Entgiftung, Energiefluss und Emotionen
Die Leber spielt nicht nur beim Entgiften eine wichtige Rolle. Sie wirkt auch auf das Immunsystem und hat somit einen Einfluss auf Allergien. Die Traditionelle Chinesische Medizin wie auch das japanische Shiatsu behandeln die Leber aus ganzheitlicher Sicht.
Fabrice Müller
Eine Stange am Feierabend, ein Gläschen Wein zum Essen, ein Cocktail in der Feierrunde, ein Schnäpschen zur Verdauung: Alkohol ist ein oft täglicher Genuss im Alltag. Häufig geht jedoch vergessen, dass sich ein übermässiger und häufiger Alkoholkonsum gesundheitsgefährdend auf den Körper auswirkt. Die Leber als Organ, das bei hohem Alkoholkonsum in Mitleidenschaft gezogen wird, steht dabei an vorderster Stelle. Die Leber baut über bestimmte Eiweisse den Alkohol ab.
Da sie jedoch auch andere Reinigungsprozesse vollziehen muss, sollte man ihr immer wieder eine Pause gönnen. Denn: Die Leber schafft nicht mehr als eine gewisse Menge Alkohol in einer bestimmten Zeit aus dem Blut zu reinigen. Das führt laut dem Schweizer Leberpatienten Verein swiss HePa dazu, dass die Restmenge, die noch nicht von der Leber abgebaut worden ist, auf Gehirn, Herz, Muskeln und andere Körpergewebe einwirkt. Alkohol, zusammen mit Medikamenten eingenommen, strengt die Leber zusätzlich an. Bei zu hohem Alkoholkonsum gerät die normale Leberfunktion aus dem Gleichgewicht. Das chemische Gleichgewicht der Leber ist dann nicht mehr gegeben, was zu Leberzellveränderungen führt oder gar Leberzellen zerstört. Zunächst kommt es zu Fetteinlagerungen (alkoholische Fettleber). Dieser Zustand der Leber ist noch reversibel, das heisst, dass sich die Leber wieder erholt, sofern kein Alkohol mehr getrunken wird.
Energiefluss und Immunsystem
Wenn die Leber in ihrer Funktion geschwächt wird, leiden darunter verschiedene Bereiche des Körpers, wie Thomas Feer von der Naturheilpraxis Nidwalden in Stans, informiert. Der Naturheilpraktiker sowie Therapeut für Shiatsu und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) betrachtet die Leber aus ganzheitlicher Sicht: «In der TCM spricht man bei der Leber von einem Organsystem, zu dem neben körperlichen auch psychische und geistige Aspekte gehören.» Abgesehen von der Entgiftung als eine der Aufgaben der Leber hält das Organ, das sich im rechten Oberbauch direkt unter dem Zwerchfell befindet, den Energie- bzw. Qi-Fluss im Körper in Bewegung. Dadurch beeinflusst die Leber auch alle anderen Organsysteme. Laut der TCM wirkt sich der Zustand der Leber-Energie auf die Flexibilität von Sehnen und Bändern aus, ebenso auf die Augen und das Blut. «Die Leber speichert Blut-Energie und gibt diese dem Körper ab, zum Beispiel im Sport oder auch im Menstruationszyklus der Frau. Diese Funktion wirkt sich ebenfalls auf das Immunsystem aus», erklärt Thomas Feer.
Zu viel Hitze führt zu Allergien
Verbindungen zwischen der Leber und dem Immunsystem bestehen beispielsweise über die Durchblutung der Haut. Eine gut durchblutete Haut verfügt über genügend Abwehrmechanismen gegen pathogene Faktoren von aussen. Im Frühling löst der Heuschnupfen bei Betroffenen oft rote Augen aus. Sie sind ebenfalls ein Leber-Thema, wie Thomas Feer erläutert. «Juckreiz in den Augen oder auf der Haut sind die Folgen von zu viel Hitze im Körper, was wiederum inneren Wind erzeugt und sich als Juckreiz zeigt. Die Hitze entsteht zum Beispiel, wenn der Energiefluss blockiert ist, was zu Druck und Reibung führen kann.» Wenn die Leber ihre Hauptaufgabe, das Entgiften, aufgrund einer Schwächung beispielsweise durch starken Alkoholkonsum nicht mehr ausreichend erfüllt, werden die Toxine bzw. Giftstoffe nicht ausgeschieden.
