer eingeschlagen, befeuchtet und anschliessend in einem durchsichtigen Plastiksack eingepackt. Mindestens fünf Monate lagern die Pilzhölzer nach dem Beimpfen im Freien. Die Pilzhölzer mögen es gerne schattig und feucht. Pilze bevorzugen laut Fabian Schneider zudem einen lockeren, humosen Boden. Eine Schaufel Kompost ins Pflanzloch erhöhe deshalb den Ertrag. «Pilze gedeihen aber auch auf schweren Böden, mögen jedoch keine Staunässe», ergänzt Fabian Schneider. Die Pilzhölzer werden stehend zu zwei Dritteln eingegraben. Weil auch Schnecken Pilze mögen, sollten die Stämme mit einem Schneckenzaun geschützt werden. Achtung: Keine Schneckenkörner benutzen, denn der Pilz nimmt die Wirkstoffe auf.
Mit einem Blumentopf beginnen
Die Zucht in einem Zimmergewächshaus kommt der professionellen Speisepilzzucht auf Substrat am nächsten, weil dabei die verschiedenen Umweltbedingungen am effektivsten beeinflusst werden können, wie Fabian Schneider erläutert. Für die ersten Gehversuche als Pilzzüchterin oder -züchter eigne sich jedoch auch ein Blumentopf: Letzterer ist die kostengünstigste Variante, um Substratbags zum Fruchten zu bringen. Allerdings: «Mit dieser Methode können die Umweltbedingungen nur zu einem sehr geringen Teil gesteuert werden», gib der Pilzprofi zu bedenken, denn beim Blumentopf lasse sich die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit nicht genau beeinflussen.
Bestens für die interne Aufzucht geeignet ist zum Beispiel der Kräuterseitling, der dem Steinpilz im Geschmack und Aussehen sehr ähnlich ist. Als Substrat und Nahrungsgrundlage für die Pilze werden häufig Sägespäne und Kleie verwendet; es handelt sich dabei um anfallende Abfallprodukte der Mühlen- und Holzindustrie. Für die Schaffung von optimalen Bedingungen für die Pilzzucht zuhause sind ausserdem Luftbefeuchter, Luftpumpe, Heizmatte und ein Autoklav für die Sterilisation von Werkzeugen im gasdicht verschliessbaren Druckbehälter sinnvoll. «Eine Luftfeuchtigkeit von 92 Prozent, 15 bis 20 Grad Zimmertemperatur sowie ein konstanter Luftaustausch für das von den Pilzen produzierte CO₂ sind entscheidend für ein optimales Klima», betont Fabian Schneider. Zudem verhindere man dadurch die Schimmelbildung auf dem Pilzsubstrat. Ideal für die Pilzzucht sind Badezimmer oder Kellerräume.
Bis zu drei Kilogramm
Wer einen durchwachsenen Substratsack bezieht, kann schon nach zwei Wochen die ersten Pilze ernten. Mit den Substratsäcken lassen sich innert kurzer Zeit Pilze ernten, bei den Pilzhölzern kann es nach dem Pflanzen bis zu zwei Jahre dauern, bis die ersten Pilze erscheinen. Unter optimalen Bedingungen dürfen sich Pilzfreunde bei Pilzstämmen aus dem Garten auf bis zu drei Kilogramm Erntegewicht innerhalb von drei bis vier Jahren freuen. «Besonders am Anfang fallen meist hohe Erträge an. Ab einem gewissen Zeitpunkt jedoch sind die Nähstoffe des Pilzstamms erschöpft, und es kommen keine neuen Pilze mehr», gibt Fabian Schneider zu bedenken.
www.fungifuturi.ch
Vier Exponenten aus der Welt der Zuchtpilze
Austernseitling
Er ist relativ einfach zu züchten und verzeiht viele Fehler in der Pilzzucht. Als Gaumenfreude kann er hauchdünn geschnitten, im Öl braun gebraten und mit etwas Weisswein abgelöscht und auf einem noch warmen Toast mit etwas Fleur de Sel abgeschmeckt werden.
Shiitake
Der Shiitake ist weltweit nach dem Champignon der meist gezüchtete Pilz und wird vor allem in der chinesischen Küche verwendet. Der Shiitake ist einer der wenigen Pilze, die über die Geschmacksqualität Umami verfügen. Umami gilt neben süss, sauer, salzig und bitter zu den wahrnehmbaren Geschmacksrichtungen. In der chinesischen Volksmedizin wird dieser Pilz bei verschiedenen Beschwerden als Heilmittel eingesetzt.
Igelstachelbart
Die Konsistenz des Igelstachelbartes ähnelt jener von Meeresfrüchten. Vom Geschmack her wird ihm eine Ähnlichkeit mit Kalbsfleisch nachgesagt. Wie der Shiitake wird auch dieser Pilz in der chinesischen Volksmedizin häufig verwendet.
Pioppino
Der Pioppino ist ein in Italien beliebter Speisepilz und wurde schon von den Römern in Kultur genommen. Hierzulande ist dieser Pilz weniger bekannt, ist jedoch durch sein an Wildpilze erinnerndes Aroma einer der schmackhaftesten Pilze überhaupt.