« Die Leber beeinflusst massgeblich
den Energiefluss und das Immunsystem im Körper. »
Eine hohe Belastung an Giftstoffen im Blut begünstigt allergische Symptome ebenfalls. Häufig werden die Leber und mit ihr auch das Immunsystem ferner durch psychische Faktoren wie Stress, Ärger oder Wut geschwächt. Diese Emotionen fördern die Hitze im Körper und verstärken dadurch laut Thomas Feer das Allergierisiko. «Aus der Sicht der TCM bedeutet zu viel Hitze ein Übermass an Yang-Energie im Körper bzw. ein Mangel an Kühle, Yin. Das kann sich als Blutmangel-Hitze zeigen.» Um noch weiter in der Bildsprache zu bleiben: Wind gehört zur Wandlungsphase Holz, der Leber-Energie. Er steht für Flexibilität – zum Beispiel im Umgang mit Emotionen. Zu viel emotionale Hitze im Körper, ausgelöst etwa durch unausgelebten oder übertriebenen Zorn, oder eine organisch geschwächte Leber lassen den Energiefluss stagnieren und können die körperliche oder auch mentale Flexibilität mindern. Auf der psychischen Ebene steht die Leber gemäss ihrer Zugehörigkeit zum Element Holz mit dem kreativen Sein, mit der Entwicklung neuer Ideen und der Lebenslust in Verbindung. «Eine Störung der Leber bzw. ein blockierter Energiefluss äussert sich unter anderem durch depressive Phasen wie durch mangelnde Ideen und Lebensfreude», erklärt Thomas Feer und weist darauf hin, dass Symptome wie Allergien meist durch eine Kombination aus verschiedenen Faktoren ausgelöst werden, die schlussendlich zu einer starken inneren Hitze führen.
Von Antriebsschwäche bis Depressionen
Im Gegensatz zu anderen Organen und Körperteilen reagiert die Leber nicht mit Schmerzen auf eine Schädigung. Leberschäden machen sich über andere Symptome bemerkbar, die nicht immer direkt mit der Leber in Verbindung gebracht werden. Mögliche Hinweise auf ein Leberproblem sind laut Thomas Feer zum Beispiel chronische Antriebsschwäche, mangelnde Lebenslust, starke Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Depressionen. Ein stagnierender Energiefluss als Folge einer geschwächten Leber löst Wut und Zorn aus. Körperlich werden Kopfschmerzen, Schulter- und Nackenverspannungen, Prämenstruelles Syndrom (PMS), Spannungsgefühle im Rippenbogen, Augenprobleme, Schmerzen an Sehnen und Bändern, brüchige Fingernägel sowie Haarausfall mit einem Leberthema in Verbindung gebracht.
Auf die Ernährung achten
Neben Alkohol, wie zu Beginn dieses Beitrages erwähnt, wird die Leber-Energie ebenso durch mangelnde Bewegung – körperlich und mental – geschwächt. «Wer sich physisch zu wenig bewegt, aber auch im Kopf stur, wenig flexibel und extrem strukturiert ist, bringt die Lebensenergie ins Stocken», sagt Thomas Feer. Lebensmittel aus gesättigten Fettsäuren, die zu viel Hitze beinhalten – zum Beispiel grilliertes Fleisch, Würste, frittierte Beilagen oder auch schlechte Öle – schaden der Leber. Als Alternative werden fetthaltige pflanzliche Lebensmittel wie zum Beispiel Oliven, Nüsse, Avocado, Oliven-, Raps- und Leinöl empfohlen. Vermeiden sollte man weiter Trauben- und Fruchtzucker, die in Säften und Süssigkeiten vorkommen, und stattdessen rotes und grünes Gemüse wie Randen oder Spinat, bitterstoffhaltige Pflanzen wie Rucola, Artischocken oder Chicorée, Obst, Beeren, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte bevorzugen. «Trotzdem sollte man beim Essen nicht dogmatisch sein, weil dies die Leber wiederum blockieren würde. Die Freude am Genuss soll im Zentrum stehen», betont Thomas Feer. Schwächend auf das Verdauungssystem und somit auch auf die Leber wirkt sich üppiges Essen zu später Stunde aus. Grund: Der Körper benötigt ausreichend Zeit, um die Nahrung zu verstoffwechseln. Im Schlaf fällt es dem Körper schwerer, gesunde Nährstoffe aus dem Abendessen zu gewinnen. Weil die Verdauung während des Schlafs nicht mehr auf Hochtouren läuft, muss die Leber diese Aufgabe übernehmen.
TCM und Shiatsu
Wie können die Leber und somit auch das Immunsystem mit TCM-Therapien und Shiatsu unterstützt und behandelt werden? «Mit Hilfe der Akupunktur stimulieren wir gezielt jene Punkte im Körper, die den Energiefluss anregen und das Blut aufbauen», antwortet Thomas Feer. Auch das Immunsystem lasse sich über das Aktivieren von bestimmten Akupunkturpunkten und Meridianen stärken. In der ganzheitlichen japanischen Therapiemethode Shiatsu nehmen die Therapeutinnen und Therapeuten den energetischen Zustand der Meridiane und der dazugehörenden Organe der Klientinnen und Klienten wahr, ertasten Blockaden oder energiearme Zonen und nutzen verschiedene Techniken wie Fingerdruck, Dehnungen und Rotationen, um den Energiefluss in den Meridianen und im ganzen Körper auszugleichen. «Wichtig sind auch Gespräche», betont der TCM- und Shiatsu-Therapeut, «denn sie helfen der Patientin oder dem Patienten, sich auszudrücken und die emotionale Last abzugeben.»
« Shiatsu gleicht den Energiefluss in Meridianen und Organen aus und fördert so das körperliche Gleichgewicht. »
Fingerdruck, Dehnungen oder Rotationen werden bei Shiatsu angewandt,
um Blockaden zu lösen.
Selbstwahrnehmung und Genesung
Die Berührungen und Bewegungen im Shiatsu werden von den Klientinnen und Klienten auf verschiedenen Ebenen wahrgenommen. Sie spüren, wie ihr Körper auf die Behandlung reagiert und dabei zur Ruhe kommt. Fragen zum aktuellen Körperempfinden während der Behandlung unterstützen die behandelte Person darin, die Geschehnisse im Körper und damit Muster, Bedürfnisse und Gefühle zu erspüren und sich selbst bewusster wahrzunehmen. Denn: Selbstwahrnehmung gilt als ein wesentlicher Aspekt für die Genesung. Sie erlaubt der Klientin und dem Klienten in Kontakt mit Blockaden in Gefühls-, Denk-, Haltungs- oder Handlungsmustern zu kommen. «Wichtig dabei sind das Verstehen und Einordnen der Zusammenhänge der Beschwerden mit der Lebensführung. Damit verbunden ist eine Auseinandersetzung der Klientinnen und Klienten mit sich selbst. Sie erkennen, dass sie selbst wesentlich zu ihrer Genesung beitragen können und finden die Motivation, für sich selbst einzustehen», sagt Thomas Feer. Der Naturheilpraktiker empfiehlt zudem, sich regelmässig zu bewegen – zum Beispiel mit Tai-Chi, Qigong, Yoga oder Spaziergängen. Auf zu intensives Krafttraining hingegen sollte man verzichten, weil dieses eher zu energetischen Verhärtungen führen kann. Empfehlenswert seien dagegen kreative Tätigkeiten wie Tanzen, Malen oder Musizieren.
Leber-Meridian
Wer will, kann die Leber mit einer Selbstheil-Massage in Form von Akupressur und Meridian-Massage unterstützen (siehe Info-Box). Meridiane sind Körper-Leitbahnen, die Organe, Körperfunktionen und Psyche miteinander verbinden. Die TCM unterscheidet zwischen zwölf verschiedenen Hauptmeridianen. Der Leber-Meridian verläuft vom äusseren Nagelfalzwinkel des grossen Zehs über den Fussrücken zwischen den Mittelfussknochen des ersten und zweiten Zehs, zieht vor dem Innenknöchel nach oben, kreuzt zum inneren, hinteren Rand des Schienbeins und setzt sich bis zum inneren Ende der Kniegelenksfalte fort. Von dort fliesst er weiter über die Mitte der Innenseite des Oberschenkels und um die äusseren Genitalien herum, weiter über die Leisten und den Seitenbereich des Bauches bis zur Spitze der elften Rippe, um in einem grossen Bogen weiterzuziehen bis auf Leberhöhe (6. Interkostalraum), senkrecht unterhalb der Brustwarze. Hier endet der äussere Verlauf des Leber-Meridians. Im Inneren des Körpers fliesst der Meridian weiter, unter anderem verbindet er sich mit der Leber und der Gallenblase oder auch den Augen.
Meridian-Massage
Als Akupressurpunkt empfiehlt sich zum Beispiel der äussere Nagelfalzwinkel des grossen Zehs – der Anfangspunkt des Lebermeridians. Empfohlen wird diese Massage bei niedrigem Blutdruck, Kreislaufkollaps, Regelkrämpfen, PMS, heftigen, plötzlichen Bauchschmerzen sowie Blähungen. Dieser Punkt sollte sanft mit dem Daumen massiert werden – dabei den Zeh mit dem Zeigefinger fixieren. Anschliessend abwechselnd links und rechts oder gleichzeitig massieren. Diese Massage wirkt entspannend, belebend und tonisierend, zudem verfeinert sie die Wahrnehmung. Die volle Wirkung entfalten solche Akupressurpunkte, wenn man vor der Massage den gesamten Leber-Meridian ausstreicht. Die beschriebene Wirkung der Übungen basiert auf den Erkenntnissen der TCM.
Quelle: www.qigong-akademie.at
www.swisshepa.org
www.naturheilpraxis-nidwalden.ch